Vongole

Venusmuscheln – auf italienisch vongole – spielen die Hauptrolle in den Lieblingsspaghetti der Neapolitaner

Direkt unter uns schaukeln die Fischerboote, so nah, man könnte gefahrlos hineinspringen. Es sind winzige Kutter, blau und weiß gestrichen, einige auch nur bessere Ruderboote mit Außenbordmotor. In einem sortieren zwei Männer den frischen Fang, er passt in eine Plastiktüte. Der Geruch von Salz, Tang und Meer steigt in die Nase. Vom Schiff bis zur Bratpfanne des Restaurants „La Vela“ sind es kaum 20 Meter. Das Restaurant liegt am Fuß des Posillipo, einem Hügel südwestlich der Stadt, gut zwei Stunden Fußmarsch von Neapels Zentrum entfernt. Es geht in Serpentinen zum Meer hinunter, vorbei an Restaurants mit livrierten Kellnern, und ganz unten, wenn man glaubt, man habe sich verirrt und lande gleich im Wasser, liegt diese unprätentiöse Osteria.

Und jetzt steht dampfend eine Portion Spaghetti alle vongole vor uns, auf zwei Teller verteilt. Duft von Knoblauch, Olivenöl, Muschelsud, die geöffneten Schalen zeigen das helle Fleisch wie Schmuck in der Schatulle. Der Klassiker der italienischen Küche imponiert mit anmutigem Farbenspiel: die gelbe Nudel mit ihrem leicht öligen Glanz, dazu perlmuttfarbene Muschelschalen mit rosa Reflexen, die manchmal leicht ins Schwarze changieren und die natürlich mitserviert werden müssen. Dazwischen liegen rote und grüne Trümmer von Peperoncino und Petersilie, wie hingetupft aus frischer Farbpalette, und die fast unsichtbaren Knoblauchsplitter. Wer da keinen Appetit bekommt, der kriegt Zwieback und Kamillentee.

Neapel gilt als Ursprungsort dieses Gerichts, und das „La Vela“ ist die schönste aller denkbaren Möglichkeiten, sich die Venus samt Spaghetti einzuverleiben. Dabei ist jetzt im Sommer, streng genommen, gar keine Muschelsaison. Doch die Regel von den Monaten mit R, in denen es erlaubt sei, Muscheln zu essen, ist ein Ernährungsmythos wie das Eisen im Spinat. Heute sorgt die geschlossene Kühlkette für ganzjährigen Muschelgenuss. Der Kenner isst seine vongole indes am liebsten im Februar. Das ist der beste Muschelmonat, weil Chamelea gallina, die am häufigsten für dieses Gericht verwendete Venus- oder Herzmuschel, Ende Februar ihre Bestform erreicht.

Wissenschaft­ler sprechen dann vom „peak value“ in Sachen „condition index“. Sie meinen damit, dass die Muschel jetzt bei Analysen der Mineralien und anderen Inhaltsstoffe per Gaschromatograf mit hohen Werten punktet. Sie ist zu dieser Zeit besonders vital und gut im Futter und für die nun beginnende Laichzeit bestens gerüstet. Aber, fragt der stirnrunzelnde Ethiker, sollen wir die Muschel gerade dann verspeisen, wenn sie sich vermehren will? Außerdem sind doch Spaghetti alle vongole eine wunderbare Sommerspeise.


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mare No. 115

No. 115April / Mai 2016

Von Manfred Kriener und Hans Hansen

Autor Manfred Kriener war Chefredakteur des Slow Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei. Spaghetti isst er am liebsten nach Art des Admirals: mit Sardinen, Knoblauch, Peperoni und Olivenöl.

Hans Hansen, Jahrgang 1940, studierte Grafik in Düsseldorf und lebt als freier Fotograf in Hamburg. Für mare hat er bereits Ölsardinen und Meeresschnecken ins perfekte Licht gesetzt.

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Vita Autor Manfred Kriener war Chefredakteur des Slow Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei. Spaghetti isst er am liebsten nach Art des Admirals: mit Sardinen, Knoblauch, Peperoni und Olivenöl.

Hans Hansen, Jahrgang 1940, studierte Grafik in Düsseldorf und lebt als freier Fotograf in Hamburg. Für mare hat er bereits Ölsardinen und Meeresschnecken ins perfekte Licht gesetzt.
Person Von Manfred Kriener und Hans Hansen
Vita Autor Manfred Kriener war Chefredakteur des Slow Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei. Spaghetti isst er am liebsten nach Art des Admirals: mit Sardinen, Knoblauch, Peperoni und Olivenöl.

Hans Hansen, Jahrgang 1940, studierte Grafik in Düsseldorf und lebt als freier Fotograf in Hamburg. Für mare hat er bereits Ölsardinen und Meeresschnecken ins perfekte Licht gesetzt.
Person Von Manfred Kriener und Hans Hansen