Strandgespenster

So schnell weg, wie sie aufgetaucht sind. Und so flüchtig, dass man sie für Einbildung hält. Es sind ganz besondere Fähigkeiten, die diesen tropischen Krebstieren den Namen geben: Geisterkrabben

Es ist einer dieser Tage an einem abgelegenen Strand im Süden New Jerseys, an denen der Wind flüsternd über den Sand streicht und ihn zu winzigen Häufchen auftürmt, die sogleich wieder verwehen. Der Strand erscheint leer, abgesehen von ein paar Grashüpfern und Möwen.

„Plötzlich bläst etwas anderes über den Sand, aber es hat irgendwie die falsche Richtung, es bewegt sich gegen den Wind. Es treibt rasch herbei, hält abrupt inne, und ich sehe etwas, das wie der Geist einer Krabbe aussieht: ein Tier von blassblauer, gräulicher Farbe mit zwei schwarzen Augen, die es mir auf Stielen entgegenreckt. Als ich mich bewege, treibt es wie ein flackernder, grauer Nebel auf ein dunkles Loch im Sand zu und ist verschwunden.“ So beschreibt der US-Schriftsteller Alexander M. Phillips vor knapp 70 Jahren im Wissenschaftsmagazin „Natural History“ die merkwürdige Begegnung mit dem „fremden magischen Wesen“ – einer Geisterkrabbe.

Die fahlen Geschöpfe hausen dort, wo wir unsere Liegestühle aufstellen und Sonnenschirme in den Boden rammen, an den Stränden der Tropen und Subtropen. Wenn die Hitze die Luft fast zum Glühen bringt oder gewaltige Stürme die Küsten heimsuchen, sucht der Badeurlauber das Weite. Die Krabbe aber bleibt. Ohne viele Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. Wer hier überleben will, darf den Kopf nicht in den Sand stecken, er muss ganz hinein. Tief hinunter in den kühlen, feuchten und vor feindlichen Blicken geschützten Lebensraum unterhalb der Oberfläche. Dort harren die Geisterkrabben in selbst gegrabenen Höhlen aus, bis die Dämmerung hereinbricht und die Temperaturen fallen. Dann wird es Zeit, der Unterwelt den Rücken zu kehren. Auf zur Beutejagd.

Das heißt für die gepanzerten Fleischfresser vor allem eines: schnell sein. In ihrer auf Leichtigkeit getrimmten, durchsichtigen Rüstung flitzen die Krebstiere mit bis zu 4,5 Metern in der Sekunde über den Strand. Damit lassen sie nahezu alle Wirbellosen an Land hinter sich. Wissenschaftler haben der Gattung der Geisterkrabben, zu der rund 20 verschiedene Arten gehören, daher den Namen Ocypodea gegeben, die „Schnellfüßigen“.

Ihr traumwandlerischer Tritt hat mittlerweile die Neugier der Biomechaniker geweckt. Forscher am Georgia Institute of Technology in Atlanta etwa versuchen herauszufinden, mit welchen Tricks Geisterkrabben und andere tierische Strandläufer auf dem feinkörnigen Untergrund Halt finden. Mit diesem Wissen wollen sie das Design von Robotern verbessern, die auf gleichem Terrain hilflos stecken bleiben würden.


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mare No. 75

No. 75August / September 2009

Von Ute Schmidt

Als Forscherin in Sachen Geisterkrabbe würde sich Ute Schmidt, Jahrgang 1966, Wissenschaftsjournalistin in Solingen, kaum eignen. Wer diese Tiere studieren will, muss sich mucksmäuschenstill auf die Lauer legen und riskiert, von Sandfliegen zerbissen oder von Mücken zerstochen zu werden. „Das wäre mein persönlicher Albtraum.“

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Vita Als Forscherin in Sachen Geisterkrabbe würde sich Ute Schmidt, Jahrgang 1966, Wissenschaftsjournalistin in Solingen, kaum eignen. Wer diese Tiere studieren will, muss sich mucksmäuschenstill auf die Lauer legen und riskiert, von Sandfliegen zerbissen oder von Mücken zerstochen zu werden. „Das wäre mein persönlicher Albtraum.“
Person Von Ute Schmidt
Vita Als Forscherin in Sachen Geisterkrabbe würde sich Ute Schmidt, Jahrgang 1966, Wissenschaftsjournalistin in Solingen, kaum eignen. Wer diese Tiere studieren will, muss sich mucksmäuschenstill auf die Lauer legen und riskiert, von Sandfliegen zerbissen oder von Mücken zerstochen zu werden. „Das wäre mein persönlicher Albtraum.“
Person Von Ute Schmidt