Naturtalent

Wer im zähen Medium Wasser mühelos vorankommen will, braucht die Idealfigur und optimale Technik – eines Lachses zum Beispiel

Wenig habe ich so mühsam gelernt wie das Schwimmen. Es war schrecklich unlustbetont, ein hektisches Gestrampel über den Tiefen unseres Dorfteichs, die hämischen Blicke der Freischwimmer im Nacken. Dazu immer wieder Momente von Todesangst, wenn ich ins moorbraune Wasser atmete. Und zu alldem drückten mich die Aufmunterungen des Vaters, eines Leistungsschwimmers, noch tiefer ins Wasser: Ist doch gaaanz einfach, ruuuhig atmen! Etwas später, im Alter von zehn oder elf Jahren, begriff ich die Idee des Schwimmens. Und das kam so: In den Laichkrautstauden, die in der Strömung der Schmalen Aue schwangen, standen gut getarnt und fast bewegungslos Forellen. Die Art und Weise, wie sie das taten, war pure Magie. Wie konnten Fische in einer Strömung, der ich nur heftig fuchtelnd widerstehen konnte, auf der Stelle verharren? Und wenn man sich ihnen langsam, jeden Schattenwurf vermeidend, näherte, flitzten sie unfassbar schnell im letzten Moment gegen die Strömung davon. Schwimmen ist Leichtigkeit.

Mühelos schweben

45 Jahre später versuche ich, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Eine Ursache steckt im Fisch selbst: Die Forellen meiner Kindheit und die Mehrzahl aller anderen Knochenfische in Bach, Fluss, Teich, See und Meer brauchen – anders als ein schwimmender Mensch – keine Kraft zu verausgaben, um sich gegen die Erdanziehungskraft zu stemmen, das heißt im Wasser: gegen das Sinken. Ihr Luftsack – die Schwimmblase – ist stets so gefüllt, dass der Auftrieb den Fischleib quasi schwerelos im Wasser hält. Eine ungemein nützliche Entlastung, denn Bewegung kostet Kraft, besonders in einem Medium, das rund 1000 Mal dichter ist als Luft. Da schont der körpereigene Ballon die Energiebilanz. Und zwar an beiden Enden der Geschwindigkeitsskala: Alle verfügbare Kraft kann bei Bedarf in lebenswichtigen Sprints verausgabt werden; und Ausruhen ist ohne den Kräfte zehrenden Muskeleinsatz möglich. Das gilt für winzige, nur wenige Zentimeter lange Barsche, die in den Seeanemonenwiesen der großen Riffe herumwuseln, wie für die 200 Kilogramm schweren Tarpune, die bevorzugte Beute der Sportangler vor der Küste Floridas.

Das Auftriebsgas, überwiegend Sauerstoff, synthetisieren sich die Kiemenatmer aus dem Blut. Und auch für Kompression und Dekompression ist gesorgt: Fische, die rasant aus der Tiefe nach oben schießen, sorgen über einen Verbindungskanal zum Vorderdarm für Druckausgleich.

Schlagen, schlängeln, peitschen

Das Auftriebsaggregat erklärt etwas von der unerhörten Leichtigkeit des Fischseins, aber noch nicht den wundersamen Blitzstart der Forellen meiner Kindheit, die aus dem Stand auf eine Geschwindigkeit von mehr als 50 Kilometer pro Stunde beschleunigen können.

Die hohe Schlagfrequenz der Meerforelle von 15 Schwanzschlägen je Sekunde wird dabei unterstützt von einer Schlängelbewegung, die 60 Prozent des Vortriebs bewirkt. Also nicht nur die Schwanzflosse drückt sich gegen das Wasser ab, wie der Laie vermutet. Weit wirksamer ist das kraftvolle Sichwinden auf ganzer Körperlänge. Seeschlangen, Aale und Muränen zum Beispiel, die sich ohne oder fast ohne Flossenunterstützung durchs Leben schlängeln, verkörpern den Ganzkörperantrieb am deutlichsten.


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mare No. 38

No. 38Juni / Juli 2003

Von Claus-Peter Lieckfeld und Jochen Bertholdt

Claus-Peter Lieckfeld, geboren 1948, lebt als freier Autor am Ammersee. Für mare schrieb er zuletzt über die Vogelfluglinie der Ostsee.

Der in Rostock lebende Grafiker Jochen Bertholdt, Jahrgang 1936, zeichnete zuletzt in mare No. 34 die Wellenmessboje der US-Wetterbehörden.

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Vita Claus-Peter Lieckfeld, geboren 1948, lebt als freier Autor am Ammersee. Für mare schrieb er zuletzt über die Vogelfluglinie der Ostsee.

Der in Rostock lebende Grafiker Jochen Bertholdt, Jahrgang 1936, zeichnete zuletzt in mare No. 34 die Wellenmessboje der US-Wetterbehörden.
Person Von Claus-Peter Lieckfeld und Jochen Bertholdt
Vita Claus-Peter Lieckfeld, geboren 1948, lebt als freier Autor am Ammersee. Für mare schrieb er zuletzt über die Vogelfluglinie der Ostsee.

Der in Rostock lebende Grafiker Jochen Bertholdt, Jahrgang 1936, zeichnete zuletzt in mare No. 34 die Wellenmessboje der US-Wetterbehörden.
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