Noch hundert Jahre Arbeit

Arne von Holdt, Sandbaggerer zwischen Südfall und Pellworm

Zwei Stunden vor Niedrigwasser. „Die Stelle ist gut“, sagt der Sandbaggerer im Sandwatt, zwei Seemeilen vor Pellworm. Noch einmal peilt er die Lage seines Schiffes, schaut nach Landmarken, Priggen und Bojen.

Arne von Holdt nickt den Kopf und gibt Bootsmann Hannes das Zeichen zum Ankern. „Ich nehm mal ’nen Probelöffel“, flachst Arne, öffnet die Tür des Ruderhauses, springt raus, geht die Ladeluke entlang und schwingt sich auf den abgewetzten Sitz des „Zeppelin“. Ein Knopfdruck, und der Hydraulikbagger springt an. Arne schwenkt den Greifarm über Bord und senkt ihn ins Meer. Im trüben, gischtigen Wasser greift er nach Sand und holt den ersten Hub empor. Arne kehrt den Baggerarm um 90 Grad und öffnet die Greifzähne über der Ladeluke. Grauer Matsch kleckert auf den Ladeboden, während die Möwen schreien und die Nordseewellen gegen die Bordwand der von Rostfarben bunt betupften „Berta“ klatschen.

„We sind richti! Jetz schall ick ers mol dree Stunnen baggern“, ruft er aus der Kabine. Atmet tief durch und legt los. Hub für Hub häuft sich sein Tageswerk an, 70 Kubikmeter Sand. Während Arnes Fracht unaufhörlich in die Ladeluke platscht, hört die Schaukelei der „Berta“ plötzlich auf.

Eine Stunde vor Niedrigwasser liegt die „Berta“ trocken auf dem Wattboden. Greifen, Heben, Fallenlassen, wieder und wieder. Zunächst scheint die Arbeit sisyphosgleich. Aber tatsächlich, nach drei Stunden ist die Luke voller Sand.

Das Baggern ist erledigt, die Arbeit noch lange nicht. „Jetzt brauch ich erst mal ’nen Kaffee“, sagt Arne und geht ins Ruderhaus. Er und Hannes müssen warten, wie immer, denn erst mit der nächsten Flut, wenn wieder genug Wasser unterm Kiel ist, kann er mit seiner vollbeladenen „Berta“ in den flachen Hafenpriel einfahren.

„Das ist das Schlimmste am Sandbaggern, dieses ewige Warten aufs Wasser“, stöhnt Arne. Zieht an einer Zigarette, runzelt die markante Stirn und guckt mit zusammengezogenen Augen über das Wasser – ins Nichts ? „Unglaublich, wie viel Stunden da zusammenkommen“, flucht er leeren Blickes zum Horizont, wo sich die Windräder unaufhörlich drehen und der Pellwormer Leuchtturm in den Abendhimmel blinkt.

Schon Arnes Vater Heinz ging raus in die Nordsee und baggerte Bausand bei Sturm oder Flaute. „Dat ward nie wat, haben die Pellwormer gesagt“, erinnert sich Arnes Mutter an Pionierzeiten. Doch die Skepsis erwies sich als falsch. Denn die Nachfrage nach dem Baustoff vor dem Seedeich war groß – nicht zuletzt wegen der vielen Kriegsflüchtlinge, die auf der Insel eine neue Bleibe suchten. Am Anfang fuhr Heinz noch mit einem Holzschiff raus. „Er hat sich trockenfallen lassen und mit einer Tide sieben Kubikmeter

Sand in den Laderaum geschaufelt. Mit einer Handschaufel, ganz allein“, erzählt sie aus den Anfangstagen der Sandbaggerei.

„Für den Kubikmeter bekamen wir acht Mark, das war viel Geld!“ Heute bekommt Arne 18 Mark. „Nicht die Welt“, meint er, und so verdient er als Kabelleger, Spüler und Transporteur von Hafer, Weizen, Medizinal-Schlick, Muttererde, Kies und Grobsand sein restliches Geld. Wenngleich es heute einen Kühlschrank, eine Kaffeemaschine, Hydraulik und Radio an Bord gibt, hat sich das Baggern an sich nicht verändert. Während Hannes in der engen Kajüte kutterfrische Schollen brät, sinniert Arne: „Zwar ist es im großen und ganzen immer dasselbe, doch ist es auch jedes Mal wieder etwas anderes.“ Schmunzelt spitzbübisch und fügt hinzu. „Eine Nuance zumindest. Mal ist gutes Wetter, mal schlechtes, mal ist was kaputt ...“


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mare No. 11

No. 11Dezember / Januar 1998

Von Dierk Jensen und Michael Kottmeier

Autor Dierk Jensen, geboren 1964, ist gelernter Landwirt und Historiker.

Fotograf Michael Kottmeier, geboren 1955, ist ausgebildeter Orgelbauer und Volkswirt. Beide gehören zum Fotografen- und Journalistenbüro agenda in Hamburg. In mare No.3 schrieb Jensen über die Reusenfischer im Greifswalder Bodden, Kottmeier fotografierte das Zuckerschiff von Husum

Drei Stunden braucht Arne von Holdt, bis seine „Berta“ voll Sand ist. Dann heißt es: Warten.

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Vita Autor Dierk Jensen, geboren 1964, ist gelernter Landwirt und Historiker.

Fotograf Michael Kottmeier, geboren 1955, ist ausgebildeter Orgelbauer und Volkswirt. Beide gehören zum Fotografen- und Journalistenbüro agenda in Hamburg. In mare No.3 schrieb Jensen über die Reusenfischer im Greifswalder Bodden, Kottmeier fotografierte das Zuckerschiff von Husum

Drei Stunden braucht Arne von Holdt, bis seine „Berta“ voll Sand ist. Dann heißt es: Warten.
Person Von Dierk Jensen und Michael Kottmeier
Vita Autor Dierk Jensen, geboren 1964, ist gelernter Landwirt und Historiker.

Fotograf Michael Kottmeier, geboren 1955, ist ausgebildeter Orgelbauer und Volkswirt. Beide gehören zum Fotografen- und Journalistenbüro agenda in Hamburg. In mare No.3 schrieb Jensen über die Reusenfischer im Greifswalder Bodden, Kottmeier fotografierte das Zuckerschiff von Husum

Drei Stunden braucht Arne von Holdt, bis seine „Berta“ voll Sand ist. Dann heißt es: Warten.
Person Von Dierk Jensen und Michael Kottmeier