„Wir, die Treibnetzjäger“

Mit Greenpeace gegen Schwertfischfänger unterwegs

Im April 1993 fragte mich Greenpeace, ob ich nicht Fischerei-Campaigner für Italien werden wollte. Ich war damals 32 Jahre alt, arbeitete erst ein Jahr als Fischereibiologe und war gerade zum ersten Mal Vater geworden. Warum die Organisation mich statt eines erfahreneren Wissenschaftlers mit dieser Aufgabe betrauen wollte, ist bezeichnend: Den anderen Kandidaten trauten sie nicht zu, von der italienischen Fischereilobby unabhängig zu sein.

Eines der großen Themen war die illegale Treibnetzfischerei, die kilometerlangen Netze, die in Italien zum Schwertfischfang eingesetzt werden. Ein unvorstellbarer Raubbau: Rund 85 Tierarten verfingen sich in den „Wällen des Todes", darunter auch geschützte Arten wie Delfine, Haie, Robben, Schildkröten und Seevögel.

Sogar Wale verendeten auf diese Weise qualvoll. Ich erinnere mich an ein Foto von fünf Pottwalen, die in einem einzigen Netz ertrunken waren. In einer schlechten Saison kamen mehr als 30 Pottwale durch italienische Treibnetzfischer um. Und das bei weniger als 1000 Tieren im Mittelmeer. Gleichzeitig war die Ausbeute an Schwertfisch gering. Jahrelange Überfischung hatte seine Bestände bereits dezimiert.

1991 verbot die Generalversammlung der Vereinten Nationen Treibnetze auf hoher See, und im selben Jahr verbot die Europäische Union Treibnetze, die länger als 2,5 Kilometer sind. Doch bis Ende der 1990er Jahre waren über 700 Fangschiffe der EU mit Treibnetzen bis zu 20 Kilometern Länge ausgerüstet. Die Behörden wussten nicht einmal, wie viele EU-Schiffe überhaupt Treibnetze im Mittelmeeer einsetzten.

Die italienische Regierung schätzte die eigenen Schiffe damals auf 595 bis 740. Hinzu kamen 100 bis 200 französische Treibnetzfischer. Wir wollten Informationen aus erster Hand sammeln. Aber es ist gar nicht einfach, so ein Netz nachts auf dem Meer zu finden. Wann und wo, ist die Frage, und um das herauszufinden, braucht man gute Kontakte in den richtigen Häfen. Mit der Zeit erkannten die Fischer mich auf meinen Streifzügen wieder; da half es auch nichts, dass ich meinen Bart abrasierte.

Ich diskutierte mit ihnen und trug wieder und wieder unsere Argumente vor. Zur Hilfe kam mir dabei mein sizilianischer Dialekt, ich bin auf Sizilien geboren. Die Fischer mögen nicht, wenn sich „die Leute aus der Stadt" über ihre Arbeit beschweren.

„Wir machen nur unseren Job", sagen sie, „und töten niemals Delfine." Es war wirklich Stress, durch Häfen wie Bagnara Calabra, Sant'Agata oder Bagheria zu laufen. Einmal, als ich dabei war, einen Schiffsnamen zu notieren, wollte mich die Crew sogar ins Meer werfen.

Abends ab sieben Uhr waren wir mit einem der Greenpeace-Schiffe, der „Rainbow Warrior" oder der „Moby Dick", unterwegs und hörten erst einmal den Sprechfunk ab. Man muss Sizilianisch sprechen, um das zu verstehen; das war also mein Job. Da sich selbst Schiffe in so einem Netz verfangen und es damit zerstören würden, beobachten die Fischer den Verkehr und warnen andere Schiffe. Die Tatsache, dass die Behörden sich nie die Mühe machten, solche Funksprüche abzuhören, um illegalen Fischern auf die Spur zu kommen, zeigt, welch geringen Wert sie dem Thema beimaßen.

Wenn wir Treibnetze fanden, versuchten wir die Länge zu messen und das Schiff zu identifizieren. Das klingt einfacher, als es ist. Fragen Sie unseren Fotografen, der im Schlauchboot saß und einen Apfel an den Kopf geworfen bekam, was noch das Harmloseste war. Eines unserer Crew-Mitglieder traf eine Flasche. Überhaupt flog uns allerhand Zeug um die Ohren - Kühlboxen, Fische, Leuchtmunition. Während einige Fischer uns bewarfen, versuchten die anderen, den Schiffsnamen zu verdecken, was nebenbei bemerkt verboten ist.


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mare No. 25

No. 25April / Mai 2001

Von Alessandro Gianni

Der promovierte Biologe Alessandro Gianni, 1961 geboren, war von 1993 bis 1999 für Greenpeace im Einsatz. Heute arbeitet er als Meeresbiologe in Marciana auf Elba.

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Vita Der promovierte Biologe Alessandro Gianni, 1961 geboren, war von 1993 bis 1999 für Greenpeace im Einsatz. Heute arbeitet er als Meeresbiologe in Marciana auf Elba.
Person Von Alessandro Gianni
Vita Der promovierte Biologe Alessandro Gianni, 1961 geboren, war von 1993 bis 1999 für Greenpeace im Einsatz. Heute arbeitet er als Meeresbiologe in Marciana auf Elba.
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