Papageien an Bord

Der Papagei ist ein Seemann, so lehren es Piratengeschichten, Seefahrerromane und Logbücher großer Kapitäne. Wieso nur war der bunte Vogel so beliebt an Bord?

Einer der vornehmsten Papageien auf See hieß Jakob. 30 Jahre lang begleitete er einen Adligen auf seinen Forschungsreisen rund um den Globus. Da Adlige auch auf See ihren Stil pflegen und von ihren Bediensteten an jedem Breiten- und Längengrad dieser Welt die Einhaltung der häuslichen Rituale fordern, stellte der Diener des Forschungsreisenden jeden Morgen die gleiche überflüssige Frage: Wie möchten Sie heute Ihren Kaffee? Da die Antwort stets die gleiche war, antwortete schon seit Jahren nicht mehr der Adlige, sondern der Papagei an seiner Seite: „Viel Zucker, viel Kaffee, Herr Seifert!“ Im Gegensatz zu Alexander von Humboldt, der 1859 begraben wurde, hat man Jakob ausgestopft und ins Museum für Naturkunde in Berlin gebracht, wo er noch heute steht.

Das erste Zeugnis von den sprechenden Urwaldbewohnern legte ein 325 v. Chr. aus Indien heimgekehrter Namensvetter des deutschen Wissenschaftlers ab: Alexander der Große. Der Alexandersittich trägt bis heute den Namen des erfolgreichen Seefahrers. In deutscher Sprache wird der Papagei erst 1475 in Konrad von Megenbergs „Buch der Natur“ erwähnt. Der Naturforscher beschreibt einen grünen, sprechenden Vogel, der aus Indien kommt und sich mit dem Fuß kratzt „wie ein Mensch mit der Hand“. Anschließend zitiert er den Philosophen Aristoteles, der bemerkt haben will, dass der Papagei – ähnlich wie auch der Grieche selbst – nach Genuss von Wein gern „Jungfrauen anschaut“ und bei ihrem Anblick „gar lustig ist“.

Ausgestattet mit derartigen Vorschusslorbeeren, wurde der sprechende Vogel, sobald er in Europa auftauchte, schnell berühmt. Schon im Mittelalter residierte er in Schlossgärten und goldenen Käfigen, wurde in Öl auf Leinwände gepinselt, sprach in Gedichten und gehörte schon, als die ersten europäischen Entdeckerschiffe nach Südamerika segelten, ebenso zur exotischen Ausstattung eines gehobenen Haushalts wie schwarze Sklaven.

Die tropischen Tiere gehörten zu den begehrtesten Mitbringseln der Seefahrer. Äffchen und Schildkröten überquerten schon seit Jahrhunderten die Meere, um in Europa verkauft zu werden. Mit Beginn der Neuzeit gingen auch die Papageien an Bord. Da die Tiere schnell zutraulich wurden, die Seereisen gut vertrugen und zur Unterhaltung an Bord beitrugen, waren sie beliebte Passagiere. Viele Seeleute nutzten die Gelegenheit eines Landgangs, um Vögel zu kaufen und mit dem Erlös die schmale Heuer aufzubessern. Mit einem Papagei auf der Schulter hatte jeder noch so arme Matrose überall Kredit, und manch einer von ihnen, der zu viel getrunken und zu lange bei den Mädchen geblieben war und am Ende die Zeche nicht zahlen konnte, musste seinen Vogel als Pfand zurücklassen.

Drei Jahrhunderte florierte der Handel mit den gefiederten Freunden, sie wurden zur Ware. Im Londoner „Post Man“ annoncierte 1717 ein Großhändler „Sittiche mit roten Köpfen aus Guinea sowie mehrere junge sprechende Papageien“, darunter Sprachtalente, „die Englisch, Holländisch, Französisch und Spanisch sprechen und auf Befehl pfeifen“.

1792 schließlich betritt der Papagei Jako triefend vor Nässe und in Begleitung des Kapitäns und eines Sklaven die Theaterbühne. „Als … das Schiff brach und zertrümmerte, flog mein armer Jako auf ein Stück von der Kajüte … und rief: Bete, Georg! – Ja, dachte ich, beten hat auch seine Zeit, aber jetzt müssen wir schwimmen.“ Jako hat überlebt, doch schon im dritten Akt des „Papagoy“ lässt der Dramatiker August von Kotzebue Jako auf dem Markt feilbieten: „Papagei! Wer kauft? Wer kauft? … Er ist gebürtig von Santo Domingo, nicht älter als sieben Jahre, und kann noch hundert Jahre leben, er spricht deutsch, frisst Mandeln, lässt sich am Kopf kraulen und beißt kleine Kinder.“ – „Kann er reden?“ – „O ja, er plaudert vom Morgen bis zum Abend.“

Auch zur See fahrende Schriftsteller haben versucht, den Papageien an Bord das Sprechen beizubringen. Nikos Kavvadias erzählt in einem Gedicht vom schlechten Wetter, vom schlechten Schlaf und Kleidern, die nach Fischöl stinken, und wie während eines Sturmes im Chinesischen Meer die beiden Papageien sterben, denen die Seeleute so mühselig ein paar Wörter beigebracht hatten.

Immer wieder tauchen die sprechenden Vögel in Gedichten und Romanen über das Meer auf, und immer wieder sind sie die stillen Freunde der Seefahrer. Mit ihnen führen sie auf der Nachtwache ihre Gespräche, ihnen vertrauen sie ihre Geheimnisse an. Und wenn es an Land „die Spatzen von den Dächern pfeifen“, dann heißt es auf See: „Das hat doch der Papagei schon erzählt!“


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mare No. 104

No. 104Juni / Juli 2014

Von Hans W. Korfmann

Autor Hans W. Korfmann, Jahrgang 1956, lebt in Berlin, wo er auch die Kreuzberger Chronik herausgibt.

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Vita Autor Hans W. Korfmann, Jahrgang 1956, lebt in Berlin, wo er auch die Kreuzberger Chronik herausgibt.
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