Peter Fox, MS „Bernd Leonhardt“

Wer erzählt die besten Geschichten vom Meer? Menschen, die den Ozean erlebt haben.

Unser Frachter, eher gutes Muli als Rennpferd, fuhr mit zehn Knoten vor North Carolina entlang der Ostküste der USA, auf Höhe Cape Henry. Die See war in dieser Nacht des 24. Mai 1960 glatt wie die Oberfläche eines guten Drinks, und wir Matrosen lagen an Deck. Weil es warm war, durften wir an Deck übernachten, was mich freute, denn ich sah aus meiner Hängematte gerne in den Sternenhimmel.

Ich liebte Reisen wie diese. Wir hatten Erz in Puerto Ordaz am Orinoco geladen, Namen wie eine schöne Melodie. Seemann zu sein bedeutete damals, Abenteuer zu erleben: In Westafrika lebte ich mit Crewboys zusammen, Muskelmännern, die geschlagene Urwaldriesen verstauten; in Rio de Janeiro lagen wir Wochen an der Pier, mehr Mädchen als Crew an Bord – es war das Leben, das ich mir immer erträumt hatte und wofür ich auf dem Bau als Handlager schuftete, um mir die Schiffsjungenschule leisten zu können.

In Alfeld an der Leine war ich aufgewachsen, im Niemandsland von Niedersachsen. Alfeld an der Leine war, wie es klingt. Als uns ein Cousin besuchte, ein Matrose, braun gebrannt und mit Geld in der Tasche, dem alle Mädchen im Freibad hinterherschmachteten, stand mein Entschluss fest. Monate später lag ich als Schiffsjunge in einer Hängematte, sah in den Himmel und rauchte eine Zigarette.

Während ich Sterne zählte, war es auf der Brücke der „Bernd Leonhardt“ weniger romantisch. Um 23.35 Uhr war die „USS Saratoga“ in Sicht gekommen, ein Superträger, 324 Meter lang, 5100 Mann Besatzung, seinerzeit das größte Kriegsschiff der Welt. Unser Dritter Offizier, jung und unerfahren, und ein Matrose als Rudergänger schoben Wache. Der Flugzeugträger lief geradewegs auf uns zu und machte Anstalten, den Kurs zu ändern. In sicherem Abstand von fünf Seemeilen sollten wir ihn passieren. Weil er von backbord kam, war er ausweichpflichtig – wir hatten also Vorrang, auch vor dem Superträger.

An den Farben der Laternen konnte man auf unserer Brücke beobachten, wie das Kriegsschiff immer wieder den Kurs änderte. Erst leuchtete die rote Backbordlaterne, dann die grüne Steuerbordlaterne. Dann wieder Rot. Lief auf der Brücke der „USS Saratoga“ eine Party? Mehr als 20 Kurswechsel sollen gezählt worden sein. Der Abstand verringerte sich in Minuten dramatisch.


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mare No. 69

No. 69August / September 2008

Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt

Kapitän Peter Fox, geboren 1942 in Stettin, durchlief nach der Schiffsjungenschule in Bremervörde eine Karriere vom Moses bis zum Kapitän. Fox fuhr 39 Jahre zur See, davon 21 als Kapitän. Er lebt in Norderstedt bei Hamburg. Die Geschichten dieser mare-Kolumne sind in dem Buch Orkanfahrt gesammelt, das im Verlag Ankerherz erschienen und unter www.ankerherz.de zu beziehen ist.

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Vita Kapitän Peter Fox, geboren 1942 in Stettin, durchlief nach der Schiffsjungenschule in Bremervörde eine Karriere vom Moses bis zum Kapitän. Fox fuhr 39 Jahre zur See, davon 21 als Kapitän. Er lebt in Norderstedt bei Hamburg. Die Geschichten dieser mare-Kolumne sind in dem Buch Orkanfahrt gesammelt, das im Verlag Ankerherz erschienen und unter www.ankerherz.de zu beziehen ist.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt
Vita Kapitän Peter Fox, geboren 1942 in Stettin, durchlief nach der Schiffsjungenschule in Bremervörde eine Karriere vom Moses bis zum Kapitän. Fox fuhr 39 Jahre zur See, davon 21 als Kapitän. Er lebt in Norderstedt bei Hamburg. Die Geschichten dieser mare-Kolumne sind in dem Buch Orkanfahrt gesammelt, das im Verlag Ankerherz erschienen und unter www.ankerherz.de zu beziehen ist.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt