Udo Jürgens, Mohamed Nasheed, Joachim Fuchsberger, Felicitas Hoppe, Bibiana Beglau

UDO JÜRGENS
Sänger und Komponist

Das Meer ist für mich mehr als nur ein wunderbares Reiseziel. Es ist der Ort, an dem man seinen Platz in der Welt vor Augen geführt bekommt, an dem man erkennt, dass es vieles gibt, das viel größer ist als wir Menschen. Ein Ort, der unsere Denkweise verändern kann, wenn wir es zulassen. An dem wir erkennen können, wie wichtig es ist, aufeinander zuzugehen, zusammenzuwachsen. Dass die Dinge, die uns trennen, politische Systeme und vor allem Religionen, kleinlich und nichtig sind.

Ich bin in Österreich aufgewachsen, während des Zweiten Weltkriegs; ein Kind des Krieges und des Binnenlands. Meine Eltern stammen aus Norddeutschland, in meiner Kindheit war ich häufiger zu Besuch bei meiner Großmutter an der Waterkant. Damals habe ich zum ersten Mal die Ostsee gesehen, ein unglaubliches Erlebnis. Im Lauf eines Lebens bin ich mehrfach um den Globus gereist, ich habe das Meer an vielen Orten und in vielerlei Facetten kennengelernt, die Stille an menschenleeren Stränden ebenso wie die schiere Kraft eines Sturmes auf hoher See. Ich habe auf dem Ozean gearbeitet, auf der Bühne eines Kreuzfahrtschiffs gestanden und gehofft, dass das Meer ruhig bleiben möge.

Seit beinahe 20 Jahren besitze ich ein Haus in Portugal. Es steht direkt am Meer, oberhalb einer hohen Steilküste. Mein Grundstück endet an den abfallenden Felsen. Dieses Haus ist ein wichtiger Rückzugsort für mich, meist verbringe ich die Wintermonate dort. Es ist sehr stabil gebaut, es wackelt nicht, wenn der Sturm um die Mauer tost und die Scheiben sind aus Panzerglas. Erst kürzlich habe ich dort einen gewaltigen Sturm erlebt, ein grandioses Schauspiel! Das Meer war aufgepeitscht, die Wellen schlugen mit großer Wucht gegen die Steilküste, das Wasser spritzte so hoch, dass es die rund 50 Höhenmeter überwand und sich noch weitere 10, 20 Meter in die Luft türmte, wie eine Springflut. Dann wurden die Wassermassen vom Sturm gepackt und mit Urgewalt wie mit einem Hochdruckschlauch gegen mein Haus geblasen. Der Sturm tobte zwei Tage lang, einen solchen Sturm habe ich in all den Jahren erst zweimal erlebt.

Schon seit Langem vermeide ich es, in den Sommermonaten, in denen die Touristenströme über das Land herfallen, in mein Haus zu fahren. Meiner Meinung nach bringt der Tourismus vielerorts mehr Nachteile als Nutzen. Sicher, er bringt Geld ins Land, aber oft um den Preis der Zerstörung der Natur, der Kultur und Identität eines Landes. Auch an der portugiesischen Küste sehe ich die Verelendung der Strände, die Bausünden, die Wassersportzentren, Betonklötze und Menschenmassen, die jeden noch so zauberhaften Strand verschandeln. Die Natur wird zur Geldquelle degradiert. Es ist wie bei Goethes Zauberlehrling – die Menschen in den klimatisch angenehmen Regionen werden die Touristen, die sie aus wirtschaftlichen Gründen gerufen haben, nicht mehr los.

Glücklicherweise ist der Küstenstreifen, an dem mein Haus steht, kaum bebaut, die Natur ist noch weitgehend intakt. Dennoch, wenn ich die Schäden sehe, die der Tourismus anrichtet, macht mich das oft nachdenklich. Bin ich ein Teil von alledem? Soll ich bleiben oder mein Haus verkaufen? Wahrscheinlich kann ich nicht mehr tun, als zu versuchen, anders, bewusster mit dem Meer und dem Land, in dem ich zu Gast bin, umzugehen.


MOHAMED NASHEED
Ehemaliger Präsident der Malediven

Ich bin mit dem Meer aufgewachsen. Als Schüler sind wir selbst in den Pausen schwimmen gegangen. Male sah damals anders aus als heute. Wir sind mit den Elementen und dem Meer groß geworden. Später habe ich viele Jahre in Haft oder unter Hausarrest verbracht und durch die Einsamkeit das Meer möglicherweise besonders intensiv erlebt. Aber wenn man auf einer Insel lebt, kann man sich ihm ohnehin nicht entziehen. Insulaner haben eine ganz besondere Beziehung zur See.

Sie ist unsere Lebensgrundlage. Stellen Sie sich einen Bauernhof mit Äckern, Ställen und üppig blühenden Feldern vor – das bietet uns das Meer. Bei allem, was wir tun und lassen, orientieren wir uns an ihm. Alle Ereignisse und Begebenheiten, alle Farben und Klänge sind mit ihm verbunden. Wir haben kein Land. Wir haben nur das Meer. Die meisten Inseln hier sind so klein, dass man meint, auf dem Meer zu leben.

Der Tsunami hat uns alle daran erinnert, wie grausam das Meer sein kann. Angst vor ihm haben wir aber nicht. Gründe dazu hätte es viele gegeben, aber das sind wir gewohnt. Wir leben am Meer und mit dem Meer. Ungeachtet dessen erwachsen aus dieser Nähe natürlich Probleme. Das Gravierendste ist aber sicherlich, dass der Meeresspiegel steigt und die Malediven überspült zu werden drohen.

 

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 100. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 100

No.100Oktober / November 2013

Die Texte der Autorinnen und Autoren sind aus dem Jahr 2013.

Die Angaben zu den Autorinnen und Autoren sind aus dem Jahr 2013.

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Person Die Texte der Autorinnen und Autoren sind aus dem Jahr 2013.
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