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Empfehlungen aus Literatur, Musik, Film und Kulturleben

Rettet unsere Seelen 
Wohin mit der Trauer, wenn einer für immer auf See bleibt? Im Jugendprogramm der Berlinale suchten zwei Filme die Antwort darauf

Das niederländische Wort für Meeresleuchten ist „Zeevonk“. Ein Fischer hat seiner zwölfjährigen Tochter Lena im gleichnamigem Film davon erzählt, hat ihr die Geheimnisse der Nordsee verraten, mit der furchtlosen Seglerin Siege gefeiert und kommt eines Tages nicht mehr vom Fangzug zurück. Es wird gemunkelt, seine Fehleinschätzung der Wetterlage habe ihn und die Besatzung das Leben gekostet. Lena will davon nichts wissen, sucht den Grund für das Unglück in der Tiefe des Meers, sie glaubt an einen Zusammenstoß mit einem Monster und begibt sich auf Kollisionskurs mit dem Rest der Welt. Regisseur Domien Huyghe hat selbst seinen Vater jung verloren. Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass tonnenschwere Dramen dann ebenso wenig helfen wie märchenhafte Realitätsverdrehung. Ihm ist der perfekte Mittelweg gelungen mit seinem Film, in dem Darstellerin Saar Rogiers die Heldin Lena so eigensinnig und anrührend spielt, dass man ihr einfach folgen muss.

Auch „Sica“, Protagonistin des Films, der ihren Namen trägt, kämpft mit der Wahrheit. An der galicischen Costa da Morte wird fieberhaft nach der Leiche ihres Vaters gesucht, auch, weil ohne sie die Versicherung den Hinterbliebenen vermisster Fischer nichts zahlt. Der sturm­umtoste Küstenstreifen gehört zu den gefährlichsten der Welt. Regisseurin Carla Subirana hat dort mit Laien gedreht und der übermächtigen Natur eine beeindruckende zweite Hauptrolle geschaffen. Martina Wimmer

73. Internationale Filmfestspiele Berlin, 16. bis 26. Februar 2023, www.berlinale.de


Nah am Strand
Von François Truffaut empfohlen: Coney Island aus Kindersicht

Eine der schönsten Zeitreisen der Filmgeschichte schmückte die Retrospektive in Berlin. 1953 schickten das US-amerikanische Fotografenpaar Ruth Orkin und Morris Engel zusammen mit Film­regisseur Ray Ashley ihren Protagonisten Joey auf einen Abenteuertrip nach Coney Island. Joey ist auf der Flucht, er glaubt, seinen Bruder erschossen zu haben (was ihm dieser nur vorgegaukelt hat), schnappt sich das Geld, das die alleinerziehende, abwesende Mutter den beiden dagelassen hat, und zieht los in das menschenpralle Leben der Vergnügungsmeile, um zwischen Zuckerwatte und Ponyreiten sehr selbstbewusst das Überleben zu proben. 

Fotograf Morris Engel erfand seinerzeit eigens eine kleine 35-mm-Handkamera, die er Laiendarsteller Richie Andrusco umband. So entstand nicht nur eine zarte Geschichte über das Heranwachsen, sondern eine authentische Dokumentation New Yorker Strand- und Freizeitfreuden, gezeigt aus kindlicher Augenhöhe, ohne die es, so François Truffaut, die Filme der Nouvelle Vague nicht gegeben hätte. Martina Wimmer

Ray Ashley, Morris Engel, Ruth Orkin: „Little Fugitive“, mit Richie Andrusco, Richard Brewster, USA, 1953, 75 Minuten 

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 157. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 157

mare No. 157April / Mai 2023

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