Nah am Wasser gebaut

Krebse aus der Sicht der Astrologen

Sternenbahnen

Wer zwischen dem 21./22. Juni und dem 22./23. Juli das Licht der Welt erblickt, der ist ein Krebs. Schon vor 2000 Jahren waren die Sommeranfangskinder für die Astrologen nicht anders als sie es heute sind: nah am Wasser gebaut, empfindsam, verletzlich und mit einem großen Bemutterungsinstinkt ausgestattet. Dass Krebse so sind, hat allerdings nichts mit den Sternenkonstellationen zu tun. Die Sterne am Himmel machen weder geneigt, noch zwingen sie. Sie wandern auf ihren Bahnen und kümmern sich keinen Deut um das, was auf Erden geschieht. Für die heutigen Astrologen jedenfalls haben die Planetenstellungen lediglich eine symbolische Bedeutung: Sie bilden ab, was oben ist, und Sternkundige schließen daraus, was unten sein sollte. Warum Krebse so sind, wie sie sind, weiß streng genommen niemand, aber wie sie sind, das wissen all diejenigen, deren astrologisches Können über das Niveau der Zuckerwürfelastrologie und Zeitungshoroskope hinaus weist.

Gemeinsamkeiten

Ein Zwölftel der Menschheit sind Krebse – sind also 500 Millionen Menschen annähernd gleich, eine Art gigantischer Psycho-Klon? Ja und nein, würden die psychologisch geschulten Astrologen unserer Tage antworten. Jeder Mensch ist genauso einmalig wie die Himmelskonstellationen am Tag seiner Geburt. Dennoch gibt es Merkmale, die er mit anderen Menschen gemeinsam hat. Was beispielsweise alle Krebse miteinander verbindet, das ist ihr reiches seelisches Innenleben, aus dem sie die bei ihnen so ausgeprägten Gefühle, Launen und Stimmungen schöpfen. Und jeder kann sie, sofern er seinen Blick entsprechend schärft, an ihrer Sensibilität und Verletzlichkeit erkennen, auch wenn die Art, wie Krebse sich beleidigt und verletzt zurückziehen, individuell sehr verschieden sein mag.

Krebs sein, Krebs werden

Doch die Eigenschaften, die gewöhnlich den Tierkreiszeichen zugeschrieben werden, interessieren die Könner unter den Astrologen herzlich wenig. Sie sind auch nicht der Meinung, dass wir bereits als Krebse, Fische oder Jungfrauen geboren werden. Wir sind lediglich als Krebse, Fische oder Jungfrauen gemeint – entwickeln müssen wir uns selbst, im Austausch und in Resonanz mit unserer Umwelt. So sind alle Krebse zwar für ähnliche und für sie typische Erfahrungen offen, was sie jedoch im konkreten Einzelfall erleben, steht nicht in den Sternen. Wer also einen Astrologen glücklich machen möchte, der sollte nicht fragen „Wer bin ich?“ oder „Wann soll ich mein Haus verkaufen?“, sondern „Wie kann ich der werden, als der ich gemeint bin?“

Innenleben

Eines ist klar: Wer sich mit Gefühlen nicht auskennt, kann nie ein guter Krebs werden. Zählt der Krebs doch zusammen mit Skorpion und Fische zu den so genannten Wasserzeichen, denen eines gemeinsam ist – sie leben in der schier endlosen Welt der Gefühle. Wichtige Entscheidungen fällen gute Krebse daher aus dem Bauch heraus, und wen sie mögen und lieben, darüber urteilt ihr ausgeprägter Instinkt.

Wer allerdings von ihnen logische Erklärungen für ihr Verhalten erwartet, wird schlechte Laune ernten, und wer es wagt, sie zu kränken (was bei ihrer Verletzlichkeit beinahe unvermeidbar ist), wird dafür mit wochenlangen Schuldgefühlen büßen müssen.

Doch eines brauchen wirklich gute Krebse ganz gewiss: etwas, um das sie sich kümmern, oder jemanden, für den sie sorgen können. Am Thema Fürsorge entscheidet sich der Krebse Schicksal. Der eine mag dies süß, der andere kindisch finden, doch wer noch nie einen gestandenen Mann um die Fünfzig mit einem Teddybären unterm Arm hat schlafen sehen, wird nie verstehen, was Krebse innerlich bewegt.

Vom Mond regiert

Jedes Tierkreiszeichen hat einen engen Bezug zu einem Himmelskörper, der ihm entspricht: Die Krebse werden vom Mond „regiert“. Der Erdtrabant, der mit seiner Schwerkraft die Gezeiten der Meere beeinflusst, ist in der Astrologie ein Symbol für die wogende Stimmungs- und Gefühlswelt der Krebse. La Luna macht launisch, und wenn Krebse ihre Launen haben, dann lässt man sie am besten in Ruhe. Gefühle ändern sich, wie das Meer, dessen Wogen mal sanft am Strand zur Ruhe kommen, dann wieder wild und aufgepeitscht an den Küsten zerschellen, und sie wechseln wie der Mond, dessen Zyklus die Krebse besonders verbunden sind. Und wer jemals ihre Artgenossen, die an den Küsten leben, zu Vollmond ihren Tanz mit dem Meer hat aufführen sehen, ahnt vielleicht, welche emotionale Kraft und seelische Wucht in den unter diesem Tierkreiszeichen Geborenen steckt.

Dichterseele und Über-Krebs

Die Besten unter den Krebsen vermögen es wie niemand sonst, die Welt mit ihrem Gefühlsreichtum zu beschenken. Einer ihrer ganz großen Vertreter lebte in Chile: der Dichter Pablo Neruda, der sein Leben lang eng dem Meer verbunden war. Gleich sechs Planeten hatten sich bei seiner Geburt im Zeichen Krebs versammelt, neben Sonne und Mond auch Merkur, Venus und Mars sowie Neptun, der Gott der Meere. So entwickelte sich Neruda zu einem gewaltigen Seelenmenschen, dessen Poesie die Menschen weit über seine Heimat hinaus emotional bewegte. Sein Haus in Isla Negra ist ein echtes Krebs-Refugium, dem Inneren eines Schiffes nachempfunden und voll gestopft mit allem, woran eine Krebs-Seele sich mit ihrer Sammelleidenschaft gefühlsmäßig zu binden vermag (siehe auch mare No. 12).

Riesige, Tränen vergießende Galionsfiguren mit üppigen Brüsten rührten Nerudas reiches Gefühlsleben ebenso wie aus winzigen Steinchen zusammengesetzte Mosaike mit Fischmotiven oder eine riesige Sammlung unterschiedlichster Muscheln aus aller Welt. Doch wirklich zu Hause war der Dichter dort, wo die wahre Heimat aller Krebse liegt: tief drin, im Innern der eigenen Seele. Also nah am Wasser, wo sonst?


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 27. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 27

No. 27August / September 2001

Von Markus Jehle und Heidi Kull

Markus Jehle, Jahrgang 1958, ist Chefredakteur der astrologischen Fachzeitschrift Meridian und Leiter des Astrologie-Zentrums Berlin. Mit Krebsen verbindet ihn eine besondere Liebe, hat er doch die Venus in diesem Zeichen stehen

Heidi Kull, Jahrgang 1965, studierte Visuelle Kommunikation an der Hdk in Berlin, wo sie als Filmemacherin und Zeichnerin lebt

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Vita Markus Jehle, Jahrgang 1958, ist Chefredakteur der astrologischen Fachzeitschrift Meridian und Leiter des Astrologie-Zentrums Berlin. Mit Krebsen verbindet ihn eine besondere Liebe, hat er doch die Venus in diesem Zeichen stehen

Heidi Kull, Jahrgang 1965, studierte Visuelle Kommunikation an der Hdk in Berlin, wo sie als Filmemacherin und Zeichnerin lebt
Person Von Markus Jehle und Heidi Kull
Vita Markus Jehle, Jahrgang 1958, ist Chefredakteur der astrologischen Fachzeitschrift Meridian und Leiter des Astrologie-Zentrums Berlin. Mit Krebsen verbindet ihn eine besondere Liebe, hat er doch die Venus in diesem Zeichen stehen

Heidi Kull, Jahrgang 1965, studierte Visuelle Kommunikation an der Hdk in Berlin, wo sie als Filmemacherin und Zeichnerin lebt
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