Schiffbruch
Schlechte Lotsen haben den Bremer Vulkan auf Grund getrieben – eine Geschichte des Werften-Imperiums
Der 22. August 1997 wird den Hanseaten noch lange in Erinnerung bleiben. An diesem Tag verläßt die „Hansa Constitution“, ein 200 Meter langer Containerfrachter mit der Baunummer 1111, das Ausrüstungspier des Bremer Vulkans. Zu feiern gibt es diesmal jedoch nichts: Es ist der letzte Carrier, der in der Stammwerft des ehemals größten deutschen Schiffbauers zusammengeschweißt wird. Der weltweit gelobte Frachter vom Typ BV 2700 C, vom Konkursverwalter Jobst Wellensiek als Beschäftigungsobjekt für die noch verbliebenen Vulkan-Mitarbeiter akquiriert und mit einer Landesbürgschaft fertiggebaut, wird mit einem Millionen-Rabatt an eine Hamburger Gesellschaft losgeschlagen. Für eine Umstrukturierung der Werft bleibt keine Mark übrig. Nach über 200 Jahren geht damit der ruhmreiche Handelsschiffbau in der Hansestadt zu Ende.
An den Docks der Unterweser entstanden herausragende Schiffe wie der Atlantik-Luxusliner „Berlin“ oder der kombinierte Fracht- und Passagierdampfer
„St. Louis“, 1929 eines der größten Schiffe seiner Klasse. Wirtschaftsjournalist Wolfgang Kiesel, der die wechselvolle Geschichte der Werft zum Konzern nachzeichnet, listet gleich reihenweise die Highlights Vegesacker Ingenieurskunst auf: Das Segelschulschiff „Deutschland“ gehört ebenso dazu wie der erfolgreiche Serienfrachter „German Liberty“ oder der Kreuzliner „Europa“, der die Firma 1981 an den Rand der Pleite führte.
Den ersten Aufschwung erlebte der Vulkan vor dem I. Weltkrieg, als er mit mehr als 2800 Mitarbeitern an die erste Stelle der deutschen Werften rückte. Den von Fusions- und Expansionsplänen bestimmten 20er Jahren folgte nach Hitlers Machtergreifung die Umstellung auf „graue Schiffe“. Vegesack wurde zum Zentrum des U-Boot-Baus. In den 60er Jahren sorgten fette Auslandsaufträge für Massengutschiffe für einen Boom, bevor dann die lange Talfahrt des Schiffbaus einsetzte. Im Frühjahr 1996 meldete die Bremer Vulkan Verbund AG Konkurs an.
Noch immer kämpfen Staatsanwaltschaft und ein Untersuchungsausschuß der Bremer Bürgerschaft mit der Aufarbeitung der Firmenpleite, die mehr als die Hälfte der rund 25000 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz kostete. Dem ehemaligen Vulkan-Chef Friedrich Hennemann und sieben Managern des Konzerns droht eine Anklage wegen Veruntreuung von 850 Millionen Mark staatlicher Subventionen, die von der Treuhand für die ostdeutschen Vulkan-Töchter bestimmt waren, aber in den notleidenden West-Betrieben verschwanden. Ob die Ermittlungen wirklich Licht ins Dunkel der unternehmerischen und politischen Verflechtungen bringen werden, darf jedoch bezweifelt werden. Hennemann selbst, dem der Abgang noch mit zwei Millionen Mark vergoldet wurde, sieht sich bis heute als Opfer eines Bankenkomplotts.
Autor Kiesel wirft auch einen Blick zurück in das für den Bremer Vulkan wohl wichtigste Jahr 1987: Im Sog der norddeutschen Werftenkrise stand der Mittelstandsbetrieb wieder mal vor dem Aus. Die Umstrukturierung begann: Mit kühnen Kapitalerhöhungen und Unterstützung des Landes Bremen setzte der Verbund auf Expansion. Unter der Ägide des einstigen Bremer Senatsdirektors Hennemann avancierte der Konzern zur zweitgrößten Werftengruppe Europas – ein verschachteltes, aber ertragsschwaches Konglomerat aus über 100 Firmen und Beteiligungen mit sechs Milliarden Jahresumsatz.
Es war die Zeit der Visionäre. Wie Edzard Reuter, der Mercedes-Benz zu einem gigantischen Technologiekonzern aufblies, wollte Hennemann die Werft zu einem maritimen Konzern aufpumpen. Fast blind vertrauten Banken und Politiker den Hirngespinsten des Managers vom neuen ozeanischen Jahrhundert. Zuerst erwarb Vulkan die Marinetechnik des Daimler-Konzerns, dann von Krupp die STN Atlas Elektronik sowie die Maschinenbauunternehmen Dörries Scharmann und Schiess. Die Gewinne aus Elektronik und Rüstung sollten die Defizite im Schiffbau wettmachen. Doch statt dessen hagelte es Verluste. Das Kernproblem blieb ungelöst: Der Vulkan lag mit seinen Preisen im Schnitt 30 Prozent über denen der Konkurrenten aus Japan und Südkorea, die drei Viertel des Weltmarkts beherrschen.
Das Buch bietet den am Schiffbau interessierten Lesern eine leicht verdauliche Mischung aus der technischen Entwicklung des Schiffbaus sowie den ökonomischen und politischen Hintergründen, die sich zu einer imposanten Chronik der Traditionswerft zusammenfügen. Viel Bilder und Geschichten rund um den brodelnden Vulkan liefern genügend Stoff auch für diejenigen, die gerne mit Wehmut auf die Glanzzeiten deutscher Industriegeschichte zurückblicken. Erwin Single
Wolfgang Kiesel, „Bremer Vulkan: Aufstieg und Fall – 200 Jahre Schiffbaugeschichte“. KSZB-Verlag, Bremen 1997, 159 Seiten mit vielen Fotos, 39,80 Mark.
Koch-Vergnügen
Rezepte, die gelingen, und viel Information rund um Essbares aus dem Meer – ein Buch für Leute, die alles immer genau wissen wollen
Was ist das? Ist hübsch zugedeckt mit einer weichen weißen Soße. Schmiegt sich an die Dampfkartoffel. Duftet zart nach Fisch und Kräutern. Kostet vielleicht achtunddreißig Mark. Genau. Es ist ein Fischgericht in einem wichtigen Restaurant. Wer sich mit diesen Informationen zufriedengibt, dem wünschen wir weiterhin guten Appetit und ein langes Leben in Unschuld. Wem das reicht, der braucht kein Fischkochbuch. Und dieses schon gar nicht. Denn „Fische und Meeresfrüchte“ von Erika Carparek-Türkkan (erschienen in der Edition Sigloch, unverbindlicher Preis 78 Mark) ist ein Buch für jene Nervensägen, die immer alles ganz genau wissen wollen.
Wir sprechen von jenen Zeitgenossen, die am Gründonnerstag im ersten Fischgeschäft am Platze aufscheinen und den Händler in ein langes Gespräch über die Herkunft der feilgebotenen Meeräschen verwickeln, obwohl zwei Dutzend normale Fischkäufer („Ein Pfund von dem Dicken da, bitte“) hinter ihm von einem Fuß auf den anderen trippeln. Dabei hat er recht, der Doofmann, und ist ein aufgeklärter Kunde. All seine Fragen sind berechtigt. Denn Meeräschen (das steht im Buch) nehmen leider den Geschmack des sie umgebenden Wassers an. Wenn sie aus der trüben Brühe in der Nähe von Küstenstädten oder Flußmündungen stammen, schmecken Äschen Asche. Und wenn der Händler vergißt, die dicken festen Schuppen professionell zu entfernen, kommt der Supergau schon in der Einbauküche. Wenn jedoch der Fisch auf ein beschwingtes Leben in sauberen Meeren zurückblicken kann und er vom Fachmann vorbereitet wurde, dann ist er ein Knaller auf dem Teller.
Kabeljau kaufen kann der Dümmste. Aber wer weiß schon, wie ein Red Snapper aussehen muß, um unser Vertrauen wirklich zu verdienen? Und warum heißt der Bursche so? Weil er „blaff“ macht, wenn er in die karibische Kräuterbrühe geworfen wird, in der er zu einem unvergleichlichen Leckerbissen herangart.
„Loup de mer“ kennt jeder, der eine Kreditkartennummer besitzt. Schließlich ist der Loup seit Jahren Szenefisch. Das sind doch die kleinen weißen Brocken in der samtigen Morchelsoße, sauteuer, schweinegut und völlig ohne Gräten. Aber wo sind die Gräten geblieben? Hatte er etwa keine? Und wäre es in schlechten Zeiten, wie den heutigen, nicht opportun, wenn man so einen Loup auch mal selbst zu Hause zubereiten würde? Die Autorin des Fischkochbuchs wiegt sprachlich ihr Haupt. Die eigentliche Zubereitung sei ein Kinderspiel, die einzige Knorpelgräte in der Fischmitte ist leicht entfernt. Beim Seewolf, wie der Loup auf deutsch heißt, liegt die Tücke im ästhetischen Bereich. Mit seinen Raubtierzähnen, dem Bollerkopf und den stechenden Augen gilt er als eines der abstoßendsten Tiere auf Erden. Die Redaktion mare empfiehlt unverdrossenen Hobby-Köchen, die Kinder rauszuschicken und den Kopf beim Filetieren mit einem Tuch abzudecken. Erika Carparek-Türkkan favorisiert dagegen die sanfte Methode: Fisch gleich fertig in Scheiben geschnitten kaufen.
Überhaupt hat dieses Buch wohl mehr einen praktischen als einen künstlerischen Anspruch. Die zahlreichen Fotos in dem großen schweren Band sind nicht Geniestreiche engagierter Foodstylisten. Sie sind eher Abbildungen und als solche sehr informativ. Auf den Rezeptseiten grüßt oben links der Fisch als Tier, so wie er aus dem Wasser kommt. Egal, ob Meeresfisch, Flußfisch, Süßwasserfisch oder Krustentier, ein kleiner Text beschreibt den jeweiligen Lebensraum und widmet sich den biologischen Besonderheiten, erwähnt aber auch die eventuelle Bedeutung in Dichtung und Mythologie und erklärt die verschiedenen Möglichkeiten der Zubereitung. Dann folgt immer ein sehr ordentliches Rezept, das jedermann in einer Küchenzeile zubereiten kann. Auf der gegenüberliegenden Seite glänzt das fertige Gericht, so wie es zu Tisch gebracht werden soll. Ein opulenter Bildungsteil nimmt fast ein Viertel des Buches ein. Da bleibt keine Frage offen. Fanggründe und -methoden, Küchentechnik und gesunde Ernährung, die Geschichte des Fischfangs, die Würdigung der Ursprungsgewässer, Hinweise zur Ökologie – alles drin.
Und sogar die klassische Kinderfrage: „Mama, wo leben eigentlich Fischstäbchen?“ bleibt nicht länger im Raume stehen. Seit die Bestände des Seelachses in Nordatlantik und Nordsee durch Überfischung geschwunden sind, lebt das Fischstäbchen jetzt im Nordpazifik. Es ist der Alaska-Pollak. Billy Starfish
Erika Carparek-Türkkan, „Fische und Meeresfrüchte“, Edition Sigloch, Künzelsau 1997, 78 Mark
Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 7. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.
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