„Wir rufen Flipper ...“

Was der Menschheit heute fehlt, ist ein treues Tier, das einem selbstlos und zuverlässig aus jeder Patsche hilft

Die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts waren ein ganz erstaunliches Jahrzehnt. Nicht nur wegen Studentenunruhen, Beatles, Mondlandung und Flower Power. Es war auch die Zeit, in der Mensch und Tier eine besonders enge Bindung hatten. Die Tiere verstanden damals tatsächlich unsere Sprache, was viele Dokumentationen bewiesen. Sie trugen Titel wie „Lassie“, „Fury“, „Flicka“, „Flipper“, „Daktari“ und „Skippy das Buschkänguruh“. Diese Tiere hatten uns etwas zu sagen. Und zwar ständig. Beinahe täglich blickten wir in den Fernseher und fragten uns: Warum bellt Lassie denn so merkwürdig, warum wiehert Fury so seltsam, warum meckert Flipper so aufgebracht, warum schnattert Cheetah so aufgeregt, warum hüpft Skippy so nervös auf und ab – wollen sie uns etwas mitteilen?

Natürlich wollten die braven Tiere unsere Aufmerksamkeit auf eine Notsituation lenken, irgendwo brannte ein Haus, war ein Rochen in Not, lag ein kleines Mädchen eingeklemmt unter ihrem Dreirad oder versuchten Wilderer einem Elefanten die Stoßzähne abzuschrauben. Ohne die sprechenden Tiere hätte der Mensch nichts gemerkt und das Verbrechen den Sieg davongetragen.

Der Klügste von allen war selbstverständlich Flipper. Ein fischförmiges Säugetier, das zehn Sprachen fließend und drei gebrochen beherrschte und selbst komplizierteste Zusammenhänge begriff. In einer Folge war es tatsächlich kurz davor, ein gerissenes Stromkabel zu reparieren („Flipper und das Stromkabel“). Flipper schwamm vor der Küste Floridas herum. Er gehörte nicht nur zur Familie der Tümmler, sondern auch zu der von Porter Ricks (Brian Kelly), einem verwitweten Ranger, und seinen beiden Kindern Sandy (Luke Halpin) und Bud (Tommy Norden). Hin und wieder fungierte ein Pelikan namens Pete (Pete) als Faktotum.

War Flipper einmal nicht zur Stelle, hielt Bud eine Handhupe ins Wasser und erzeugte ein schnarrendes Geräusch, das den Delfin zuverlässig anlockte. Heute wäre diese Hupe ein Merchandisingprodukt der Premiumklasse. Kinder würden sie in ihr Aquarium halten und die Guppys zu Tode erschrecken. In Hallenbädern könnte man damit Bademeister in hellen Scharen anlocken und Rentner desorientieren. Doch damals ging es nicht um den schnöden Verkauf von Delfin-Fanartikeln. Es ging um höhere Werte wie Naturverständnis, Umweltschutz und Weltrettung.

Vor allem hier zu Lande genoss Flipper große Beliebtheit. Ein Tier, dessen Intelligenzquotient höher war als der des Durchschnittsdeutschen und das außerdem noch besser schwimmen und tauchen konnte, musste einfach ein Idol werden. In den Siebzigern wurde Flipper übrigens durch ein Wesen namens Jacques Cousteau abgelöst, bei dem es sich auch um einen intelligenten Meeressäuger handelte, aber leider nicht um einen Delfin, sondern nur um einen Franzosen.

Während der Dreharbeiten zur Fernsehserie von 1964 bis 1968 beschäftigte man zwei Delfindarsteller namens Suzy und Cathy in der Rolle von Flipper, die sich beide mit Fischen bezahlen ließen. Die menschlichen Schauspieler nahmen lieber Geld, erreichten aber später nie wieder die große Popularität wie damals, als sie noch einem Delfin zur Hand gehen durften.


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mare No. 56

No. 56Juni / Juli 2006

Von Hans Zippert

Hans Zippert, Jahrgang 1957, war Chefredakteur der Satirezeitschrift Titanic. Heute ist er freier Autor und Kolumnist in Oberursel bei Frankfurt am Main.

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Vita Hans Zippert, Jahrgang 1957, war Chefredakteur der Satirezeitschrift Titanic. Heute ist er freier Autor und Kolumnist in Oberursel bei Frankfurt am Main.
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