Bei Wind und Sturm ließ sie sich an den Mast eines Schiffes fesseln. „Ich tue dies, weil mich die Wellen locken“, soll die österreichische Kaiserin Elisabeth erklärt haben, die ihr Leben lang von Sehnsucht zum Meer geplagt war. Später, als die reifere Kaiserin bisweilen für Wochen am Wiener Hof zum Landgang auftauchte, gab es dann für sie kein Halten mehr vor dem magischen Auf und Ab des Wassers. Ja, sie produzierte die Wogen nach Kräften selbst, ließ es so sehr branden, dass die Spuren in den kaiserlich-königlichen Gemächern weiter unten von der Decke tropften.
Ein Exemplar eines Geräts, mit dem die beliebte Monarchin gegen Ende des 19. Jahrhunderts hohe Wellen schlug, steht heute in einem Hinterhofhaus in Treptow, dem Heimatmuseum des Berliner Bezirks. Eine zinkene Wanne mit gebogenem Boden, zum Fußende verschlankt und das Kopfende zu einem kurzem Baldachin hochgezogen. „Moosdorf und Hochhäusler“, so ist der Name des Herstellers eingestanzt. Und darunter: „Fabrik Marke. Deutsches Reichspatent 31766“. Womöglich ist es das letzte Exemplar einer Wellenbadschaukel aus der guten alten Zeit, das da in einer Ecke des großen Raumes steht, mit einem locker darüber geworfenen Handtuch aus der nämlichen Epoche dekoriert.
Gut vier Kilometer weiter nordwestlich, gegenüber dem Treptower Park, trägt heute eine Straße den Namen des Inhabers jenes Reichspatents. In der Moosdorfstraße steht noch heute die Fabrik, in der Otto Moosdorf ein Vermögen mit seinen Wellenbadschaukeln verdiente, die er in alle Welt verschickte. Und von der eigentlich unverständlich ist, dass sie heute so vollständig aus der überlieferten Erinnerung an jene „gute alte Zeit“ getilgt sind. Über 100000 der Wannen, in denen der Insasse durch leichte Gewichtsverlagerung gehörige Wellen erzeugen konnte, wurden schließlich hinter den ockergelben Backsteinfassaden rund um die vorletzte Jahrhundertwende gefertigt und in den Versand geschickt. Die Firma Moosdorf & Hochhäusler ist längst verschwunden. Aber wenn heute hier junge PR-Agenturen um Öffentlich- keitswirksamkeit wetteifern, so könnten sie sich eine Scheibe abschneiden von den früheren Profis, die hier wirkten.
Die Sache mit den Wellenbadschaukeln war nämlich neben der pfiffigen Produktidee vor allem eine Pionierleistung im Reklamewesen, die die emotionalen Saiten zwischen wachsendem Gesundheitsbewusstsein und Meeressehnsucht im Gemüt der Deutschen anklingen ließ. So wurde zum Beispiel das Genre, das heute unsere Fernsehwelt bestimmt, erfunden für jene kleinen Meeressimulatoren aus der Moosdorfstraße: Der erste Werbefilm in Deutschland drehte sich um die Wellenbadschaukel. Geschickt brachte der Wannenfabrikant sein Thema im Großen und Kleinen unter die Leute; Miniaturen dienten als Aschenbecher oder Sparbüchsen, als Spielzeugwannen für Puppen, als Gussformen für Schokoladenprodukte. Sogar ein Wellenbadschaukelwalzer wurde komponiert, die Noten dazu in einer Zeitungsanzeige veröffentlicht. Zugabteile wurden plakatiert, Häuserwände, Lichtbilder erschienen auf Theatervorhängen, die deutsche Kaiserin setzte sich öffentlich für ihre Verbreitung ein, am 20. April widmete die „Illustrirte Zeitung“ der Wellenbadschaukel die komplette Titelseite unter der Überschrift „Wagalaweia“, der Wortkomposition von Wagners Rheingoldschwestern.
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Ulli Kulke, Jahrgang 1952, langjähriger stellvertretender Chefredakteur von mare und heute Wissenschaftsreporter der Tageszeitung Die Welt, hätte ohne die Lüneburger Schaukelhistorikerin Ute Protte nie so viel über die Geschichte der Wellenwanne erfahren.
| Lieferstatus | Lieferbar |
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| Vita | Ulli Kulke, Jahrgang 1952, langjähriger stellvertretender Chefredakteur von mare und heute Wissenschaftsreporter der Tageszeitung Die Welt, hätte ohne die Lüneburger Schaukelhistorikerin Ute Protte nie so viel über die Geschichte der Wellenwanne erfahren. |
| Person | Von Ulli Kulke |
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| Vita | Ulli Kulke, Jahrgang 1952, langjähriger stellvertretender Chefredakteur von mare und heute Wissenschaftsreporter der Tageszeitung Die Welt, hätte ohne die Lüneburger Schaukelhistorikerin Ute Protte nie so viel über die Geschichte der Wellenwanne erfahren. |
| Person | Von Ulli Kulke |