Punkt, Punkt, Komma, Bich

Eine geniale Erfindung machte es dem französischen Baron Marcel Bich möglich, sich in die Spitze des America’s Cup zu segeln

Angesteckt hatte deN Französischen Baron der Bazillus beim Hobbysegeln im Familienurlaub, die Inkubation dauerte etliche Jahre. Erst 1967 brach das Fieber bei ihm aus. In jenem Jahr hatte er sich eine Zwölf-Meter-Yacht zugelegt – genau desselben Typs, mit dem die Duelle um den legendären America’s Cup ausgetragen wurden, die älteste und am leidenschaftlichsten umkämpfte Sporttrophäe der Welt. Von nun an verfolgte der Franzose die Regattaschlachten in New- port, Rhode Island, dem Außenposten des New York Yacht Club – und beschloss, einer der Herausforderer der nächsten amerikanischen Cupverteidigung zu sein.

Baron Marcel Bich, so sein wohlklingender Name, kaufte nacheinander vier teure Zwölf-Meter-Yachten und ließ sie gegeneinander segeln, bestellte dann bei einem britischen Designer den Entwurf für ein neues Boot, das am Genfersee weiterentwickelt und von einem eigens engagierten französischen Bootsbauer gebaut wurde. Mit der „France“, wie er sie selbstbewusst taufte, zwei Skippern und einem 60-Mann-Team trat er 1970 in Newport an, im Gepäck, noblesse oblige, zwei Starköche und ein Container mit erlesenen französischen Weinen. Geschätzte Gesamtkosten der Kampagne: vier Millionen Dollar.

Die Investition rentierte sich nicht. Die „France“ verlor ihre ersten beiden Rennen, woraufhin der gereizte Baron selbst das Steuer übernahm, ganz in Weiß gekleidet, inklusive weißer Handschuhe. Auch das half nichts. Während des dritten Rennens kam Nebel auf, der Steuermann verlor die Orientierung, fand den Parcours nicht mehr und verirrte sich auf dem Newport Sound. Baron Bichs wütender Protest gegen die Jury, die das Rennen nach seiner Meinung hätte abbrechen müssen, verhallte ungehört. Der Traum schien zu Ende.

Wenigstens einen Traum hatte er sich aber Jahrzehnte zuvor schon erfüllt: als Unternehmer reich zu werden.

Ein Unternehmer braucht für sein Geschäft dreierlei: ein Produkt, Kapital und Kunden. Als Marcel Bich seine Karriere begann, die schwindelerregend verlaufen sollte, hatte er kein Produkt, kein Kapital und keine Kunden.

Aber er besaß Beharrlichkeit und Intuition. Diese sagte ihm, dass der gerade erfundene und vom Publikum als unzuverlässig und klecksend verworfene Kugelschreiber zu Unrecht gescheitert war. Denn schreiben konnte man damit schneller und flüssiger als mit dem kratzigen Federhalter, der auch noch ständig nachgefüllt werden musste. Die Zukunft, glaubte Bich deswegen, gehört nicht dem stylo-plume, sondern dem stylo à bille. Also überzeugte er einen Partner von seiner Überzeugung, kaufte 1945 mit dem einzigen Geld, das beide besaßen – 120 000 Franc, etwa 1000 Dollar –, eine stillgelegte Fabrikhalle im Pariser Vorort Clichy und begann zu tüfteln.

Bich war zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt. Zuvor hatte er einige Semester Jura studiert, sich als Hausierer durchgeschlagen, bei einem Tintenhersteller gearbeitet und in der französischen Luftwaffe gedient. Geboren war er 1914 in Turin; seine Familie stammte aus dem französischsprachigen Teil des Aostatals, wo dem Urgroßvater vom sardischen König einst der pompöse Titel eines Barons verliehen worden war. Den nahm der Vater 1930 mit nach Frankreich, wo er bessere berufliche Chancen erwartete. Er ließ sich mit seiner Familie einbürgern und führte fortan als Ingenieur ein bürgerliches Leben auf kleinem Fuß.

Sein Sohn Marcel war also ein Baron, bloß hatte der Adelsspross kein Geld und besaß eigentlich auch keinerlei Voraussetzungen dafür, ein Problem zu lösen, an dem vorher schon etliche Erfinder gescheitert waren. Die ungarischen Brüder László und György Bíró hatten zwar 1938 einen funktionsfähigen Tintenschreiber mit Kugelkopf entwickelt, aber dessen Problem blieb die Tinte: Es gab sie nicht. Ihre Herstellung glich der Quadratur des Kreises. Sie musste schnell trocknen, aber auch zäh genug sein, dass sie nicht an der Kugel vorbei leckte, und gleichzeitig dünnflüssig genug, um die rollende Stahlkugel an der Spitze der Farbmine stets gleichmäßig einzufärben und die Kugel wie eine Saugpumpe wirken zu lassen.


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mare No. 134

No. 134Juni / Juli 2019

Von Peter Sandmeyer

Peter Sandmeyer, Jahrgang 1944, lebt als Journalist und Buchautor in Hamburg. Paul Slade (1924–1979) war von 1953 bis zu seinem Tod Fotograf des Magazins „Paris Match“ in New York und einer der führenden Porträtisten seiner Zeit. Großes Aufsehen erregte er mit seiner Ablehnung, Kennedys offizieller Fotograf zu werden.

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Vita Peter Sandmeyer, Jahrgang 1944, lebt als Journalist und Buchautor in Hamburg. Paul Slade (1924–1979) war von 1953 bis zu seinem Tod Fotograf des Magazins „Paris Match“ in New York und einer der führenden Porträtisten seiner Zeit. Großes Aufsehen erregte er mit seiner Ablehnung, Kennedys offizieller Fotograf zu werden.
Person Von Peter Sandmeyer
Vita Peter Sandmeyer, Jahrgang 1944, lebt als Journalist und Buchautor in Hamburg. Paul Slade (1924–1979) war von 1953 bis zu seinem Tod Fotograf des Magazins „Paris Match“ in New York und einer der führenden Porträtisten seiner Zeit. Großes Aufsehen erregte er mit seiner Ablehnung, Kennedys offizieller Fotograf zu werden.
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