Ufer der Erkenntnis

Reisenotizen von einst, Aufnahmen von heute: Ein Fotograf folgt Charles Darwin nach Südamerika

August 1833: Bahía Blanca, Argentinien

Bahía Blanca verdient kaum den Namen eines Dorfes. Einige wenige Häuser und Baracken für die Truppen sind von einem tiefen Graben und einer befestigten Mauer umgeben.

Die Niederlassung ist erst neueren Datums (seit 1828), und ihr Wachstum ist stets ein gestörtes gewesen. Die Regierung von Buenos Aires verteidigte sie ungerechtfertigterweise nur mit Gewalt, anstatt dem weisen Beispiele der spanischen Vizekönige zu folgen, welche das Land in der Nähe der alten Niederlassung des Rio Negro den Indianern abkauften. Daher rührt das Bedürfnis der Befestigung; daher kommt es, dass nur wenige Häuser und wenig kultiviertes Land außerhalb der Grenzen der Mauern liegen: Selbst die Rinder sind jenseits der Grenzen der Ebene, auf der die Festung steht, nicht so sicher.

August 1833: Punta Alta, Argentinien

In Punta Alta haben wir einen Durchschnitt einer dieser später gebildeten kleinen Ebenen, welcher wegen der großen Zahl und des außerordentlichen Charakters der Überreste der in ihm eingebetteten gigantischen Landtiere interessant ist.

Erstens: Teile von drei Schädeln und anderen Knochen des Megatherium, dessen kolossale Dimensionen durch seinen Namen ausgedrückt werden. Zweitens: Megalonyx, ein großes verwandtes Tier. Drittens: das Scelidotherium, gleichfalls ein verwandtes Tier, von dem ich ein nahezu vollständiges Tier erhielt. Es muss so groß wie ein Rhinozeros gewesen sein. Viertens: das Mylodon Darwinii, eine nahe verwandte Gattung von unbedeutend geringerer Größe. Fünftens: ein anderes gigantisches zahnlückiges Säugetier. Sechstens: ein großes Tier, mit einem in Abschnitte geteilten Knochenpanzer, sehr ähnlich dem eines Gürteltieres.

Endlich: das Toxodon, vielleicht eines der fremdartigsten Tiere, die je entdeckt worden sind. Der Größe nach glich es einem Elefanten oder Megatherium. In einem Abhang von roter Erde fand ich mehrere Fragmente von Knochen, einige von bedeutender Größe. Die Erde, in welche diese Überreste eingebettet waren, enthielt wie die der Pampas acht Süßwasser- und ein Seewasser-Infusionstier; sie ist daher wahrscheinlich die Ablagerung eines Flussmündungsgebietes.

Durch den Umstand, dass die Knochen des Scelidotherium einschließlich der Kniescheiben in ihrer richtigen Lage begraben waren und dass der Knochenpanzer des großen Tieres in Verbindung mit den Knochen eines seiner Beine sehr wohl erhalten war, können wir sicher sein, dass diese Reste frisch und noch von ihren Bändern zusammengehalten waren, als sie zusammen mit den Muscheln in dem Kies abgelagert wurden.

Wir haben daher einen guten Beweis dafür, dass die aufgezählten riesenhaften Säugetiere zu einer Zeit lebten, als das Meer von den meisten seiner jetzigen Bewohner bevölkert war.

Dezember 1832: In Feuerland

Feuerland lässt sich als ein Bergland beschreiben, welches zum Teil in das Meer versenkt ist, sodass tiefe Buchten die Stellen einnehmen, wo Täler existieren sollten. Es ist äußerst selten, einen Acker ebenen Landes in irgendeinem Teil des Feuerlandes zu finden. Ich erinnere mich nur einer kleinen flachen Stelle in der Nähe von Port Famine und einer anderen in der Nähe von Goeree Road. An beiden Orten, wie überall sonst, ist die Oberfläche von einer dicken Schicht morastigen Torfes bedeckt. Innerhalb des Waldes wird der Boden durch die Masse langsam faulender vegetabilischer Substanz verborgen, welche, weil vom Wasser durchfeuchtet, dem Fuße nachgibt.

Am Morgen schickte der Kapitän eine Abteilung ab, um mit den Feuerländern Kontakt aufzunehmen. Als wir in Rufweite gekommen waren, kam einer der vier Eingeborenen und fing an, äußerst heftig zu rufen, mit dem Wunsche, uns nach dem Platze hinzuleiten, wo wir landen sollten. Als wir am Lande waren, sah die Gesellschaft beunruhigt aus, sie fuhren aber fort, beständig zu sprechen und mit großer Geschwindigkeit zu gestikulieren. Es war ohne alle Ausnahme das merkwürdigste und interessanteste Schauspiel, das ich je erblickte: Ich hätte kaum geglaubt, wie groß die Verschiedenheit zwischen wilden und zivilisierten Menschen sei: Sie ist größer als zwischen einem wilden und domestizierten Tier, insofern beim Menschen eine größere Veredelungsfähigkeit vorhanden ist.

Wenn man diese Wilden betrachtet, so fragt man, wo sind sie hergekommen, was kann wohl einen Stamm von Menschen versucht oder welche Veränderung kann ihn gezwungen haben, die schönen Gegenden des Nordens zu verlassen, die Cordillera hinabzuwandern, Kanus zu erfinden und zu bauen, welche von den Stämmen in Chile, Peru und Brasilien nicht gebraucht werden, um dann eines der unwirtlichsten Länder auf der ganzen Erde zu betreten?

Obschon derartige Betrachtungen anfangs sich dem Geist aufdrängen, dürfen wir doch sicher sein, dass sie zum Teil irrig sind. Es liegt kein Grund vor zur Annahme, dass die Feuerländer an Zahl abnehmen; wir müssen daher annehmen, dass sie ihren Anteil am Glück, welcher Natur dies auch sein mag, genießen, und zwar genug, um ihr Leben des Besitzes wert zu machen. Die Natur, welche die Gewohnheit zu einer unwiderstehlichen Macht und ihre Wirkungen erblich gemacht hat, hat den Feuerländer dem Klima und den Erzeugnissen seines elenden Vaterlandes angepasst.


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mare No. 19

No. 19April / Mai 2000

Eine Spurensuche von Gebhard Krewitt

Gebhard Krewitt, Jahrgang 1957, ist Mitglied der Fotoagentur Visum in Hamburg. Dies ist seine zweite Arbeit für mare. In No. 9 erschienen seine Bilder über den „Westcoast-Trail“ in Kanada., einen Trekkingpfad, der einst zur Rettung Schiffbrüchiger diente.

Die Texte und Illustrationen stammen aus: Charles Darwin: Reise um die Welt, Thienemanns-Verlag, Stuttgart 1993, 42 Mark

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Vita Gebhard Krewitt, Jahrgang 1957, ist Mitglied der Fotoagentur Visum in Hamburg. Dies ist seine zweite Arbeit für mare. In No. 9 erschienen seine Bilder über den „Westcoast-Trail“ in Kanada., einen Trekkingpfad, der einst zur Rettung Schiffbrüchiger diente.

Die Texte und Illustrationen stammen aus: Charles Darwin: Reise um die Welt, Thienemanns-Verlag, Stuttgart 1993, 42 Mark
Person Eine Spurensuche von Gebhard Krewitt
Vita Gebhard Krewitt, Jahrgang 1957, ist Mitglied der Fotoagentur Visum in Hamburg. Dies ist seine zweite Arbeit für mare. In No. 9 erschienen seine Bilder über den „Westcoast-Trail“ in Kanada., einen Trekkingpfad, der einst zur Rettung Schiffbrüchiger diente.

Die Texte und Illustrationen stammen aus: Charles Darwin: Reise um die Welt, Thienemanns-Verlag, Stuttgart 1993, 42 Mark
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