Notizen einer Landratte, 41.

Heute erklärt unser Kolumnist Maik Brandenburg den kulturellen Zusammenhang zwischen Mensch und Knorpelfisch, sinniert über das Paarungsverhalten unter Einfluss von James Last und sieht eine innovative Nutzung von Volksmusik

Verhaltensforscher haben die Musikalität von Meeresbewohnern getestet. Dabei merkten sie, dass Haie richtig abgehen, sobald die Boxen aufgedreht werden. Die Erkenntnis gibt dem Begriff Klangwellen eine ganz neue Bedeutung. Auf der Hitliste Weißer Haie etwa steht, wenig überraschend, Death Metal ganz vorne. Death Metal macht Haie richtig wild. So was gelinge, so ein Forscher, sonst nur mit einer Mischung aus Fischabfällen, Blut und Knochen. Ein Vertreter der Gewerkschaft IG Metall äußerte sich begeistert: „Immer nur Würstchen und lauwarmer Kaffee bei unseren Streiks. Dabei würde so eine Haikost unsere Mitglieder viel angriffslustiger machen.“

Auch AC/DC locke die Fische aus ihren Verstecken. Zwei Haie bissen bei „Back in Black“ vor lauter Ekstase sogar in die Gitterstäbe eines Haikäfigs, dann „warfen sie die Köpfe hin und her“. Gott sei Dank ihre eigenen und nicht die der beobachtenden Wissenschaftler. Auch das überrascht kaum – zu einem echten AC/DC-Gig gehört eben ein zünftiges Headbanging. In Down Under wird nun ein Auftrittsverbot für die australischen Starkstromrocker diskutiert, jedenfalls über eines in Strandnähe.

Vom bloßen Äußeren auf den Musikgeschmack zu schließen wäre allerdings voreilig. Daraus abzuleiten, dass etwa die urgeschichtlich sehr alten Kopffüßer Klassik bevorzugen, während Zitterrochen auf Shakin’ Stevens stehen und Bartenwale auf ZZ Top, wäre falsch. Denn auch Justin Timberlake macht Haie heiß, ebenso die große alte Dame des Souls, Ella Fitzgerald. Nur bei Britney Spears rührt sich nichts. Offenbar vereint Mensch und Hai mehr als bislang angenommen. Wir teilen wohl nicht nur die gleichen sozialen Werte (Stichwort Haifischbecken), auch kulturell scheinen wir den Knorpelfischen näher als gedacht. Soul Brother Shark, warum nur ist da so viel Hass?

Ein erstaunliches Musikverständnis offenbarten gleichfalls Katzenhaie, die in mehreren deutschen Sea-Life-Aquarien getestet wurden. Im Sea-Life-Aquarium Timmendorfer Strand war es das Lied „You Can Leave Your Hat On“ – bekanntlich ein Hit Joe Cockers –, von dem sie angelockt würden. Mehr noch, es befalle sie zudem ein „unerklärlicher Bewegungsdrang“: Sie umkreisten einander und würden sich „rhythmisch bewegen“, ein Verhalten, das Cocker zeit seines Lebens nie gelang.

Einige Tiere zeigten schließlich sogar echtes Paarungsverhalten, sie verfolgten und bissen einander. Allerdings nicht bei den Liedern des singenden Klempners aus Sheffield, sondern zu den Tönen von James Last. Diese Entdeckung dürfte das angekratzte Image der Haie endgültig ruinieren.

Da werden auch die 50 Eier wenig bringen, die sie als Bezahlung für das anregende Konzert hinterließen. Dies scheint derzeit der gängige Ticketpreis unter Haien, denn auch nach dem akustischen Auftritt des Hip-Hop-Trios Salt-N-Pepa in einem weiteren Sea-Life-Aquarium mussten 50 Eier versteuert werden. Videos der tanzenden Haie sind allerdings nicht zu bekommen, die um ihre Tantiemen besorgte Gema akzeptiert keine Eier. Jedenfalls keine, die man nicht essen kann, so ein Vertreter des Musikverwerters.

Derzeit wird weiter unter Hochdruck geforscht, neue Hai-Fi-Boxen sollen feinere Töne ermöglichen. Denn wenn es in die eine Richtung funktioniert, mag es auch in die andere gehen. „Wenn man Haie mit Musik anlocken kann, sind sie vielleicht auch mit Musik zu vertreiben“, hofft ein Mitarbeiter der westaustralischen Fischereibehörde in Coronation Beach. Nach dem Reinfall mit AC/DC dürfte die bewährte Haiabwehr mittels Elektrizität nämlich verpönt sein.

Ihre Hoffnungen richten die Behörden vor allem an deutsche Volksmusik und Schlager, insbesondere an die sogenannten „Party­knaller“. „Es hat doch seinen Grund“, so ein Sprecher des Fischereiministeriums, „dass es vor Sylt oder Rügen noch nie, nie, nie Haialarm gab.“ Ein fest installiertes „Musikantenstadl“ am Strand dürfte das Meer weit­räumig leer fegen. Inwiefern andere Arten davon in Mitleidenschaft gezogen werden, muss natürlich geprüft werden. Vielleicht werde man auch nur Instrumentalversionen deutschen Liedguts zum Einsatz bringen, also ohne Texte. „Wir wollen die Tiere doch nur vertreiben“, so der Sprecher. „Töten wollen wir sie nicht.“

mare No. 119

No. 119Dezember 2016 / Januar 2017

Von Maik Brandenburg

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