Trabers Himmelfahrt

Ein Artist will mit dem Motorrad über den Bosporus. Aber der Drahtseilakt ist mehr als nur ein kinetisches Abenteuer

Er läuft den Gang hinunter wie ein Gladiator auf dem Weg zum Kampf. Er tritt hinaus in die Arena, klettert auf einen Mast, schwingt sich aufs Motorrad, hebt den Arm zum Gruß. Er fährt. Er fährt übers Seil, mit flatterndem Kostüm und silbern glänzenden Schuhen, fährt erst im Stehen, dann freihändig und rückwärts auf dem grauen Strich in 30 Meter Höhe. „Herrscher der Lüfte!“, brüllt der Moderator ins Mikrofon. Da reißt Falko Traber die Suzuki hoch und rast auf dem Hinterrad in den Himmel.

„Ich bitte nicht, ich danke nur“, sagt Falko Traber, 44 Jahre, Schnurrbart, Locken, Beruf: Artist. Jeden Abend betet er vor dem Einschlafen. Er dankt dafür, dass er lebt. Auf der Zugspitze, über den Dächern von Baden-Baden, über den Rhein hat er sein Seil schon gespannt, und ein Mal sogar über einem Tigergehege. 13 Tage schwebte er über den Raubtieren.

Überall waren die Trabers schon auf Tournee, in Pakistan, Indien, Japan. Heute ist es Osnabrück. So oft hat Falko Traber den Himmel durchschritten, immer wieder kehrte er unversehrt zur Erde zurück.

Doch nach dem Rekord ist vor dem Rekord. Am 29. Oktober, am türkischen Nationalfeiertag, will Traber den Bosporus überqueren. Er wird in Asien starten und in Europa ankommen, 15 Minuten zwischen zwei Kontinenten, unter sich nur das tiefe Blau des Meeres, dieses Blau, das Traber schwindelig macht.

Das Seil wird schwingen und in der Mitte durchhängen, ein Gefühl, „als ob du in ein Kissen hineinfliegst“. Falko Trabers Mund wird trocken sein, aber er wird die Strecke hinter sich bringen, hoffentlich, die längste, die je ein Mensch per Motorrad auf dem Seil zurücklegte: mehr als einen Kilometer.

Und er wird Kunststücke machen, Handstand auf dem Lenker, und knapp unter ihm wird eine schöne Frau auf einem Stierkopf liegen. Denn es geht auch um die Neuinszenierung eines Mythos.

Eine phönizische Prinzessin war es, die Zeus einst das Herz rasen ließ. Also begab sich der Göttervater in die Heimat der Königstochter, verwandelte sich in einen Stier und trug die Schöne über das Meer. Welchen Namen das Land am anderen Ufer trage, fragte die Reiterin, und Zeus bestimmte: „Deinen Namen soll es tragen: Europa.“

Trabers Auftritt im Jahr 2004 will Symbol und Botschaft sein. Europa brauche neue Impulse für das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen und Religionen, meint Aktionskünstler Helmut Lutz, der die Idee zur Show hatte.

Die Türkei wiederum möchte mit der Vorstellung ein Zeichen setzen: Wir gehören zu Europa. Wir wollen in die Europäische Union. Dafür sperrt sie während der Aufführung sogar eine der meistbefahrenen Meerengen der Welt.


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mare No. 46

No. 46Oktober / November 2004

Von Sandra Schulz und Marei Schweitzer

Sandra Schulz, Jahrgang 1975, aufgewachsen in China, studierte Politikwissenschaft in Freiburg und Berlin und berichtete als freie Journalistin aus Japan. Ausbildung an der Berliner Journalistenschule, danach Redakteurin bei mare. Seit 2008 ist sie Spiegel-Redakteurin und berichtete mehrere Jahre aus Asien. Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit dem Helmut-Stegmann-Preis und dem Axel-Springer-Preis.

Marei Schweitzer wurde 1973 wurde in Unna geboren. Später studierte sie in Bremen, Stockholm und Straßburg Grafik Design, Freie Druckgrafik und Illustration. Nach einem Jahr am Atlantik lebt sie nun in Hamburg und erzählt in Wort und Bild Geschichten für Zeitschriften- und Buchverlage, am liebsten von Kuchen und Meer.

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Vita Sandra Schulz, Jahrgang 1975, aufgewachsen in China, studierte Politikwissenschaft in Freiburg und Berlin und berichtete als freie Journalistin aus Japan. Ausbildung an der Berliner Journalistenschule, danach Redakteurin bei mare. Seit 2008 ist sie Spiegel-Redakteurin und berichtete mehrere Jahre aus Asien. Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit dem Helmut-Stegmann-Preis und dem Axel-Springer-Preis.

Marei Schweitzer wurde 1973 wurde in Unna geboren. Später studierte sie in Bremen, Stockholm und Straßburg Grafik Design, Freie Druckgrafik und Illustration. Nach einem Jahr am Atlantik lebt sie nun in Hamburg und erzählt in Wort und Bild Geschichten für Zeitschriften- und Buchverlage, am liebsten von Kuchen und Meer.
Person Von Sandra Schulz und Marei Schweitzer
Vita Sandra Schulz, Jahrgang 1975, aufgewachsen in China, studierte Politikwissenschaft in Freiburg und Berlin und berichtete als freie Journalistin aus Japan. Ausbildung an der Berliner Journalistenschule, danach Redakteurin bei mare. Seit 2008 ist sie Spiegel-Redakteurin und berichtete mehrere Jahre aus Asien. Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit dem Helmut-Stegmann-Preis und dem Axel-Springer-Preis.

Marei Schweitzer wurde 1973 wurde in Unna geboren. Später studierte sie in Bremen, Stockholm und Straßburg Grafik Design, Freie Druckgrafik und Illustration. Nach einem Jahr am Atlantik lebt sie nun in Hamburg und erzählt in Wort und Bild Geschichten für Zeitschriften- und Buchverlage, am liebsten von Kuchen und Meer.
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