Peter Steffens, MS „Thoralbe“

Wer erzählt die besten Geschichten vom Meer? Menschen, die den Ozean erlebt haben.

Wer erzählt die besten Geschichten vom Meer? Menschen, die den Ozean erlebt haben. mare lässt auf dieser Seite pensionierte -Kapitäne zu Wort kommen. Sie beschreiben ein Ereignis, das ihnen wie kein anderes in Erinnerung geblieben ist. Kein Seemannsgarn, sondern Botschaften aus der Wirklichkeit der Seefahrt.

Der dritte Sturm in Folge hatte uns erwischt, mit zehn bis zwölf Beaufort aus West. Seit Stunden lagen wir beigedreht in der Biskaya. Unser Tanker „Thoralbe“ hatte Chemikalien für Barcelona geladen und lag richtig tief in der See; das Deck war fast ständig überspült. Sorgen machte ich mir trotzdem kaum, denn wir taten, was in diesem Wetter eben zu tun ist: Bug in den Wind, Kurs halten, fertig. Vor uns ritt ein anderes Schiff den Sturm ab; ich konnte in einiger Entfernung zwischen den Wellen die Masten sehen. Es war der 12. Februar 1970.

Um 7.18 Uhr dann der Hilferuf: S.O.S. – dänisches Motorschiff Renate S. – Position 46° 50' Nord, 06° 40' West. Offenbar das Schiff, das ich vorher beobachtet hatte. Ich meldete mich sofort über Funk, ließ die Deckbesatzung wecken, Bootsleitern über Bord hängen und sämtliche Rettungsringe klarmachen. Wir fuhren halbe Kraft voraus, mehr ging nicht; die Brecher trafen uns wie die Fäuste eines Boxers. Kurz vor acht gab der Däne durch, sie müssten das Schiff verlassen, es habe jetzt schon 50 Grad Schlagseite. Ich werde seine Worte nie vergessen: „Please, pick me up, Sir!“ Man konnte die Angst in seiner Stimme hören. So ruhig wie möglich antwortete ich: „Okay, wir gabeln euch gleich auf, keine Sorge!“ Dabei wusste ich eigentlich nicht, wie wir das bewerkstelligen sollten.

Wir konnten beobachten, wie die Dänen im Windschatten ihres Schiffes in ein aufblasbares Rettungsfloß stiegen und zunächst Schwierigkeiten hatten, sich loszumachen. Als es schließlich gelang, riss sie der Sturm sehr schnell fort. Ich versuchte nun, zwischen Havarist und Floß zu gelangen, aber der Sturm drückte uns in Richtung Wrack. Es wurde richtig brenzlig. Ruder hart Steuerbord! Obwohl das Floß dicht neben uns trieb, gelang es nicht, eine Leine hinüberzuwerfen. Ich drehte die „Thoralbe“ um 180 Grad, hatte die Schiffbrüchigen nun an Backbord im Windschatten, allerdings knapp 50 Meter achteraus. Ich entschied mich zu einem Rückwärtsmanöver – was mancher Kapitänskollege kritisieren mag, aber Erfolg hatte: Wir schafften es, eine Leine hinüberzuwerfen. Gleich der erste Schiffbrüchige kletterte so überhastet die Leiter hinauf, dass er abrutschte, die Schwimmweste verlor und fast ertrank. Die anderen banden sich also zunächst die zugeworfene Leine um den Oberkörper. Man muss sich vorstellen: Das Floß bewegte sich etwa acht Meter auf und ab und entfernte sich bis zu 15 Meter von der „Thoralbe“ weg. Eine Gefahr waren auch die Brecher, aber gegen neun Uhr hatten wir alle Seeleute an Bord. Ich muss sagen, dass ich mit solch einem schnellen Erfolg nicht gerechnet hatte. Niemand war verletzt. Nur der Maschinist schien einen Schock zu haben, denn er brachte keine zusammenhängenden Sätze mehr heraus.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 59. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 59

No. 59Dezember 2006 / Januar 2007

Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt

Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.

Mehr Informationen
Vita Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt
Vita Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt