In Westafrikas Häfen habe ich nie in der Nähe eines Bullauges geschlafen. Aus Furcht vor verirrten Kugeln. Besonders in Lagos, Nigerias Hauptstadt, gehörten Angriffe von Banditen beinahe zum Bordalltag. Vor Kurzem habe ich einen Brief wiedergefunden, den ich im Juli 1984 nach Hause schrieb. Er beginnt mit den Worten: „Es ist 2.00 Uhr. Soeben wurde wieder eine Attacke auf unser Schiff abgewehrt.“ Ich war früh schlafen gegangen an jenem Abend. Kurz nach Mitternacht wachte ich auf und las einen Krimi. Von Zeit zu Zeit sah ich aus den Bulleyes. Eine unheimliche Stimmung da draußen: die Pier hell beleuchtet, darauf einige Laster. Neben den Führerhäusern schliefen die Fahrer auf nacktem Beton.
Wir hatten die Gangway eingeholt, zwei Sicherheitsleute an Land und einen Mann auf Bordwache postiert. An Bord befand sich immer noch ein Teil unserer Ladung: Dosenmilch. Die Gangster kamen mit einem motorisierten Einbaum von der Wasserseite. Einem gelang es, die Bordwand zu entern, zwei saßen noch im Boot. Ein Polizeitrupp hatte sie aber entdeckt und Warnschüsse abgefeuert, worauf der Eindringling über Bord sprang und das Boot im Dunkeln verschwand. Schon vorher gab es einen Überfall, bei dem unser Wachmann ein Messer an seinen Rippen spürte. Auch dieses Mal waren die Angreifer überstürzt geflohen, als die Polizei aufkreuzte.
In unserer Messe kursierten blutige Storys: Von Überfällen mit Schnellbooten war die Rede, von getöteten Seeleuten, angeblich hatten Piraten einem Offizier sogar die Hand abgehackt. Wir hatten jedenfalls aufgehört, unsere Dosenmilch nachts löschen zu lassen, weil immer wieder etliche Paletten gestohlen wurden.
Auch tagsüber war Vorsicht geboten; uns fiel auf, dass mit den Arbeitern Leute in die Luken stiegen, die dort nichts zu suchen hatten. Die einheimischen Wächter erwiesen sich kaum als Hilfe. Sie ließen so ziemlich jeden passieren, der aufs Schiff wollte. Um Diebstähle im großen Stil zu verhindern, hatten wir die Arbeiter während des Löschens eingeschlossen und nur unter Bewachung herausgelassen. Als trotzdem Hunderte Dosen über Bord flogen und auf der Pier aufgefangen wurden, schlossen wir die Luken.
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Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.
Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Vita | Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.
Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten. |
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Person | Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt |
Vita | Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.
Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten. |
Person | Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt |