Meeresstrom

Wind, Wellen und Gezeiten sind stärker als alle Kraftwerke der Welt zusammen

Die Menschheit braucht Strom, zurzeit ungefähr 15 Billionen Kilowattstunden im Jahr. Da sie noch wächst, wird das bald nicht mehr reichen. Wissenschaftler haben für das Jahr 2050 hochgerechnet, dass eine Bevölkerung von zehn Milliarden Menschen etwa 30 Billionen Kilowattstunden verbrauchen wird. So weit also die Nachfrageseite.

Kein Problem eigentlich, das Energieangebot auf unserem Planeten ist üppig. Da wären zum Beispiel die Reserven der Ozeane. Nach einer Schätzung des „Marine Foresight Panel", einem Expertengremium, das die britische Regierung berät, würde es genügen, 0,1 Prozent der im Meer gespeicherten Energie in Elektrizität zu verwandeln, um den derzeitigen Weltbedarf gleich fünf Mal zu decken.

Über die mutigen Annahmen in dieser Rechnung werden sich die Gelehrten noch lange streiten. In einem Punkt aber sind sie sich einig: Die sieben Weltmeere sind gigantische Batterien, die immer wieder neu geladen werden. Die Sonne heizt die See, der Wind schiebt Wellen an, Ebbe und Flut setzen gigantische Wassermassen in Bewegung. Doch lassen sich diese Kräfte messen? Die Zahl der Briten ist wahrscheinlich pure Provokation. Was sie meinen: Es gibt genug Energie, warum holen wir sie uns nicht?

Weil wir es erst wieder lernen müssen. Vor tausend Jahren haben sich in Persien die ersten Windmühlen gedreht, und in Portugal und Spanien liefen 500 Jahre später Wassermühlen, deren Räder von Ebbe und Flut angetrieben wurden. Doch mit der Erfindung der Dampfmaschine gerieten die natürlichen Energieströme in Vergessenheit, es begann das Zeitalter der fossilen Brennstoffe. In kürzester Zeit wurde verheizt, was in Jahrmillionen entstanden ist. 64 Prozent des Strombedarfs werden heute aus Kohle, Öl und Gas gewonnen. Wie lange die Vorkommen noch reichen?

Düstere Prognosen gehen davon aus, dass die Ölquellen in 40 Jahren versiegen, Gas noch für 70 Jahre langt und Kohle für 240. Ein zweites Problem wiegt schwerer: Mit der Verfeuerung von fossilen Brennstoffen werden jedes Jahr weltweit 23 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre geblasen, wo sie den Treibhauseffekt weiter verstärken. Nach den jüngsten Berechnungen der Klimaforscher werden die Temperaturen in diesem Jahrhundert um weitere 1,4 bis 5,8 Grad ansteigen.

Die möglichen Folgen für das Treibhaus Erde: eine Zunahme extremer Witterungsverhältnisse und ein Anstieg der Meeresspiegel um bis zu 88 Zentimeter. Für Küstenländer wie Bangladesch und Inselstaaten wie Kiribati bedeutet das: Land unter.

Die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas muss also zurückgefahren werden. Aber wie ? Die Atomkraft ist auch keine Alternative. Sie produziert außer Strom - 17 Prozent des Weltbedarfs - giftigen Müll und Betriebsstörungen nebst unkalkulierbaren Restrisiken. Sie ist technisch wie politisch ein Auslaufmodell und taucht in manchen Zukunftsszenarien ab 2040 gar nicht mehr auf.

Bleiben die erneuerbaren Energien. Das Wuppertal Institut für Klima, Energie und Umwelt zum Beispiel geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 mehr als zwei Drittel der Elektrizität mit Hilfe von Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme und Biomasse erzeugt werden.

Eine schwierige Vorgabe: Die alternativen Energien haben zwar einen Anteil von knapp 19 Prozent an der globalen Stromversorgung. Doch den größten Beitrag liefern dabei konventionelle Talsperren- und Laufwasserkraftwerke. Die Technik ist bewährt, aber mit erheblichen Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden und deshalb kaum ausbaufähig.

Also müssen Wind, Sonne & Co. Die Lücke auf der Angebotsseite schließen - Stromlieferanten, die heute gerade einmal 0,7 Prozent der weltweiten Versorgung bestreiten. Allerdings ist in den Berechnungen der Energieforscher eine Reserve noch gar nicht angezapft - das Meer. Können uns die großen Ressourcen der Ozeane vor der Energiekrise bewahren?


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mare No. 25

No. 25April / Mai 2001

Von Olaf Kanter und Günter Radtke

Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist mare-Redakteur für Politik und Wirtschaft. Zuletzt schrieb er in Heft 24 über Irrtümer der Admirale im Seekrieg.

Günter Radtke, geboren 1920, ist Presse-Illustrator und lebt in Uetze bei Hannover. Zuletzt hat er in mare No.18 das Unterwasser-Panorama Venedigs gezeichnet.

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Vita Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist mare-Redakteur für Politik und Wirtschaft. Zuletzt schrieb er in Heft 24 über Irrtümer der Admirale im Seekrieg.

Günter Radtke, geboren 1920, ist Presse-Illustrator und lebt in Uetze bei Hannover. Zuletzt hat er in mare No.18 das Unterwasser-Panorama Venedigs gezeichnet.
Person Von Olaf Kanter und Günter Radtke
Vita Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist mare-Redakteur für Politik und Wirtschaft. Zuletzt schrieb er in Heft 24 über Irrtümer der Admirale im Seekrieg.

Günter Radtke, geboren 1920, ist Presse-Illustrator und lebt in Uetze bei Hannover. Zuletzt hat er in mare No.18 das Unterwasser-Panorama Venedigs gezeichnet.
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