Notizen einer Landratte, 46.

In dieser Folge verrät unser Kolumnist Maik Brandenburg die besten geheimen Tipps für den Umgang mit temporären Kreuzfahrtschiffsbewohnern, darunter auch die Vorzüge von Campari und Fähigkeiten teurer Armbanduhren

Kreuzfahrtsaison. Eigentlich eine schöne Zeit. Wären da nicht die drei unangenehmsten Menschen an Bord, die jede Reise verderben können. Unser Autor warnt vor ihnen und gibt wertvolle Tipps.

Kapitän: Auf hoher See und vor Gericht sind wir in Gottes Hand? Falsch, wir sind in der Hand dieses Bonsaidespoten, der sich nur für Gott hält und uns den besten Platz am Kapitänstisch wegnimmt. Dabei hat er sich bloß vom Steward hochgedient, wie man etwa beim „Traumschiff“-Kapitän sehen kann. Das will der feine Herr Kapitän aber heute nicht mehr wissen. Falls man ihn nämlich auf der Brücke anruft und um die Speisekarte bittet, legt er einfach auf. Oder er wirft Ihnen später beim Kapitänsdinner die illuminierte Torte ins Gesicht. Überhaupt empfiehlt es sich, den Kapitän nie zu reizen. Im schlimmsten Fall kann er uns in einem Boot aussetzen, mit nicht mehr als Brot und Wasser und nur einer Ersatzbatterie für den Gameboy. Ein Kapitän taugt vor allem, wenn er fotogen ist, insbesondere neben uns auf dem obligatorischen Bild. Weitere Eigenschaften sind ebenfalls unerlässlich: Er muss uns gut zuhören können, er muss spontan tief beeindruckt sein können von unserem Auto/unseren Kindern/unserem Haus. Er sollte auch unseren Namen sofort intus haben und ihn jederzeit und ohne Stocken aufsagen können, selbst bei einer morgendlichen Begegnung an der Bar zum Absacker. Auf keinen Fall darf er so eitel sein, unsere Ratschläge zu missachten. Redet er von Windstärken, sagen Sie ihm höflich, dass es längst „Beaufort“ heißen muss. Wenn er von „hinten am Heck“ spricht, weisen Sie ihn darauf hin, dass „achtern“ richtig ist. Ein echter Kapitän weiß das zu schätzen – er hat ja nur einen Bachelor in „Eventmanagement und Entertainment“.

Merke: Sei immer freundlich zum Kapitän, er hat die Macht. Doch solange er nicht weiß, dass Sie der einzig wahre nautische Experte an Bord sind, besteht keine Gefahr. Man weiß ja, was so ein Kapitän nach Feierabend tut: Er holt aus seinem Tresor einen Zettel heraus, auf dem steht: „backbord links, steuerbord rechts“. Sagen Sie ihm bloß nicht, dass er auch jetzt wieder irrt.

Passagiere: Passagiere sind der Lebenszweck eines Kreuzfahrtschiffs, ansonsten wäre es ein Frachter. Darum werden sie auch überall herzlich genommen, mit Kussmund sozusagen. An einigen ist dieser sogar aufgemalt. Dennoch sind Passagiere total überflüssig, jedenfalls aus Ihrer Sicht. Schließlich sind die anderen Gäste an Bord der Grund, warum Sie sich auf einem Kreuzfahrtschiff nicht wie auf der eigenen Yacht fühlen können. Wer hat die eigentlich alle eingeladen? Und erst recht diese ewig plappernde Dame mit der Teeniefrisur? Aber weil uns das Schicksal nun mal zusammenführte, machen Sie gute Miene zum bösen Wellenspiel. Beschweren Sie sich zum Ausgleich öfter beim Personal – über das Schiffsbrummen, über das ewige Geschaukel, über zu viel Wasser ringsum.

Merke: Es ist unhöflich, einer in der Nähe tanzenden Dame auf die Schleppe zu treten, nur weil sie das gleiche Abendkleid trägt. Es ist unhöflich, dem Herrn neben Ihnen Ihren Champagner aufs Jackett zu schütten, nur weil er von der Antarktis schwärmt (wo Sie noch nicht waren). Besser: Nehmen Sie den Campari, da geht der Fleck nicht raus.

Schiffsarzt: Ist auch an Bord ein Halbgott. Er hält sich für den wichtigsten Menschen an Bord, denn ohne ihn darf ein Schiff nicht ablegen, ohne Kapitän aber schon. Ein Schiffsarzt ist selten fest angestellt, sondern betreibt an Land eine eigene Praxis. Warum er sich in seinem Urlaub unbedingt auch noch einem Schiff andient, hat einen einfachen Grund: Er ist auf der Flucht vor Patienten. Er hat sich sozusagen einen Äskulapsus nach dem anderen geleistet. Vertrauen Sie also diesem Quacksalber nie! Falls er bei Ihnen eine leichte Seekrankheit diagnostiziert, bestehen Sie trotzdem auf eine Multi-Energie-Computertomografie, auf eine Magnetresonanztomografie, auf eine diagnostische Thermografie mittels Infrarotstrahlung sowie auf das Einfliegen eines Chefarzts und eines promovierten Schamanen. Sollte das nicht gewährleistet sein, verlangen Sie den Reisepreis zurück. Oder wenigstens die Übernahme Ihrer Bestattungskosten.

Merke: Das demokratische Grundrecht der freien Arztwahl wird an Bord mit Füßen getreten. Treten Sie aber nie zurück, ein Schiffsarzt ist ein harter Knochen. Tragen Sie stattdessen lieber eine noch teurere Uhr als er. Darüber ärgert sich der Halbgott in Weiß schwarz.

mare No. 124

No.124Oktober / November 2017

Von Maik Brandenburg

Maik Brandenburg, Jahrgang 1962, studierte Journalistik und arbeitet als freier Autor, u.a. für mare, Geo, Merian. Leidenschaftlicher Vater und Reportage-Fan. Er lebt mit seiner Familie auf der Insel Rügen.

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