Pate gesucht

Entdecker gaben so vielen Küsten und Inseln neue Namen, dass sie­ ihnen bald ausgingen. Da fanden sie eine nahe liegende Lösung

Die Fahrt des Portugiesen Bartolomeo Diaz war wie ein Signal. 1488 hatte es ihn mit seinen beiden Karavellen um die Südspitze Afrikas verschlagen. Von da an trauten sich die Europäer auf die Meere und schwärmten mit ihren Schiffen aus, um den Rest der Welt zu erobern. Selbstgefällig nahmen sie neue Landstriche in Besitz und benannten sie nach ihrem Belieben. Ob Herrscher oder Königin, ob Geldgeber einer Expedition oder deren Kommandant, ja selbst Namen von Ehefrauen, Schiffsärzten, Steuermännern und Segelmachern bedecken heute den Globus. Und wenn all dieses Namensgut verprasst war, blieb noch eins: die Schiffe, mit denen die Entdecker unterwegs waren. Doch nicht nur übrig gebliebene und unbedeutende Orte wurden nach Schiffen benannt.

Mount Erebus

Einer ist sogar 3794 Meter hoch. Als sich James Clark Ross im Oktober 1839 zu seiner Fahrt in die Antarktis aufmachte, konnte er nicht ahnen, dass die Namen seiner Schiffe zu dem passen würden, was ihm begegnen sollte – „Erebus“ und „Terror“, das eine nach der Unterwelt in der griechischen Mythologie, das andere schlicht „Schrecken“ genannt. Dabei klang der Auftrag der britischen Admiralität harmlos: „Sie werden Richtung Süden fahren, um die Position des Magnetpols zu bestimmen und – wenn möglich – ihn zu erreichen, was, wie zu hoffen ist, zu den bemerkenswerten und glaubwürdigen Ergebnissen der Expedition zählen wird.“

Im Januar 1841 erreichten die Schiffe den Teil der antarktischen See, der heute als Rossmeer im Atlas steht. Am 28. Januar notierte der Arzt der „Erebus“, Dr. Hook, in sein Tagebuch: „Entlang der Küste blendend schöne Gipfel aus Schnee, die kurz vor Sonnenuntergang von Goldgelb bis Scharlachrot schillern. Dann eine Wolke aus Rauch und Flammen, die in einer makellosen Säule aus dem Vulkan aufsteigt, eine Seite pechschwarz, die andere die Farben der Sonne reflektierend. Dieser Anblick hat uns unsere Bedeutungslosigkeit vor Augen geführt.“

Ross nannte den Vulkan Mount Erebus. Als die Schiffe nach England zurückkehrten – vier Jahre und fünf Monate hatte die Expedition gedauert –, gelangten in ihren Frachträumen die ersten Bälge von Kaiserpinguinen nach Europa.

Sabrinaküste

Wenige Tage bevor Ross 1839 zu seiner Fahrt von England aufgebrochen war, hatte die „Eliza Scott“ die Themse wieder erreicht. Im Juli 1838 hatte ihr Kapitän, John Balleny, zusammen mit dem Kutter „Sabrina“ unter Thomas Freeman seine Reise in die Antarktis begonnen. Bei ihrem Auftrag für die Enderby-Reederei konnte keine Rede von nationalem Prestige sein. Zwei der Enderby-Brüder waren Gründungsmitglieder der Royal Geographical Society und waren deshalb daran interessiert, dass die von ihnen ausgestatteten Fahrten neues Land entdeckten.

Um die Reise zu finanzieren, sollte die kleine Expedition mit Robbenfellen heimkehren. Nachdem sie den Polarkreis überquert hatten, mussten die Schiffe mit den Wetter- und Klimabedingungen kämpfen, auf ihrem Vorstoß wurden sie immer wieder von Packeis aufgehalten.

Am 11. Februar 1839 entdeckten sie eine Inselgruppe, die später Balleny-Inseln genannt werden sollte. Als Freeman eine dieser Inseln betrat, war er der erste Mensch, der südlich des Polarkreises einen Fuß auf Land gesetzt hatte. Die Inseln sind so unwirtlich, dass bis zum Jahr 2001 lediglich 18 weitere Landungen registriert worden sind.

Der weitere Kurs führte die beiden Schiffe am Packeis entlang Richtung Westen. Das Land, das sie dabei sichteten, ist später auf Karten als Sabrinaküste verzeichnet worden. Die Besatzung der „Sabrina“ sollte diese Genugtuung nicht mehr erleben. Das letzte Lebenszeichen, das von ihnen gesehen wurde, war eine Seenotfackel. Am 24. März 1839 ging das Schiff in einem Sturm auf dem Eismeer unter. James Clark Ross konnte über Ballenys Rückkehr glücklich sein: Auf der Fahrt mit der „Erebus“ und der „Terror“ hatte er Kopien der Reiseroute und des Logbuchs der „Eliza Scott“ dabei.


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mare No. 48

No. 48Februar / März 2005

Von Dietmar Falk

Dietmar Falk, Jahrgang 1965, arbeitet als freier Redakteur und Autor in Berlin. Der Diplomgeograph arbeitet zurzeit an einem Buch, das Namen wie Magellanstraße, Beringmeer oder Port Elizabeth nachgeht und auf ihren historischen und anekdotischen Gehalt prüft.

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