Es gab Zeiten, da klopfte Rob an Jacks Wohnwagentür vorm Haus und bekam keine Antwort. Das Leben des jungen Jack bestand vor allem aus Partys. Frühmorgens um drei mit dem Alten auf dem Boot rauszufahren, um Krabben zu fischen, danach stand dem damals 18-Jährigen so gar nicht der Sinn.
Jetzt tuckern Vater und Sohn auf ihrem Kutter zusammen raus auf die Irische See. Blauer Himmel, glatte See. „Manchmal tummeln sich hier Delfine“, erzählt Jack unter seinem Schnauzbart lächelnd. Jack ist heute ein besonnener Naturfreund und selbst Vater. Sein dreijähriger Sohn trägt den Spitznamen „Fish“. Wessen Idee war das denn, Jack? „Die seiner Mutter, weil der Kleine so gern am Meer ist.“ Ganz in der Tradition der Familie. Schon Jacks Großvater war Fischer, damals unterwegs auf großen Booten, die es heute hier so gar nicht mehr gibt; die eigene „Adam’s Joy“ misst gerade knapp sechs Meter. Rob fuhr früher zusammen mit seinem Bruder zum Fischen, viel weiter draußen als heute.
Jetzt steht Rob im Steuerhaus der „Adam’s Joy“, Kurs Irland, aber nur ein paar Seemeilen weit. Die Krabbenreusen liegen in Sichtweite von Porthgain, einem walisischen Kaff mit kleinem Hafen an dem bekannten Wanderweg Pembrokeshire Coast Path, einem Pub („Est. 1743“) und eben dem familieneigenen Fischbistro „The Shed“, geführt von der fünffachen Mutter: Caroline Jones.
Sie wird später auch erzählen, wie alles anfing. Die Männer auf dem Kutter haben wenig Zeit zum Reden. Rob steuert die Reusen an, Jack holt sie mit der Winde an Bord, misst und sortiert die Krabben, stapelt die leeren Reusen an Deck, um sie später achtern wieder ins Meer zu lassen – der harte Teil des Jobs. Klar, dass Jack den übernimmt. Die Ausbeute? Na ja, es gab schon bessere Fänge. Aber ein paar Hummer sind schon dabei.
Und wie steht es inzwischen um das persönliche Verhältnis zwischen Rob und Jack? Noch immer zwei Generationen unterwegs auf einem Boot. Rob ist der Steuermann, aber Jack nicht sein Handlanger. Ohne den Sohn könnte der Vater gar nicht mehr zum Fischen fahren. Jack sieht im Familienbetrieb natürlich auch seine finanzielle Zukunft. Und Rob ist froh, dass jemand die Tradition fortführt. Gegenseitiger Respekt. Robs und Carolines andere Kinder leben andere Leben: die einzige Tochter in Australien, der Zweitgeborene ist Regionalmanager bei Aldi. Und das wäre dann doch nichts für Jack gewesen. Lieber früh aufstehen, aber die Freiheit genießen.
Zurück an Land, schälen sich die beiden Männer aus ihrem Ölzeug. Im liebevoll maritim dekorierten „Shed“ herrscht Mittagsbetrieb – die zum Teil sogar aus England angereisten Gäste schätzen den Charme des Bistros. Längst gibt es einen angestellten Koch und Kellnerinnen. Angefangen aber hat alles vor mehr als 20 Jahren sehr viel einfacher. Caroline blickt von ihrem Laptop auf. „Im ersten Jahr hatten wir nicht einmal Strom oder fließendes Wasser. Wir nutzten einen Generator und einen Gaskocher, servierten nur Krabbensandwiches und hatten sechs Tische.“ Die Jahre 2002 und 2003 waren nicht einfach. „Tagsüber fuhr man hinaus aufs Meer, und abends spülte man die Teller“, ergänzt Rob. „Heute lachen wir, aber das waren schon harte Zeiten.“
Der Sprung in die echte Gastronomie gelang auch dank Krediten des Wales Tourist Board. Und weil Caroline mit ihren Kochkünsten einige lokale Preise gewann. Die Lage des Lokals in einer ehemaligen Maschinenwerkstatt ist ideal, schon wegen des bekannten Wanderwegs entlang der Küste.
„The Shed“ ist vor allem berühmt für seine Fish ’n’ Chips, der Kabeljau wird eingekauft, natürlich frisch, aber selbst fischen können Jack und Rob den hier an der Küste nicht. Die gefangenen Krabben werden als Salat serviert oder in die Europäische Union exportiert. Zusammen geht das auf.
Am Nachmittag hocken Jack, Rob und Caroline zusammen im Wohnzimmer mit Kamin, es gibt Kaffee. Ein Moment von Familienzusammenkunft oder besser: kurze Lagebesprechung. Klar, auch über private Angelegenheiten wird gesprochen und nicht zuletzt über das Bistro. Dann bricht Jack auf, in sein eigenes Haus zu seinem Sohn – Fish.
Porthgain-Krabben mit Apfel-Sour- Cream-Salat
Zutaten und Zubereitung (für vier Personen)
400 g gekochtes weißes und braunes Krabbenfleisch (300 g weiß, 100 g braun), 100 g saure Sahne, Saft einer Zitrone, eine Handvoll gehackter Schnittlauch, eine halbe gewürfelte Gurke, ein halber Apfel, in feine Streifen geschnitten, Salz und Pfeffer. Alle Zutaten in eine Schüssel geben, ein bis zwei Teelöffel körnigen Senf hinzufügen, vermischen. Den Krabbensalat auf einem Bett aus Romanasalatblättern servieren und mit Dill garnieren.
The Shed
56 Llanrhian Rd, Porthgain, Wales.
www.theshedporthgain.co.uk,
bookings@theshedporthgain.co.uk, Telefon +44 (0)1348 831518.
Täglich geöffnet von zehn Uhr morgens bis mindestens neun Uhr abends. Plätze drinnen wie draußen, bitte vorab reservieren.
Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin).
| Lieferstatus | Lieferbar |
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| Vita | Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin). |
| Person | Von Roland Brockmann |
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| Vita | Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin). |
| Person | Von Roland Brockmann |