Als wir in Kreta ankommen, erfahren wir, dass die Tunfischfänger, die wir erst vor kurzem noch vor der ägyptischen Küste gesichtet hatten, jetzt auf Reede im Süden der Insel liegen, in der Nähe von Ierapetra. Warum sind diese fünf modernen Ringwadenschiffe Anfang Juni nicht auf hoher See? Die Tunfischsaison dauert im Mittelmeer von Mitte Mai bis Anfang Juli, und Mitte Juni ist das Geschäft zum größten Teil schon gelaufen. Die Schiffe müssten jetzt den Fisch aus dem Wasser ziehen. Oder macht sich bereits bemerkbar, wie sehr die Bestände geschrumpft sind?
Am nächsten Morgen liegen die Schiffe immer noch vor Anker, und sie machen auch keine Anstalten auszulaufen. Wir setzen zwei Schlauchboote aus, um den Besuchern einen Besuch abzustatten; eine Filmcrew ist mit im Boot. Vier der fünf Tunfischfänger fahren unter französischer Flagge, ein Schiff kommt aus Spanien. Die Journalisten führen ihre Interviews mit den Fischern, wir überreichen den Kapitänen unseren aktuellen Bericht zur Situation des Tunfischs im Mittelmeer.
Es sieht nicht gut aus, das wissen sie selbst am besten. Sie finden einfach keinen Fisch; diese Saison, sagen sie, ist eine einzige Katastrophe. Andererseits ist es ihrer Meinung nach aber zu früh, den endgültigen Kollaps der Bestände zu verkünden. Vielleicht setzt die Migration in diesem Jahr mit Verspätung ein, vielleicht kommen sie ja doch noch. Vielleicht.
Fast drei Jahrtausende lang hat der Tunfisch die Völker des Mittelmeers zuverlässig ernährt, seit 20 Jahren aber weisen die Fänge eine beunruhigende Entwicklung auf. Die angelandeten Fische sind deutlich kleiner und jünger als früher, und das fällt auf, denn der Blauflossentunfisch war immer eine mächtige Erscheinung. Er ist ein kraftvoller, schneller Jäger, der selbst einem Hai ohne Probleme davonschwimmt. Bis zu 4,50 Meter lang wird ein ausgewachsener Blauflossentun und an die 700 Kilogramm schwer. Bei einer Lebenserwartung von 30 Jahren erreichen die Fische erst mit fünf bis acht Jahren ihre Geschlechtsreife . Die Zahl dieser erwachsenen Tiere liegt heute nur noch auf 20 Prozent des Niveaus von 1970. Wo die anderen 80 Prozent sind? Weggefischt, verspeist.
Der Blauflossentun galt eigentlich schon in den neunziger Jahren als überfischt, mit den traditionellen Fangmethoden und den bestehenden Schiffskapazitäten wurden jedes Jahr weniger Fische angelandet. Doch dann brachte die Fischindustrie ein revolutionäres Konzept ins Mittelmeer: die Tunfischmast, im Englischen firmiert sie unter „tuna ranching“. Mit der neuen Industrie strömte auch frisches Geld in die Region. Speziell Japaner zahlten hohe Preise für das fetthaltige Fleisch der Fische von der „Ranch“, weil es sich offenbar besonders gut für die Zubereitung von Sushi und Sashimi eignete. Also schafften die Fischer neue Schiffe an und modernes Fanggerät, um auch noch die letzten Bestände aufzuspüren. Und schon wuchsen die Fangmengen wieder.
Die neue Industrie expandierte schnell im gesamten Mittelmeerraum – und zwar weitgehend ohne jede Regulierung. Heute gibt es in elf Staaten Tunfischmastbetriebe; sie werden von Fischern aus den unterschiedlichsten Ländern beliefert, und der Ertrag ist vor allem für den Export bestimmt. Das ist Problem Nummer eins der Ranches: Früher einmal gehörte die Ressource Tunfisch allen Mittelmeeranrainern. Heute sind Fang und Mast ein Riesenbusiness, das in den Händen von einigen wenigen global aufgestellten Investoren liegt.
Was verbirgt sich also hinter dem Begriff der „Mast“ auf einer Tunfisch-Ranch? Vor allem ein Euphemismus. Denn die „Herde“, die aufgepäppelt wird, stammt nicht aus der eigenen Aufzucht. Sie wird dem Meer geraubt. Mit Aufklärungsflugzeugen lassen die Fischer große Schwärme suchen, dann dampfen sie mit ihren Ringwadenschiffen, so schnell es geht, zum gerade ausgemachten Fanggrund.
Das Ringwadenprinzip ist schnell und effizient. Der Schwarm wird mit dem Netz eingekreist, das Netz mit einer Trosse am unteren Ende zusammengezogen, schon sitzt die Beute in der Falle. In der traditionellen Fischerei wird der Fang an Deck gehievt, ausgenommen und auf Eis gelegt. Für die Mast wird er stattdessen in einen großen Käfig verfrachtet, der von Schleppern zum Mastbetrieb gezogen wird.
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Die Australierinnen Elaine Hill und Alexandra Merory schreiben an Bord der „Esperanza“ das „Ocean Defender Blog“ über den Alltag der Greenpeace-Aktivisten auf ihrer „SOS Weltmeer“-Expedition.
Der englische Fotograf Gavin Newman, dessen Spezialität Bilder aus Unterwasserhöhlen sind, kam für die Taucheinsätze während der Mittelmeeretappe an Bord.
Aus dem Englischen von Olaf Kanter.
Vita | Die Australierinnen Elaine Hill und Alexandra Merory schreiben an Bord der „Esperanza“ das „Ocean Defender Blog“ über den Alltag der Greenpeace-Aktivisten auf ihrer „SOS Weltmeer“-Expedition.
Der englische Fotograf Gavin Newman, dessen Spezialität Bilder aus Unterwasserhöhlen sind, kam für die Taucheinsätze während der Mittelmeeretappe an Bord. Aus dem Englischen von Olaf Kanter. |
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Person | Von Elaine Hill, Alexandra Merory und Gavin Newman |
Vita | Die Australierinnen Elaine Hill und Alexandra Merory schreiben an Bord der „Esperanza“ das „Ocean Defender Blog“ über den Alltag der Greenpeace-Aktivisten auf ihrer „SOS Weltmeer“-Expedition.
Der englische Fotograf Gavin Newman, dessen Spezialität Bilder aus Unterwasserhöhlen sind, kam für die Taucheinsätze während der Mittelmeeretappe an Bord. Aus dem Englischen von Olaf Kanter. |
Person | Von Elaine Hill, Alexandra Merory und Gavin Newman |