Watt für ein Vergnügen

Jedes Jahr im Sommer steht Cuxhaven Kopf. Dann startet hier das Duhner Wattrennen, das einzige Pferderennen auf Meeres­boden. Eine skurrile Veranstaltung, deren Teilnehmer mit Leidenschaft, aber nicht ohne Humor um Ehre und Preisgelder kämpfen

Wer nicht abwarten kann, wann es losgeht, wer unsicher ist, ob das Kalenderblatt stimmt oder die Uhr richtig tickt, schaut auf die Homepage des „Vereins für Pferderennen auf dem Duhner Watt e.V.“. Jeder Irrtum ist nun ausgeschlossen, denn hier werden die Tage, die Stunden, sogar die Minuten gezählt, bis in Cuxhaven das weltweit „einzige Pferderennen auf dem Meeresboden“ startet.

Damit hat es sich dann aber auch mit der Vorhersage.

Das Organisationskomitee steht um zehn Uhr morgens auf dem Deich und grummelt vor sich hin. Die Ebbe will nicht so, wie die Herren es für sie vorgesehen haben. Das Wasser läuft wegen des auf die Küste drückenden Windes langsamer ab als geplant, noch immer steht es zentimeterhoch. Immerhin, so sind alle beruhigt, kommt es heute nicht von oben. Das hat man auch schon erlebt, so viel Regen, dass das Rennen abgesagt werden musste. Heute, an diesem Julisonntag, werden Sonne und Wolken sich abwechseln, es soll trocken bleiben; wärmer könnte es sein, aber wer an die Nordsee reist, hat eh dicke Pullis dabei. Auch im Hochsommer.

Die Restnordsee, die aller Planung zum Trotz noch auf dem Watt schwappt, steht für die Unberechenbarkeit des Vorhabens. Die Autos der Helfer brausen hindurch und, wie um die Verantwortlichen auf dem Deich daran zu erinnern, wer hier das Sagen hat, spritzen sie in Fontänen auf. Beatrice Lohmann ist seit 1994 die Geschäftsführerin des Vereins, der zusammen mit der Kur- verwaltung das Rennen ausrichtet. Sie ist eine der wenigen Frauen in dem Club, dem zumeist alte Herren vorstehen.

„Jedes Jahr“, sagt sie, „stehen wir vor der Frage: Kann das Rennen stattfinden oder nicht?“ Nicht nur wegen des Wetters. Der Klimawandel, die Elb- und die Weservertiefung, die Windräder in der Nordsee, all diese Faktoren verändern das Watt. Sie beeinflussen seine Beschaffenheit, seine Dichte und Tragfähigkeit. „Wir haben vor zwei Wochen ein Krisengespräch gehabt, weil viele Löcher im Watt waren und es zu schlickig ist.“ Auch früher haben sie immer wieder einzelne Stellen mit Sand aufschütten müssen, aber mittlerweile steht der Verein jedes Jahr vor solchen Herausforderungen. „Die Veränderungen sind schneller geworden“, sagt Lohmann, die zwei Lokale in Cuxhaven betreibt. „Wir werden jedes Jahr nervöser.“

Nachdem das Wasser sich etwas mehr vom Acker gemacht hat, bauen Helfer den hölzernen Richterturm auf, tragen Johanniter auf einer Bahre Getränkekisten zu ihrem Stützpunkt. Ein Dixi-Klo wird inmitten der Weite abgestellt, hinter einer Absperrung sammeln sich die Fotografen in Westen, deren Gelb und Grün die Organisatoren zwischen Amateuren und Profis unterscheiden lässt. Gerade die Amateure, ausgerüstet, als zögen sie in einen Bilderkrieg, gilt es im Auge zu behalten. Vor ein paar Jahren hat sich eine während des Rennens mitten in der Bahn postiert und wurde umgerannt. Viel ist nicht passiert, aber klagen wollte sie dann doch.

Das Wasser liegt jetzt als glänzender Belag auf dem Watt, die Rennleitung fährt die Strecke ab, kontrolliert den Zustand des Bodens, jemand prüft, ob die Pfähle, die die Bahn markieren, gut verankert sind; von links kommen die berühmten gelben Neuwerker Wattwagen, die von zwei Pferden gezogen werden und Inselbewohner und Besucher aufs Festland bringen. Und, etwas ab von allem, mitten im weiten Nichts, an die Skulpturen von Stephan Balkenhol erinnernd, stehen zwei Personen in Blau, mit Mütze und Pistole. Polizisten. Sie passen auf. Dass die Fotografen hinter der Absperrung bleiben. Extra aus Hamburg sind sie für diese Aufgabe gekommen. Noch immer hat die Hansestadt die Hoheit über das Wasser vor Cuxhaven. Der Elbevertrag regelt das. Gerade wurde er verlängert.

Der weiche, gelbe Sand, der zwischen Rennareal und Deich liegt, ist für den touristischen Höhepunkt des Jahres von den Strandkörben befreit worden. Hinterm Deich, wo tags zuvor die Pommes- und Crêpebuden aufgestellt wurden, die Wettbüros und Sanitäter, bereitet man sich aufs Publikum vor; etwas abseits treffen Reiter und Pferde ein, je 150 werden es wieder sein. Eine Wiese füllt sich mit Pferdeboxen und Autos mit Anhängern. Die Nummernschilder weisen quer durch Land, aber auch Holländer sind dabei. Pferde werden gestriegelt, Sulkys von Transportern geholt, ein Mädchen flicht ihrem Pony den Schweif fürs Rennen der Minitraber.

Juni 1902 fand das erste Duhner Wattrennen statt, der Fischhändler Robert Dohrmann hatte die Idee. Nach 15 Jahren Pause wird seit 1975 wieder über das Oval auf dem Meeresboden gejagt. Die ganz großen Namen, die sehr teuren Pferde sind hier nicht vertreten, aber etliche Profis lassen sich die spritzige Sauerei nicht entgehen.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 98. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 98

No. 98Juni / Juli 2013

Von Silke Burmester und Florian Manz

Die Hamburger Autorin Silke Burmester kannte Cuxhaven noch vom Ferienlager. Damals traf die Kinderhorde beim Wattwandern auf Otto. Sie staunt noch heute, wie schnell der Komiker laufen konnte.

Florian Manz, 1982 in Stuttgart geboren, studierte Fotojournalismus in Hannover. Heute arbeitet er frei für verschiedene Zeitschriften und Magazine.

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Vita Die Hamburger Autorin Silke Burmester kannte Cuxhaven noch vom Ferienlager. Damals traf die Kinderhorde beim Wattwandern auf Otto. Sie staunt noch heute, wie schnell der Komiker laufen konnte.

Florian Manz, 1982 in Stuttgart geboren, studierte Fotojournalismus in Hannover. Heute arbeitet er frei für verschiedene Zeitschriften und Magazine.
Person Von Silke Burmester und Florian Manz
Vita Die Hamburger Autorin Silke Burmester kannte Cuxhaven noch vom Ferienlager. Damals traf die Kinderhorde beim Wattwandern auf Otto. Sie staunt noch heute, wie schnell der Komiker laufen konnte.

Florian Manz, 1982 in Stuttgart geboren, studierte Fotojournalismus in Hannover. Heute arbeitet er frei für verschiedene Zeitschriften und Magazine.
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