Segelsturztauchflieger

Wenn der Schnabelsack nicht wäre, würde der Pelikan als Flugakrobat in einem Atemzug mit dem Albatros genannt

Schon allein mit seinem Markenzeichen, dem weichen Hautbeutel am Schnabel, weckt der Pelikan beim Menschen keine uneingeschränkten Sympathien. Manche finden den wundersamen Schnabelsack, der zuweilen fälschlicherweise Kehlsack genannt wird, einfach nur hässlich. Andere staunen über den Erfindungsreichtum der Natur. Die Fische, die der Pelikan mit diesem Kescher im Wasser fängt, trägt er nicht darin herum, wie vielfach angenommen, sondern er schluckt sie gleich herunter – nachdem er das mitgeschöpfte Wasser hat ablaufen lassen. In einen Schnabelsack passt je nach Größe ein Volumen von bis zu zehn Litern, ausgefaltet besitzt er eine Fläche von etwa einem halben Quadratmeter. Pelikane gibt es bereits seit 40 Millionen Jahren. Mit ihrem Designentwurf hat die Evolution also früh einen erfolgreichen Weg eingeschlagen.

In Zeiten, als das Wissen um den Schnabelsack noch nicht weit gediehen war, entluden sich Erstaunen und Skepsis in fantastischen Geschichten. So erzählte der Naturforscher Edward Topsell, der im Elisabethanischen Zeitalter lebte, dass ein Mann einmal ein Kind aus dem Schnabel eines Pelikans geholt haben will. Ein anderes Mal sollen es ein Soldatenmantel, Hut und drei Paar Schuhe gewesen sein. In der Welt der Petzi-Kinderbücher, erstmalig erschienen im Jahr 1951, kramt ein Pelikan namens Pelle aus seinem Schnabelsack all das hervor, was ihm und seinen Gefährten bei ihren Abenteuern aus der Patsche helfen könnte, seien es Bücher, Werkzeuge, Medikamente oder ein Regenschirm.

Die dänischen Zeichner Vilhelm und Carla Hansen haben ihren gefiederten Protagonisten dafür allerdings nur mit Stummelflügeln versehen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Pelikane gehören zu den mächtigsten Vögeln, die es auf der Erde gibt. Bereits die Kleinen besitzen eine Flügelspannweite von knapp zwei Metern, die Großen schaffen rund 3,30 Meter. Sie wiegen bis zu zwölf Kilogramm und sind damit um die Hälfte schwerer als ein Albatros. In der unteren Gewichtsklasse tritt mit vier bis fünf Kilogramm der Braune Pelikan (Pelecanus occidentalis) an. Der Vogel mit dem silbergrau-braunen Gefieder und der kastanienbraunen Mähne hat als einzige der sieben Pelikanarten dem Meer die Treue geschworen. Die übrigen bewohnen große Binnenseen, Lagunen und Flussmündungen, nur einige sind zuweilen an Küsten zu sehen. Alle lieben gemäßigte oder tropische Temperaturen.

Pelikane fliegen in Formation, manchmal einer hinter dem anderen, mit gleichem Flügelschlag, wie von einem gemeinsamen Nervensystem gesteuert. Mit zwei bis drei Flügelschlägen pro Sekunde bewegen sie sich in der Luft mit Leichtigkeit und Eleganz fort und können an die 50 Kilometer in der Stunde zurücklegen. Im Flug biegen sie ihren langen Hals nach hinten und legen ihn zwischen die Schultern. Den schweren Schnabel stützen sie auf der Brust ab. Häufig gleiten sie dicht über den Wellen, oder sie lassen sich von Aufwinden in den Himmel tragen. „Es sah aus, als ob sie mit ihren Flügelspitzen ab und zu die Wellen berührten, und es war offensichtlich, dass sie in den Wellentälern flogen, um sich vor dem Wind zu schützen. Sie schauten sich nicht um, wechselten nicht die Richtung. Pelikane scheinen immer genau zu wissen, wo es lang geht“, schrieb der amerikanische Literaturnobelpreisträger John Steinbeck 1941 in seinem Buch „The Log from the Sea of Cortez“. Der Ritt über die Wellen hat System: So entsteht ein Luftpolster zwischen Wellen und Schwingen, das den Auftrieb erhöht und Kraft spart.


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mare No. 38

No. 38Juni / Juli 2003

Von Ute Schmidt und Heidi und Hans-Jürgen Koch

Ute Schmidt ist freie Wissenschaftsautorin und Biologin und lebt in Solingen. Sie schrieb zuletzt in mare No. 37 über die Nacktschnecken.

Die Fotografen Heidi und Hans-Jürgen Kochleben in Freiburg. Ihre Exklusivreportage für mare No. 18 über Eisbären wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Vögel sind eigentlich kein Gegenstand ihres Interesses. Der Pelikan ist die Ausnahme, „er ist ein Typ“. Die Aufnahmen entstanden in der Hurrikansaison an Floridas Westküste.

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Vita Ute Schmidt ist freie Wissenschaftsautorin und Biologin und lebt in Solingen. Sie schrieb zuletzt in mare No. 37 über die Nacktschnecken.

Die Fotografen Heidi und Hans-Jürgen Kochleben in Freiburg. Ihre Exklusivreportage für mare No. 18 über Eisbären wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Vögel sind eigentlich kein Gegenstand ihres Interesses. Der Pelikan ist die Ausnahme, „er ist ein Typ“. Die Aufnahmen entstanden in der Hurrikansaison an Floridas Westküste.
Person Von Ute Schmidt und Heidi und Hans-Jürgen Koch
Vita Ute Schmidt ist freie Wissenschaftsautorin und Biologin und lebt in Solingen. Sie schrieb zuletzt in mare No. 37 über die Nacktschnecken.

Die Fotografen Heidi und Hans-Jürgen Kochleben in Freiburg. Ihre Exklusivreportage für mare No. 18 über Eisbären wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Vögel sind eigentlich kein Gegenstand ihres Interesses. Der Pelikan ist die Ausnahme, „er ist ein Typ“. Die Aufnahmen entstanden in der Hurrikansaison an Floridas Westküste.
Person Von Ute Schmidt und Heidi und Hans-Jürgen Koch