Kula Kula
Ein Brettspiel für Liebhaber des Pazifiks und seiner Geheimnisse
Die Salomonen im Pazifik. Für den Reiseschriftsteller Paul Theroux ist die Inselgruppe „klapprig, arm, beängstigend, unglaublich dreckig“. Und Jack London überlegte sich schon vor über 100 Jahren: „Wenn ich König wäre, dann wäre die schlimmste Strafe, die ich meinen Feinden angedeihen ließe, die Verbannung auf die Salomonen.“ Keine Rede also von einem romantischen Inselparadies.
Doch um all die Kritiker Lügen zu strafen, hat der Spielehersteller Blatz mit seinem Spiel „Kula Kula – wer entdeckt das Geheimnis der Salomonen?“ beim Wettbewerb Spiel des Jahres ausgerechnet den Sonderpreis Schönes Spiel gewonnen.
Mindestens so groß wie die dichterische ist schließlich die spielerische Freiheit. Und so sitzen wir beim Kula Kula um ein Spielbrett herum, das dem miesmachenden Jack London zum Trotz nur aus blaugrünen Lagunen, filigranen Korallen, wogenden Palmen und runden Bambushütten besteht. Eine leichte Pazifikbrise trägt uns auf hölzernen Kanus („das Orakel weist den Weg“) von Insel zu Insel, wo wir Kula betreiben: Muscheln gegen Muscheln tauschen bis zum Sieg – oder zur Niederlage. Schöne, echte Kaurischnecken bilden hier das Muschelspielgeld, wobei zu hoffen ist, daß sie vom Strand aufgelesen wurden und die seltene Art nicht aus dem Meer geholt wurde.
Glück und Pech wird nicht vom Würfel vorgegeben, sondern von Orakelkarten, mit denen wir die Geschwindigkeit unserer Kanus erhöhen oder auch festgehalten werden können – ein Risiko, das wir taktisch eingehen oder die Finger davon lassen.
Die Spielregeln sind glücklicherweise so übersichtlich, daß sich die versammelte Runde nicht den ganzen Abend mit dem Verständnis und der Interpretation derselben aufhalten muß, was bei den Produkten dieser Branche keineswegs selbstverständlich ist. „Kula Kula“ ist nichts für ausgefuchste Strategen und Taktiker, eher etwas für Genießer, die Wert auf Ästhetik beim Gesellschaftsspiel legen.
Wie viele Spiele, in denen es um Meere, Schatzkisten, Piraten und ähnliches geht, ist auch dieses für träumerische Naturen phantasieanregend. Wobei „Kula Kula“ sehr reale Bezüge hat. All die im Kreis angeordneten Inseln auf dem Spielbrett nämlich können wir auf einem – besseren – Atlas wirklich entdecken: Woodlark, Alcester, Vakuta, Kiriwina und wie sie alle heißen
Und auf ihnen fand, so lesen wir beim Völkerkundler Richard Thurnwald, tatsächlich etwas statt, was die Bewohner damals „Kula“ nannten. Darunter verstanden sie einen rituell-spielerischen Tausch, wenn auch nicht wie im Spiel Muscheln gegen Muscheln, sondern Armreifen gegen Halsbänder. Die Halsbänder wanderten dabei im Uhrzeigersinn, die Armreifen in der Gegenrichtung durch den perlenkettengleich und kreisrund gelegenen Archipel.
Nur: die genannten Inseln, auf denen einst der wahre Kula-Tausch betrieben wurde, befinden sich gar nicht in den Salomonen, einem unabhängigen Staat Melanesiens. Sie bilden vielmehr den Archipel der zu Papua-Neuguinea gehörenden Trobriands. Das größte Geheimnis des Spieles „Kula Kula“ ist also: Warum macht Blatz aus dem Spiel um die Geheimnisse der Trobriands eines um die der Salomonen?
Wie kaum ein anderer Archipel boten die Salomonen seit jeher Stoff für Geheimnisumwittertes. Schon die Namengebung nach dem ersten Besuch durch Europäer war aufs engste verbunden mit der Suche nach dem legendären Lande Ophir, aus dem der biblische König Salomon sein Gold bezogen haben sollte. Und nachdem Alvaro de Menda˜na 1568 die Inseln entdeckt hatte, blieben sie für lange Zeit verschwunden. Viele Pazifiksegler suchten, keiner fand sie, bis 1788. Während dieser 220 Jahre wurden sie zu den „sagenhaften Salomonen“. Und noch heute regieren dort böse Geister, derentwegen ganze Dörfer aufgegeben und andernorts wieder aufgebaut werden.
So sei der Kunstgriff dem Spieleautor gestattet, denn wie hölzern würde sich sonst der Untertitel anhören: „Wer entdeckt das Geheimnis der Trobriands?“ Ulli Kulke
„Kula Kula – wer entdeckt das Geheimnis der Salomonen?“ Ein Abenteuerspiel von Reinhold Wittig für drei bis fünf Spieler ab acht Jahren, Spieldauer: circa 30 Minuten, Preis: 55 Mark, Hersteller: Blatz Spiele
Barocke Festmusik als maritimes Hörvergnügen
Wolfgang Helbich und das Barockorchester Bremen legen erstmals Telemanns Admiralitätsmusik von 1723 auf Tonträger vor
Die Hamburger Admiralität feierte 1723 ihr hundertjähriges Bestehen. Das stolze Patrizier-Gremium war innerhalb der bürgerlichen Selbstverwaltung der Stadtrepublik für das gesamte zivile Seewesen zuständig:
Das vierzehnköpfige Kollegium hatte die reibungslose Abwicklung des Seehandels einschließlich der Rechtsprechung im Innern zu gewährleisten, Begleitkonvois der Handelsflotte gegen Piraten und Kaperer auszurüsten und Rechtsschutz und Hilfe in Not geratener Kaufleute im Ausland zu stellen. Wie all die bürgerstolzen Institutionen der Hansestadt beging auch die Admiralität ihr Stiftungsfest mit einem ausgedehnten Jubelmahl.
Es begann am 6. April im geschmückten Festsaal des Hauses am Niederbaum und währte bis in die frühen Morgenstunden des folgenden Tages. Mit der musikalischen Ausgestaltung des Fests wurde, wie es sich von selbst verstand, der hochangesehene Georg Philipp Telemann beauftragt. Der berühmte Virtuose und Komponist aus Magdeburg war 1721 als Musikdirektor nach Hamburg berufen worden. In unglaublicher Schaffenskraft versorgte er nicht nur die fünf Hauptkirchen sonn- und feiertags jahrein jahraus mit neuen Kantaten und Oratorien, sondern schuf daneben auch noch für Bürger- und Schulfeste, Hochzeiten, Abdankungen, Amtseinsetzungen, Einweihungen und politische Anlässe die passenden, meist mehrstündigen Festmusiken.
Als Tafelmusik komponierte er eine Ouvertüren-Suite, die in neun lautmalerischen Tanzsätzen Figuren aus der Meeresmythologie vorführte. Sie erfreute sich später so großer Beliebtheit, daß sie unter dem Namen „Hamburger Ebb’ und Fluth“ bis heute immer wieder in Konzerten auftaucht. Eine über hundert Minuten lange Festkantate für sechs Solisten, Chor und Orchester wurde dagegen im Anschluß an das Mahl konzertant aufgeführt.
Diese „Abendmusik“, später rasch vergessen, kam beim Publikum so gut an, daß man sie auf schwimmenden Booten als Wassermusik auf der Elbe mehrfach nachspielte, um hohe Gäste in die Stadt zu geleiten. Die Festmusik samt der Ouvertüren-Suite ist nun in einer Live-Aufnahme des Barockorchesters Bremen und des Alsfelder Vokalensembles unter der Leitung von Wolfgang Helbich erstmals auf CD eingespielt worden.
Die Aufzeichnung dürfte im instrumentalen Bereich nicht zu übertreffen sein: Lebendiges, anschauliches Musizieren, die für Telemann so zentrale Tonmalerei mit überschäumender Spielfreude bildhaft umgesetzt, optimale Präzision und der bewußt mit der Musik am Hofe des Sonnenkönigs konkurrierende Bläserglanz lassen keine Wünsche offen.
Leichte Einschränkungen erleidet der Glücksfall dieser Einspielung durch das Solistensextett. Es bleibt zwar nur an wenigen exponierten Stellen ein geringes an vokalem Schönklang schuldig, mit der Rhetorik der barocken Pathos-Formeln weiß es jedoch nicht immer so unverkrampft umzugehen, wie es das kluge Libretto des Hamburger Schulmannes Michael Richey verdiente. In antiker Gestalt treten sie einer nach dem andern an, die Götter, die über Hamburgs Wohl und Wehe wachen: die Stadtgöttin und der Gott des Handels und der Börse, die Göttin der Rechtsprechung, der Gott kriegerischer Wehrhaftigkeit, die Götter der Elbe und der Nordsee samt ihrem zahlreichen Gefolge aus Najaden und Tritonen, sie alle bringen der Admiralität in einer überaus abwechslungsreichen Folge von Arien, Rezitativen und Ensembles ihre Huldigungen und Glückwünsche dar. Telemann hat sich durch die allegorische Darstellung der Behörde und ihrer Aufgaben zu einer Fülle von ingeniösen, teils grotesken Klangeffekten anregen lassen, die die Aufnahme zu einem Hörvergnügen allerersten Ranges machen. Boris Kehrmann
Georg Philipp Telemann – Hamburger Admiralitätsmusik von 1723, Ouvertüre „Hamburger Ebb’ und Fluth“ Mike van der Sluis, Graham Pushee, Rufus Müller, Klaus Mertens, David Thomas, Michael Schopper, Alsfelder Vokalensemble, Barockorchester Bremen, Leitung: Wolfgang Helbich, 2 CDs zum Preis von DM 59,95, Bestellnummer: cpo 999 373-2, zu beziehen über: jpc-Schallplatten, Telefon: (0180) 525 17 17, Fax: (05401) 85 12 33
Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 1. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.
| Vita | mare-Kulturredaktion |
|---|---|
| Person | mare-Kulturredaktion |
| Vita | mare-Kulturredaktion |
| Person | mare-Kulturredaktion |