Schiffbruch in der Wüste

Das Schiff ist futsch, und die Überlebenden landen ausgerechnet an der Skelettküste Namibias. Das nennt man Pech im Unglück!

Es gibt Dinge, die dürfen nie – wirklich niemals! – geschehen. Und es gibt andere, die sind ganz einfach unmöglich. Manchmal kommen beide zusammen – so wie jener heftige Stoß, nachts, vor der Küste Südafrikas. Urplötzlich und in voller Fahrt rammt der Bauch des britischen Passagierfrachters „Dunedin Star“ in etwas Hartes. Etwas Hartes, wo doch laut Seekarte nur Wasser sein kann. Während sich das Schiff schüttelt, während es sich zur Seite neigt, sich wieder aufrichtet, weiterfährt, stürzen die Passagiere aus den Kabinen.

Alles in Ordnung, heißt es von der Brücke, man möge doch bitte wieder in die Kabinen zurückkehren. Mütter mit Kindern im Arm, britische Soldaten und ägyptische Familien diskutieren noch eine Weile. Dann löst sich die Gruppe auf. Der Gang ist kalt, das Bett warm. Die Schiffsmotoren stampfen unverändert.

Das täuscht. Nichts ist mehr in Ordnung an diesem 29. November 1942 auf der Reise von Liverpool über Kap Hoorn in den Mittleren Osten. Der Frachter sinkt. Und das Letzte, was die Besatzung nun braucht, wäre eine Panik an Bord. Seit dem Aufprall klafft ein 60 Meter langer Riss im Kiel, durch den es hereintost. Weitere Lecks in den Laderäumen und im Maschinenraum. Hoffnungslos. Zehn Minuten nach dem Aufprall gibt Kapitän Lee einen neuen Kurs: im rechten Winkel und mit voller Kraft zur Küste! Lieber irgendwo stranden als untergehen.

Lee legt sein Schiff kurz vor Mitter-nacht breitseits auf einen Strand Südwestafrikas (das heutige Namibia). Vom erneuten Aufprall geweckt, stehen die Passa- giere kurz darauf in Schwimmwesten an Deck. Brecher donnern über dessen tiefere Sektionen. Und nun?

Tröstlich, dass eine Seefunkstation im 600 Kilometer entfernten Walvis Bay das SOS bestätigt. In Kapstadt, noch einmal 1300 Kilometer weiter, bildet das zuständige Hauptquartier der vereinigten britischen und südafrikanischen Streitkräfte daraufhin eine Arbeitsgruppe. Der Beginn einer dramatischen Hilfsaktion. Denn was die Dunkelheit den Schiffbrüchigen verbirgt: Das Ufer, 500 Meter vor ihnen, ist kein rettendes. Es ist der Rand der Namib, der mit fünf Millionen Jahren ältesten Wüste der Welt.

„Namib“ bedeutet in der Sprache der Ureinwohner aus dem Landesinneren „die große Leere“. Fast 2000 Kilometer lang, bis zu 160 Kilometer breit. Kein Baum, kein Strauch. Selbst am Ufer nur vereinzelt harte Gräser. Wer vor der Erfindung des Seefunks hier strandete, hatte sich lediglich in ein anderes Sterben gerettet: Statt zu ertrinken, verdurstete er an Land. An die 500 Wracks liegen in den wechselnden Strömungen und immer neuen Sandbänken vor dieser tödlichen Ödnis. Afrikas Presse taufte sie die „Skelettküste“. In den achtziger Jahren wird man überlegen, ob hier nicht der ideale Ort sei für ein Endlager mit bundesdeutschem Atommüll.

Die Arbeitsgruppe in Kapstadt ordert als Erstes die beiden nächsten Schiffe zur „Dunedin Star“. Sie sind zwei Tage entfernt. Aus Walvis Bay schickt man zusätzlich ein Minensuchboot und einen Hafenschlepper. Auch sie können nicht früher am Unglücksort sein. Wird der beschädigte Rumpf so lange halten?

Schon nach wenigen Stunden unterspült die See Bug und Heck des Wracks. Es rollt nun mit jeder Welle. Verständlich, dass der Kapitän seine 105 Passagiere und Besatzungsmitglieder von Bord haben will. Besonders verständlich, weil Krieg ist und die Laderäume vollgestopft sind mit Nachschub für den Afrika-Feldzug gegen Rommel: Munition, Flugzeugtorpedos, Sprengstoff.

Ein Motorboot der „Dunedin Star“ bringt die Passagiere an Land. In der hohen Brandung ein Höllenritt. Als anschließend auch Angehörige der Mannschaft übersetzen, geschieht erneut Unfassbares: Die Barkasse zerschellt am Strand. Zwar wird niemand verletzt, doch nun sind 63 Menschen schutzlos in der Wüste – darunter ein Säugling, zwei Kleinkinder und eine Schwangere im siebten Monat. Die Notration der Barkasse ist nicht gedacht für derart viele Menschen. Auf dem Wrack wäre reichlich von allem.

Doch der halbe Kilometer hinüber lässt sich nicht überbrücken. Die Rettungsboote des Frachters sind mit Strömung und Brandung überfordert. Eine Seilverbindung misslingt. Es bleiben nur Flaggen- und Lichtsignale.


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mare No. 45

No. 45August / September 2004

Von Hans Joachim Verhufen und Jens Harder

Hans Joachim Verhufen, Jahrgang 1954, ist freier Autor in Hamburg. Sein Bericht basiert auf John H. Marshs Bestseller Skelettküste, erschienen im Kuiseb Verlag, Windhoek, 1978.

Jens Harder, geboren 1970, frisch gekürter „Max und Moritz“-Preisträger („Beste deutschsprachige Publikation“ am Comic-Salon Erlangen für sein Album Leviathan), lebt als Illustrator und Comiczeichner in Berlin. Er fand Inspiration für diese Arbeit bei einer Wüstenreise – wenn schon nicht in der Namib, so doch quer durch die Negev ans Tote Meer.

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Vita Hans Joachim Verhufen, Jahrgang 1954, ist freier Autor in Hamburg. Sein Bericht basiert auf John H. Marshs Bestseller Skelettküste, erschienen im Kuiseb Verlag, Windhoek, 1978.

Jens Harder, geboren 1970, frisch gekürter „Max und Moritz“-Preisträger („Beste deutschsprachige Publikation“ am Comic-Salon Erlangen für sein Album Leviathan), lebt als Illustrator und Comiczeichner in Berlin. Er fand Inspiration für diese Arbeit bei einer Wüstenreise – wenn schon nicht in der Namib, so doch quer durch die Negev ans Tote Meer.
Person Von Hans Joachim Verhufen und Jens Harder
Vita Hans Joachim Verhufen, Jahrgang 1954, ist freier Autor in Hamburg. Sein Bericht basiert auf John H. Marshs Bestseller Skelettküste, erschienen im Kuiseb Verlag, Windhoek, 1978.

Jens Harder, geboren 1970, frisch gekürter „Max und Moritz“-Preisträger („Beste deutschsprachige Publikation“ am Comic-Salon Erlangen für sein Album Leviathan), lebt als Illustrator und Comiczeichner in Berlin. Er fand Inspiration für diese Arbeit bei einer Wüstenreise – wenn schon nicht in der Namib, so doch quer durch die Negev ans Tote Meer.
Person Von Hans Joachim Verhufen und Jens Harder