Am gefährlichsten Arbeitsplatz der Welt
Der Magnum-Fotograf Jean Gaumy begleitet französische Hochseefischer auf ihren Fahrten in die Biskaya
Nass, kalt, dunkel. So sieht der Alltag der Hochseefischer aus. Romantische Seefahrt, heroischer Kampf des Menschen gegen die Gewalten der Natur? Fehlanzeige. Es gibt nur wenige Arbeitsplätze auf der Welt, die gefährlicher sind als das Deck eines Trawlers im Sturm. Aber wer liest schon Unfallstatistiken? Und die Fischer sind allein da draußen, niemand schaut ihnen zu bei ihrem Job – bis auf Jean Gaumy, 53 Jahre alt und Fotograf der legendären Agentur Magnum.
Wenn ich mir seine Fotos ansehe, läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Ich erinnere mich an eigene Törns in der Biskaya und die Boote der Fischer, die sich durch den aufgewühlten Atlantik kämpften. In meinen Erinnerungen ist alles schwarzweiß und finster, genau wie die Fotos, die Gaumy von seinen Reisen mitgebracht hat.
Die Bilder fügen sich zu dem authentischen Tagebuch einer Arbeit, die sich Landmenschen nicht vorstellen können: Das Meer ist aufgepeitscht, Regen fegt quer durchs Bild, das Schiff liegt immer schief zum Horizont. Gestalten, dick in Ölzeug verpackt, behalten irgendwie das Gleichgewicht, zerren an dicken Trossen, sortieren Fisch in große Plastikcontainer.
Jean Gaumys Porträts zeigen, wie anstrengend die Arbeit ist. Die Gesichter der Fischer sind Momentaufnahmen der Müdigkeit. Zusammengekniffene Augen, Mundwinkel, in denen aufgeweichte Zigaretten klemmen. Und keine einzige eitle Pose dabei – dafür hat keiner an Bord noch Energie.
Wer klassische Schwarzweißfotografie schätzt und wer wissen möchte, wie es auf dem Meer zugeht, während wir warm und trocken am Schreibtisch sitzen, der findet in diesem Fotoband eine ehrliche Antwort. Und Bilder, die bewegen. Nikolaus Gelpke
Jean Gaumy: „Auf hoher See. Hochseefischerei an Bord der legendären Trawler“, Knesebeck Verlag, München, 2002, 276 Seiten mit 180 Abbildungen in Duoton, 49,90 Euro
Wienke lebt!
Im aktuellen Schimmelreiter entkommt die Tochter der Flut
Hat man sich erst einmal damit abgefunden, dass Hauke Haien in der Sturmnacht mit einem Jeep unterwegs war, wirkt die moderne Szenerie dieses Romans gar nicht so befremdlich. Denn wenn das Meer sich zur Springflut türmt, dann bricht der Deich wie bei Theodor Storm, Jeep hin, Walkie-Talkies her.
Andrea Paluch und Robert Habeck haben die Resistenz der alten Sage getestet, mit dem Ergebnis, dass sie absolut bruchfest ist. Nun hüten sich die jungen Autoren vor einer platten Modernisierung des Schimmelreiters. Bei ihnen setzt die Erzählung 15 Jahre nach dem Unglück ein, und ihr Augenmerk liegt auf Wienke, der Tochter des Deichgrafen, und seiner Frau Elke. In der Sturmnacht war Wienke vier, sie wurde gerettet, weil Elke das Kind dem Knecht Iven in den Arm legte, bevor sie in ihrem Auto dem Mann hinterherjagte.
Nun ist Wienke zurück und 19 Jahre alt. Widerwillig bringt Iven, der sein Leben als Rausschmeißer auf der Reeperbahn fristet, Wienke zurück an den Ort des Geschehens. Dort treffen sie die üblichen Verdächtigen: Ole Peters, der sich den Besitz des toten Deichgrafen unter den Nagel gerissen hat, den Lehrer Tede Haien und einen Chronisten namens Pappe.
Mit Ivens Rückkehr kommt Bewegung ins System, bald verwickeln sich die Protagonisten in Widersprüche. Dabei reagieren alle Beteiligten mit jener mürrischen Reserve, die den Friesen so gut steht. Die Autoren sind hier mit einer Sprache eingestiegen, die der Sprödheit ihres Sujets in nichts nachsteht. Gut für alle, die schon immer wissen wollten, was in norddeutschen Dickschädeln vorgeht. Tanya Lieske
Andrea Paluch und Robert Habeck: „Hauke Haiens Tod“, Roman, S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 2001, 256 Seiten, 18,90 Euro
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