Robinsons Insel

Eine schottischstämmige Familie ist Besitzerin der Hawaii-Insel Niihau. Außer 150 Hawaiianern darf niemand auf die Insel. Die Eigentümer wollen sie hermetisch vor äußeren Einflüssen bewahren

Die Insel, über die ich fahre, muss ich nicht beschreiben, denn sie ist jedem von uns schon unzählige Male begegnet. Immer wenn in Filmen eine Paradiesinsel mit gezackten Bergen und grünen, von schäumenden Flüssen durchzogenen Schluchten auftaucht, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach die Hawaii-Insel Kauai sein. Wer „Avatar“, „Jurassic Park“, „Herr der Fliegen“ gesehen hat, hat Kauai gesehen.

Aber die Insel, auf die ich will, die Nachbarinsel, die vor mir aus dem Meer in den Morgendunst ragt, die kennt keiner, die hat noch niemand aus der Nähe ge- sehen. Niihau, die „verbotene Insel“. Von Niihau gibt es nur ein paar Helikopteraufnahmen. Eine wüstenähnliche Insel, von schäumender Brandung umgeben. Wer mit Google Earth heranzoomt, erkennt ein paar Häuser, ansonsten viel Sand.

Der Rest ist Romantik. „150 Einwohner leben hier seit 1915 auf eigenen Wunsch fast wie Robinson Crusoe“, wähnt eine Reiseagentur. „Traditionelle hawaiianische Lebensweise steht anstelle von Fortschritt und Technologie. Ohne Stromnetz, Telefon, Auto, Geld oder ärztliche Versorgung wird auf Niihau der Alltag gemeistert. Als Zahlungsmittel dienen Muscheln.“

Eine Zeitkapsel. Ein lebendes Museum.

Die Insel Niihau gehört den Brüdern Keith und Bruce Robinson, 72 und 71 Jahre alt. Nur auf Einladung der beiden darf man sie betreten, und die beiden laden so gut wie keinen ein.

Kauai und Niihau sind Zwillinge, die unterschiedlicher nicht sein können. Die eine grün, die andere trocken, die eine Touristenmagnet, die andere unberührt. Auf der einen bin ich, auf die andere will ich.

 

 

Angefangen hat alles mit einer dünnen, brüchigen Greisenstimme am Telefon. Ich hatte die Nummer eines Unternehmens namens Niihau Helicopters gewählt. „Sie wissen, dass ich rechtsextreme Ansichten vertrete?“, sagte dann eines Morgens Keith Robinson. Ob das in Ordnung sei, steckte als Frage dahinter. Nicht, dass ich enttäuscht sei, wenn ich den langen Weg um die Welt anträte. Natürlich ist das in Ordnung. Extreme Insel, extremer Charakter, extreme Ansichten. Er erzählte mir, dass die Einwohner von Niihau noch mit Messern jagen und mit Speeren auf Fischfang gehen. Ich fragte ihn, ob ich ihm etwas aus Deutschland mitbringen soll. Irgendwelche landwirtschaftlichen Geräte? Ich hatte gelesen, dass er ein Pflanzennarr ist.

Einige Wochen später holt er uns vom Flughafen von Kauai ab, mich und den Fotografen Jan Windszus. Auf die Frage in meiner letzten Mail, ob ich nach Niihau könne, hat er nicht geantwortet. Immerhin hat er ein klares Nein vermieden. Und ich habe ein halbes Ja herausgehört. Unsere Reise nach Niihau beginnt auf Kauai, und ich hatte mir nichts vorgemacht: Obwohl es nur 17 Meilen nach Niihau sind, liegt ein langer Weg vor uns. Nicht drängeln, mich gut mit ihm stellen und ihn dazu bringen, dass er mich nach Niihau lässt. Das ist mein Plan für die nächsten zehn Tage.

Tag eins. Keith Robinson fährt morgens um sieben mit seinem Jeep am Cottage vor. Keith hat uns aussichtsreich untergebracht. Ein altes Plantagenhaus am Strand von Waimea. Mit Blick auf Niihau. Im Dunst ragt es als Silhouette auf, steil, unbezwingbar, nebelverhangen: eine Felsenburg mit einer Mauer aus Klippen. Keine Spur menschlichen Lebens. Von hier wirkt Niihau wie eine B-Movie-Kulisse. Zu exakt trifft sie das Klischee einer geheimnisvollen verbotenen Insel.

Keith fährt vor, lautes Autotürknallen. Schwere Schritte auf der Treppe, Stampfen, Hüsteln. Wir liegen noch in unseren Betten, wach, Jetlag. Robinson öffnet die Tür, tritt ein und nimmt Platz. Ein Inselwächter kennt keine Türen. Jedenfalls keine, die für ihn verschlossen sind. Robinson lebt nicht auf Niihau. Er wohnt auf Kauai, in einem kleinen Ort namens Makaweli mit Supermarkt, Post und Helikoptervermietung. Obwohl seine Familie zu den zehn wichtigsten hawaiianischen Großgrundbesitzern gehört, trägt er Motorradstiefel, Arbeitshemd, verschlissene Jeans und fährt einen zerbeulten Pick-up.


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mare No. 103

No. 103April / Mai 2014

Von Dimitri Ladischensky und Jan Windszus

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur, und Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf aus Berlin, absolvierten auf Kauai einen unfreiwilligen Schnellkurs in Gärtnern.

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Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur, und Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf aus Berlin, absolvierten auf Kauai einen unfreiwilligen Schnellkurs in Gärtnern.
Person Von Dimitri Ladischensky und Jan Windszus
Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur, und Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf aus Berlin, absolvierten auf Kauai einen unfreiwilligen Schnellkurs in Gärtnern.
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