Schaulaufen im Eismeer

Keine Walart ist für Touristen so gut zu beobachten wie die Belugas. Die Weißwale schwimmen langsam, meist nahe der Oberfläche, spätes­tens alle 20 Minuten tauchen sie auf zum Atmen. Das macht sie zu Lieblingen der Whale Watcher

Die Odylle ist perfekt. Golden liegt der Abend über dem Sankt-Lorenz-Strom, silbern glänzen die Rücken der Belugas, die in den Sonnenuntergang schwimmen. Kameras surren, Fotoapparate klicken, Kinder rufen.

Kaum eine Art ist für Waltouristen so gut zu beobachten wie die Belugas. Die Weißwale, so ihr anderer Name, schwimmen langsam, meist nahe der Oberfläche; spätestens alle 20 Minuten tauchen sie auf, um zu atmen. Diese Belugapopulation lebt das ganze Jahr über in der Mündung des kanadischen Stromes, der den Ontariosee mit dem Atlantik verbindet. Dies sei der einzige sesshafte Schwarm weltweit, werben Kanadas Tourismusmanager. Auch deshalb ist der Fluss eines der beliebtesten Whale-Watching-Ziele der Erde.

Zwischen 60 000 und 100 000 Belugas leben in den Meeren rund um den Nordpol, vor allem an den Küsten Alaskas, Kanadas und Russlands. Im Sommer ziehen die Wale in Schwärmen von oft Hunderten Tieren in flachere Küstengebiete oder Flussmündungen, um ihre Kälber zu gebären und sie für den Winter aufzu-päppeln. Bis zu 2000 Kilometer legen sie dabei zurück.

Die Kälber werden grau geboren. Erst nach und nach nehmen sie die prägnante weiße Färbung an, die sich im Lauf der Evolution vermutlich als Tarnschutz gegen Angriffe von Eisbären durchgesetzt hat. Ein Beluga wird bis zu sechs Meter lang, eine Tonne schwer und bis zu 35 Jahre alt.

Immer wieder verlassen einzelne Tiere oder kleine Gruppen das Meer und schwimmen flussaufwärts. In beinahe allen sibirischen Flüssen, aber auch in Elbe, Rhein, Donau und Loire wurden schon Weißwale gesehen. Durch die engen Flussbetten bewegen sie sich mithilfe eines raffinierten Navigationssystems. Keine Walart verfügt über ein besseres. Durch das Aussenden ständiger Klicklaute in einem gebündelten Strahl und deren Reflexionen finden Belugas immer ihren Weg. Auf dieselbe Weise orten die mit kleinen, scharfen Zähnen versehenen Wale auch ihre Beute – kleine Fische, Muscheln oder Krebse.

Die Lautsignale senden sie von ihrer „Melone“, der kuppelförmigen Stirn. In die Klicks mischen sie andere, absonderliche Geräusche. Belugas pfeifen, kreischen, krächzen, zirpen, trillern, zwitschern und wiehern. Wegen der Vielfalt der ausgesandten Laute werden sie die „Kanarienvögel der Meere“ genannt. Die zurückkehrenden Töne fangen sie mit dem Unterkiefer auf und leiten sie an das Innenohr weiter. Belugas hören gut und extrem präzise.

Doch ihre Laute gehen zunehmend in einem Meer aus Misstönen unter. Mit dem Eis verschwindet in der Arktis auch die Ruhe. Der Weg zu den am Meeresboden entdeckten Öl-, Gas- und Mineralienvorkommen wird frei. Vor allem Russland hat mit deren Abbau schon begonnen. Zusätzlich stört der immer stärkere Schiffsverkehr die Ruhe. Doch diese brauchen die Wale zum Überleben. Bei Lärm verlieren sie die Orientierung. Wenn sie nicht hören können, stranden sie und sterben.

„Belugas sind eine Leitspezies. Was mit ihnen durch Umweltverschmutzung und Klimawandel passiert, passiert später mit dem gesamten Ökosystem“, sagt Karsten Brensing, Meeresbiologe bei der Whale and Dolphin Conservation Society. Bis Mitte der 1990er Jahre galten sie als bedrohte Tierart. Heute sind sie nur noch als gering gefährdet eingestuft. Grund: die gesunde Entwicklung einiger großer Populationen.


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mare No. 81

No. 81August / September 2010

Von Annekatrin Loose und Franco Banfi

Annekatrin Looss, Jahrgang 1975, Autorin im Berliner Journalistenbüro Schön & Gut, kam den Weißwalen auf einer Kanutour in Alaska ganz nah.

Der Schweizer Franco Banfi, geboren 1958, ist berühmt für seine Unterwasserbilder. Eines seiner Belugafotos wurde 2009 beim Fotocam-Wettbewerb ausgezeichnet.

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Vita Annekatrin Looss, Jahrgang 1975, Autorin im Berliner Journalistenbüro Schön & Gut, kam den Weißwalen auf einer Kanutour in Alaska ganz nah.

Der Schweizer Franco Banfi, geboren 1958, ist berühmt für seine Unterwasserbilder. Eines seiner Belugafotos wurde 2009 beim Fotocam-Wettbewerb ausgezeichnet.
Person Von Annekatrin Loose und Franco Banfi
Vita Annekatrin Looss, Jahrgang 1975, Autorin im Berliner Journalistenbüro Schön & Gut, kam den Weißwalen auf einer Kanutour in Alaska ganz nah.

Der Schweizer Franco Banfi, geboren 1958, ist berühmt für seine Unterwasserbilder. Eines seiner Belugafotos wurde 2009 beim Fotocam-Wettbewerb ausgezeichnet.
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