Sehnsucht am Ziel

Samuel Wallis, 1726–1795

Was soll sie sich die Augen ausgeweint haben, die Königin von Otaheite. Schreibt jedenfalls der seinerzeit so erfolgreiche Auftragsschriftsteller John Hawkesworth, der sich auf das Logbuch des Südseereisenden Samuel Wallis stützt. Wallis solle doch noch etwas bleiben, 20 Tage nur. Doch der britische Offizier, der weiß, wem er zu gehorchen hat, habe sich nicht erweichen lassen. Sieben Tage werden sie noch ankern, dann aber weitersegeln, um ihrem Auftrag gemäß den legendären Südkontinent zu suchen, von dem ganz Europa spricht.

Tag für Tag rudern die Briten an Land, erkunden das Innere der Insel und lassen es sich gut gehen. Und beginnen dennoch, planmäßig das Schiff klarzumachen, Frischwasser zu laden und nach und nach die ihnen geschenkten Schweine zu schlachten, die mittlerweile das ganze Deck bevölkern. Erneut lässt sich die Königin an Bord bringen, schaut wiederum tränenüberströmt zu, wie ihr Wallis Geschenk um Geschenk überreicht. Es hilft alles nichts: „Um zehn Uhr frischte eine Brise auf, und unsere einheimischen Freunde und besonders die Königin winkten uns so herzzerreißend good bye, dass sich auch meine Augen mit Kummer füllten“, spricht Wallis dazu im von Hawkesworth nach eigenem Ermessen ausgeschmückten dreibändigen Reisebericht.

Dabei hatte es etwas anders angefangen: Am Morgen des 18. Juni im Jahr 1767 findet sich Wallis’ Schiff „Dolphin“, kaum dass mit dem sich auflösenden Nebel endlich Land in Sicht kommt, plötzlich von Dutzenden von Kanus umringt. Nicht einmal ein Pistolenschuss vertreibt die aufgeregten Einheimischen. Steine fliegen, und Wallis lässt Kanonenkugeln über die Köpfe der Ruderer hinwegschießen. Später gehen seine Männer an Land und zerstören Kanus. Die Insulaner fügen sich. Sie bringen Früchte und Palmenzweige, die sie nach langem Reden ins Wasser werfen: eine einladende Geste zu bleiben. Einen Monat lang ankert die „Dolphin“ in Tahitis Matavai-Bucht, und der Reisebericht aus zweiter Hand schwärmt immer mehr von den freundlichen und gütigen Wilden. Er wird nie wieder nach Tahiti zurückkommen: Samuel Wallis, der heute als Entdecker der Insel gilt, auch wenn vor ihm schon andere da waren. keil

Louis-Antoine de Bougainville, 1729–1811

Fünf Monate ist die „Boudeuse“ auf dem Pazifik unterwegs, ohne einen Zipfel Land entdeckt zu haben. Als Trinkwasser und Verpflegung knapp werden, kommen Inseln in Sicht. Doch die Ankunft verzögert sich. Erst muss Kommandant Louis-Antoine de Bougainville gefährliche Korallenriffe umschiffen, dann kann er wegen der heftigen Brandung nicht anlanden.

Am 2. April 1768 kann das Schiff endlich vor Tahiti ankern. Freundlich werden die Franzosen von den Insulanern empfangen, die sich sogleich an die Expedition von Samuel Wallis im Jahr zuvor erinnern. Aber schnell kippt die Stimmung. Die Insulaner, gewohnt, dass allen alles gehört, klauben jedes Metall von Bord, das sie greifen können. Als man dies unterbinden will, weigern sie sich, die Expedition weiterhin mit Nahrung zu versorgen. Dann werden drei Dorfbewohner erstochen aufgefunden; Bougainville muss einige seiner Männer demonstrativ in Ketten legen lassen.

Nach mühsamen Verhandlungen erlauben die Tahitianer ihm, noch ein paar Tage zu bleiben, denn es braucht Zeit, bis sich die ob der langen Überfahrt an Skorbut Erkrankten einigermaßen erholt haben. Bougainville nimmt Tahiti für Frankreich offiziell in Besitz, dann setzt er die Segel. Und in der Rückschau, mit zunehmender Entfernung von Tahiti, werden aus den eigenwilligen und unbequemen Einheimischen jene nackten, unverfälschten Wilden, von denen der Rousseau-Anhänger Bougainville ein Jahr später in den Pariser Salons so schwärmen wird. keil

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