Männerpension

Nirgends ist Deutschland britischer als hier. In Hamburgs Society- Clubs wird die Clubkultur Londons auf die Spitze getrieben. Und wie dort werden hier die Geschicke der Stadt bewegt

Hamburg live. Leben in der Großstadt. Clubs sind angesagt. Beach-Clubs, Fitness-Clubs, Health-Clubs. Ein Business-Club wurde im Heinepark gegründet, in Hamburg gibt es 14 Rotary-Clubs, sieben Lions-Clubs. Ham­burg wird gern mit London verglichen. London ist die Stadt der Clubs. Gentlemen’s Clubs erleben an der Themse gerade eine Renaissance. Ihre Vielfalt ist historisch gewachsen und beeindruckend. Im Travellers Club in London treffen sich Briten mit Auslandserfahrung (früher konnten sie noch eine „Grand Tour“ vorweisen; heute genügen vier Auslandsreisen). Im Caledonian Club kann jedes Mitglied vier schottische Großeltern vorweisen, so etwas hat Hamburg nicht zu bieten.

Schon die Suche nach Gentlemen ist in Hamburg nicht ganz einfach. Es heißt, dass sie sich bei Ladage & Oelke unter den Alsterarkaden ihre Anzüge schneidern lassen. Aber was zeichnet sie wirklich aus? Männlichkeit, vollkommene Manieren? Reicht das? Ein Gentleman ist, so sah es der US-Kritiker Lewis Mumford, „entschieden in allen Handlungen, stoisch im Leiden, selbstbeherrscht, rücksichtsvoll und von humanistischer Erziehung“. Kardinal Newman, längst seliggesprochener Moralapostel des viktorianischen Englands, setzte Maßstäbe: „Ein Gentleman ist ein Mann, der niemandem Schmerz zufügt, der sich auch in unbedeutenden Momenten gut benimmt, und der kein Aufhebens von den Ge­fälligkeiten macht, die er anderen erweist.“

Nun, solche Leute gibt es einige in Hamburg, sonst wäre das Phänomen der 1250 wohltätigen Stiftungen (in denen nicht nur Gentlemen, sondern auch sehr engagierte Damen ihren Beitrag leisten) kaum zu erklären. Zu den Maßstäben, mit denen in Hamburg gemessen wird, gehören ganz vorn: Anstand, Verlässlichkeit, Vertragstreue. Handschlag genügt. „Wir verkaufen selbst unsere Großmutter. Aber wir liefern sie auch“, geht so ein Hamburger Schnack, aber Gentlemen tun so etwas natürlich nicht.

Was tun Gentlemen wirklich? Im Grunde nichts. Der geborene Gentleman unterzieht sich nicht den Mühen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Im Club findet er sein zweites Zuhause. Die Herren sind unter sich, rauchen, trinken, essen, bleiben auch mal über Nacht und lassen keine Wette aus.

Es gibt kein besseres Leitbild für diese Gattung des britischen Lebemanns als Lord William Arden, 2nd Baron Alvanley, der einst im vornehmen White’s Club an der St. James Street in London 3000 Pfund darauf setzte, dass ein von ihm ausgewählter Regentropfen, der an der Fensterscheibe herunterlief, als erster den Fensterrahmen erreichen würde. White’s Club ist ein traditioneller Treffpunkt der Tories, David Cameron ist Mitglied, und Prince Charles feierte dort 1981 seinen Abschied vom Junggesellendasein.

Solche Clubs findet man in Hamburg nicht. Anders als London war Hamburg nie Hauptstadt eines Weltreichs, aber es wurde durch die Welt reich. Deshalb lebten Handelsherren und Merchant Banker wie Könige in ihren Villen in Harvestehude oder am Hochufer der Elbe, eine selbstbewusste, kreuz und quer verschwägerte, vermögende Gesellschaft mit feinen Antennen und Ritualen, die klären, wer dazugehört und wer nicht.

An der Tür steht „Members only“. Der Anglo-German Club ist ein britischer Gentlemen’s Club auf Hamburger Grund, Chesterfield-Möbel, schwere Teppiche, Stress und Hektik sind an der Garderobe abzugeben. Im Kamin flackert ein Feuer hinter Glas. Der ideale Ort, bei einem Portwein in Ruhe die „Financial Times“ zu lesen. Claus-Günther Budelmann, 71, Vorsitzender des Anglo-German Club zu Hamburg, nippt an seinem Tee, Earl Grey. Queen Elizabeth II. hat ihn mit dem Orden Honorary Officer of the Most Excellent Order of the British Empire, kurz OBE, ausgezeichnet. Budelmann war bis Ende 2014 britischer Honorarkonsul in Hamburg.

Der Ehrenbrite ist aus dem öffentlichen Leben der Hansestadt nicht wegzudenken. Budelmann, jahrzehntelang persönlich haftender Gesellschafter und heute Kommanditist der Berenberg Bank, hat den Ruf eines nie ermüdenden Spendensammlers. Der Förderer unendlich vieler Stiftungen und des Hamburger Theater Festivals ist eine Instanz im anglophilen Hamburg. „Was mir an Engländern gefällt, ist dieses ‚Don’t take yourself too serious!‘“, sagt er. „Je bedeutender sie sind, desto weniger nehmen sie sich wichtig. Das ist in Deutschland genau umgekehrt.“

Hamburg und London verbindet ein Handelsweg von 428 Nautischen Meilen ohne Zollschranken (zumindest bis zum Vollzug des Brexit) und eine gemeinsame Geschichte. Schon vor 500 Jahren unterhielten Hamburger Kaufleute eine Handelsniederlassung an der Themse mit eigenem Kran. Die englische Kaufmannsgilde Merchant Adventurers durfte 1611 als erste nicht lutherische Glaubensgemeinschaft in Hamburg Gottesdienste nach eigenem Ritus abhalten, was Katholiken erst 200 Jahre später erlaubt wurde. Der Brite William Lindley baute in  Hamburg das erste moderne Sielnetz auf  dem Kontinent, sein Landsmann George  Gilbert Scott Hamburgs erstes neugotisches Gotteshaus, die Nikolaikirche, von 1874 bis 1876 immerhin das höchste Gebäude der Welt.


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mare No. 118

No. 118Oktober / November 2016

Von Emanuel Eckardt und Jan Windszus

Autor Emanuel Eckardt, 1942 in Hamburg geboren, ist vor Jahrzehnten aus dem ADAC ausgetreten und seither in keinem Club Mitglied. Im Verlauf seiner Recherchen in Hamburger Clubs wich seine kritische Distanz bald neugieriger Anteilnahme. Vor allem in Zeiten des Brexit ist in seinen Augen der Anglo-German Club als britische Insel auf deutschem Boden unentbehrlich. <
Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf in Berlin, war beeindruckt von der Fotografiesammlung bekannter Persönlichkeiten im Anglo-German Club. Die meisten der schwarz-weißen Originale sind im ersten Stock an der Bar in einer Petersburger Hängung zu sehen. Ein Ort der Diskretion, umgeben von den Porträts der einflussreichsten Macher aus Politik und Kultur.

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Vita Autor Emanuel Eckardt, 1942 in Hamburg geboren, ist vor Jahrzehnten aus dem ADAC ausgetreten und seither in keinem Club Mitglied. Im Verlauf seiner Recherchen in Hamburger Clubs wich seine kritische Distanz bald neugieriger Anteilnahme. Vor allem in Zeiten des Brexit ist in seinen Augen der Anglo-German Club als britische Insel auf deutschem Boden unentbehrlich. <
Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf in Berlin, war beeindruckt von der Fotografiesammlung bekannter Persönlichkeiten im Anglo-German Club. Die meisten der schwarz-weißen Originale sind im ersten Stock an der Bar in einer Petersburger Hängung zu sehen. Ein Ort der Diskretion, umgeben von den Porträts der einflussreichsten Macher aus Politik und Kultur.
Person Von Emanuel Eckardt und Jan Windszus
Vita Autor Emanuel Eckardt, 1942 in Hamburg geboren, ist vor Jahrzehnten aus dem ADAC ausgetreten und seither in keinem Club Mitglied. Im Verlauf seiner Recherchen in Hamburger Clubs wich seine kritische Distanz bald neugieriger Anteilnahme. Vor allem in Zeiten des Brexit ist in seinen Augen der Anglo-German Club als britische Insel auf deutschem Boden unentbehrlich. <
Jan Windszus, Jahrgang 1976, Fotograf in Berlin, war beeindruckt von der Fotografiesammlung bekannter Persönlichkeiten im Anglo-German Club. Die meisten der schwarz-weißen Originale sind im ersten Stock an der Bar in einer Petersburger Hängung zu sehen. Ein Ort der Diskretion, umgeben von den Porträts der einflussreichsten Macher aus Politik und Kultur.
Person Von Emanuel Eckardt und Jan Windszus