Auch Fische haben Durst, vor allem, wenn sie im Meer leben. Denn über die Haut verlieren sie im Salzwasser ständig Flüssigkeit. Dahinter verbirgt sich ein einfaches physikalisches Phänomen: Sind zwei unterschiedlich salzige Flüssigkeiten durch eine Membran getrennt, die einen Austausch erlaubt, strömt so lange Wasser in die salzigere Lösung, bis die Konzentration der gelösten Stoffe in beiden gleich hoch ist. Dieser Vorgang wird Diffusion genannt.
Rund 60 chemische Elemente sind im Seewasser gelöst. Der durchschnittliche Salzgehalt in den Weltmeeren beträgt dabei 35 Promille, was 35 Gramm in einem Liter Wasser entspricht. Rund drei Viertel davon sind Natrium- und Chloridionen, die Bestandteile von Kochsalz. Das Blut von Wirbeltieren, gleich ob sie im Meer, in Flüssen oder an Land leben, enthält jedoch deutlich weniger Salze als Meerwasser. Ohne spezielle physiologische Mechanismen würden Meeresfische durch Diffusion so lange Wasser verlieren, bis die Salze in ihrem Körper dieselbe Konzentration erreicht haben wie im Meer. Was also können sie tun, um einem solchen Wasserverlust entgegenzuwirken?
Vor allem trinken. Seefische nehmen ständig Meerwasser zu sich – und dabei zwangläufig auch die darin gelösten Stoffe. Deshalb werden überschüssige Natrium- und Chloridionen an den Kiemen ins Meer ausgeschieden. Und zwar gegen das vorherrschende Konzentrationsgefälle, und das bedeutet, dass die Tiere dafür Energie aufwenden müssen, die der Stoffwechsel bereitstellen muss. Werden Meeresfische am Trinken gehindert, sterben sie innerhalb kürzester Zeit.
Genau anders herum liegen die Verhältnisse für Süßwasserfische. Ihre Körperflüssigkeit enthält viel mehr Salze als das Wasser, das sie umgibt. Sie müssen sich also davor schützen, dass ihr Blut durch Diffusion zu stark verdünnt wird. Zum Beispiel mit einer Haut, die für Wasser nahezu undurchlässig ist. Da sie jedoch mit ihrer Nahrung immer auch kleine Mengen Wasser aufnehmen und über ihre Nieren ein bestimmtes Salzkontingent ausscheiden, müssen sie andererseits aktiv Elektrolyte über die Kiemen aufnehmen; auch Süßwasser enthält Spuren von gelösten Salzen, wenn auch in sehr geringen Mengen. Den entstehenden Wasserüberschuss gleichen sie über den Urin aus.
Obwohl Fische, je nachdem, ob sie im Süß- und Salzwasser leben, also unterschiedliche physiologische Techniken anwenden, um zu überleben, gelingt es doch erstaunlich vielen Arten, sich an beide Lebensräume anzupassen. Junge Lachse, die in Bächen aus dem Ei schlüpfen und langsam gen Meer wandern, verwandeln sich dabei von Wassersparmodellen in regelrechte Säufer. In Laborversuchen tranken sie die 80fache Wassermenge, wenn sie vom Süßwasser ins Salzwasser umgesetzt wurden. Gesteuert wird das Trinkverhalten dabei durch verschiedene Hormone.
Aber nicht nur gewohnheitsmäßige Wanderer wie Aale und Lachse sind sehr flexibel, was ihren Lebensraum angeht. Beispielsweise schwimmen in der brackigen Ostsee auch überraschend viele Süßwasserfische. „An der Westküste Rügens ziehen Angler immer wieder auch Zander und Karpfen aus dem Wasser“, berichtet Dietrich Siebers, Zoologe an der Universität Hamburg. Ein leicht erhöhter Elektrolytgehalt scheint das Wachstum vieler Süßwasserfische sogar zu fördern. Karpfen und verschiedene Störarten wuchsen unter Laborbedingungen bei einer Konzentration von etwa zwei Promille am besten. Offensichtlich, vermuten Physiologen, liegen die Energiekosten zur Aufrechterhaltung des optimalen Körpermilieus im leicht brackigen Wasser am niedrigsten.
Umgekehrt bevorzugen zahlreiche Fischarten der hohen See in jungen Jahren Zonen mit einer mittleren Salzkonzentration. Sie wachsen in Brackwasser führenden Lagunen, in Flussmündungen oder Gezeitenzonen auf, bevor sie in tiefere und küstenferne Bereiche ziehen. Offensichtlich ist im Brackwasser der Aufwand, den körpereigenen Salzhaushalt aufrechtzuerhalten, geringer als im offenen Meer.
Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 54. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.
Helmut Broeg, gelernter Biologe und langjähriger mare-Autor, sattelte gerade um. Er ist Chefredakteur des Wettermagazins, das Ende Januar 2006 neu auf den Markt gekommen ist.
Günter Radtke, Grafiker und Mitbegründer der Illustrierten Stern, zeichnet und malt am liebsten, was Kamera und Augen verborgen bleibt. Zuletzt zeigte er uns in mare No. 43 das Innenleben einer Bohrinsel und die Erdöllagerstätten tief unter dem Meeresboden.
Vita | Helmut Broeg, gelernter Biologe und langjähriger mare-Autor, sattelte gerade um. Er ist Chefredakteur des Wettermagazins, das Ende Januar 2006 neu auf den Markt gekommen ist.
Günter Radtke, Grafiker und Mitbegründer der Illustrierten Stern, zeichnet und malt am liebsten, was Kamera und Augen verborgen bleibt. Zuletzt zeigte er uns in mare No. 43 das Innenleben einer Bohrinsel und die Erdöllagerstätten tief unter dem Meeresboden. |
---|---|
Person | Von Helmut Broeg und Günter Radtke |
Vita | Helmut Broeg, gelernter Biologe und langjähriger mare-Autor, sattelte gerade um. Er ist Chefredakteur des Wettermagazins, das Ende Januar 2006 neu auf den Markt gekommen ist.
Günter Radtke, Grafiker und Mitbegründer der Illustrierten Stern, zeichnet und malt am liebsten, was Kamera und Augen verborgen bleibt. Zuletzt zeigte er uns in mare No. 43 das Innenleben einer Bohrinsel und die Erdöllagerstätten tief unter dem Meeresboden. |
Person | Von Helmut Broeg und Günter Radtke |