Schwimmen zwecklos

In dieser Salzbrühe kann zwar niemand untergehen, aber man weiß ja nie. Besuch bei einem Rettungsschwimmer am Toten Meer

Schwimmen zwecklos

Urlauber am Strand des Toten Meeres müssen sich schon ungeschickt anstellen, um zu ertrinken. Doch es lauern andere Gefahren. Aus dem Alltag eines Lebensretters

Text: Tilman Wörtz
Fotos: Ivo Saglietti

Eine voluminöse Dame wagt sich zögerlich ins Wasser. Ein paar Meter vom Strand des israelischen Kurorts Ein Bokek entfernt beginnt sie zu schwimmen, hat jedoch Mühe, die Balance ihres üppigen Körpers zu halten. Ermattet lässt sie schließlich ihren Kopf, Gesicht nach unten, auf das Wasser sinken.

Vom nahen Wachturm aus beobachtet Alexej Basilewski die Szene durch ein Fernglas. Auf seinem T-Shirt steht „Lifeguard“, die Muskeln darunter spannen sich. „Bestimmt falscher Alarm“, sagt er leicht gereizt, gleitet dennoch pflichtbewusst die Eisenstange seines Ausgucks hinab und hechtet zu der Frau ins Wasser.

Sie hebt verdutzt den Kopf: „Was wollen Sie?“ Mit einem Rettungsschwimmer hat sie hier nicht gerechnet. Schließlich ist doch allgemein bekannt, dass das Meer zu einem Drittel aus Salz besteht. Es ist eine gesättigte Lösung, welche jeden Körper wie einen Gummiball an der Oberfläche hält. Untergehen unmöglich.

Alexej ist genervt, möchte ihr antworten: 50 Milliliter von dieser Suppe in Ihrer Lunge, und Sie sind in fünf Minuten tot. Doch er sagt nur: „Passen Sie auf, dass Sie kein Wasser in die Luftröhre kriegen.“   Allzu sehr sollen sich die Gäste ja auch nicht beunruhigen.

Es ist eine kaum beachtete Gefahr im Toten Meer: Gelangt Wasser in die Lunge, gleicht der Körper die Salzkonzentration aus, indem er körpereigenes Wasser in die Lungenflügel zieht. Der Badende wird im Nu zum Notfallpatienten, kann auch bei geringen Mengen des eingeatmeten Salzwassers schließlich ersticken.

Damit das nicht passiert, wacht Alexej mit Sauerstoffflaschen, drückt im Ernstfall einem Verunglückten das Salzwasser aus der Lunge, stülpt ihm anschließend eine Maske über den Mund und pumpt Sauerstoff in die Lunge: Erwachsenen zwei, Kindern einen halben Liter.

Alexej, der Rettungsschwimmer, musste bislang kaum schwimmen. Fast alle Unfälle passieren fünf Meter vom Strand entfernt, im gerade knietiefen Wasser – immer dann, wenn neue Badegäste noch nicht an die gallertartige Konsistenz des Toten Meeres gewöhnt sind.

Jedes Hotel in Ein Bokek hat seinen eigenen Strand und mindestens zwei Rettungsschwimmer. 60 wachen insgesamt am Toten Meer, alle im Dienst der Rettungsschwimmerfirma Helen, die ihren Sitz in Arad mitten in der Wüste hat. Dort absolvierte Alexej eine einmonatige Ausbildung zum „Rettungsschwimmer für Binnengewässer“, ein Job, der eine Nummer zu klein ist für den Muskelprotz aus Russland. In der Sowjetunion war er Juniorchampion im Kajakfahren, ehe er auswanderte. Im Toten Meer paddelt er gelegentlich auf einer Art Surfbrett zwischen den Badegästen, von denen die meisten auf einem Plastikstuhl im bis zu 40 Grad warmen Türkis sitzen. Außer ihren Zehenspitzen regt sich darin kein Leben.

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 38. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 38

No. 38Juni / Juli 2003

Von Tilman Wörtz und Ivo Saglietti

Tilman Wörtz, Jahrgang 1973, ist Mitglied der Agentur Zeitenspiegel. Er erfuhr am eigenen Leib, dass Untergehen im Toten Meer unmöglich ist.

Ivo Saglietti, geboren 1948, dokumentiert mit seiner Fotografie seit Jahren Geschichten aus dem Mittelmeerraum.

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Vita Tilman Wörtz, Jahrgang 1973, ist Mitglied der Agentur Zeitenspiegel. Er erfuhr am eigenen Leib, dass Untergehen im Toten Meer unmöglich ist.

Ivo Saglietti, geboren 1948, dokumentiert mit seiner Fotografie seit Jahren Geschichten aus dem Mittelmeerraum.
Person Von Tilman Wörtz und Ivo Saglietti
Vita Tilman Wörtz, Jahrgang 1973, ist Mitglied der Agentur Zeitenspiegel. Er erfuhr am eigenen Leib, dass Untergehen im Toten Meer unmöglich ist.

Ivo Saglietti, geboren 1948, dokumentiert mit seiner Fotografie seit Jahren Geschichten aus dem Mittelmeerraum.
Person Von Tilman Wörtz und Ivo Saglietti