Mach ma was mit Fischi

Das Fischgeschäft von Frank Tamaschke ist berühmt in Hamburg. Und das nicht nur in Fußballerkreisen

Der Himmel ist noch dunkel, die Straßen von Harvestehude, einem der nobleren Stadtteile Hamburgs, sind noch leer. Es ist kurz vor vier Uhr morgens. Doch das Schaufenster von „Fische Schmidt“ ist schon hell erleuchtet. Frank Tamaschke arbeitet seit einer Stunde und bereitet den Tresen seines Ladens vor, aus den Boxen schallt Musik. Wenn ab sieben Uhr die ersten Kunden kommen, müssen die feinen Salate und Saucen fertig sein, die Fischfrikadellen gebraten, das Sushi gerollt und natürlich die Ware geholt. Kurz nach vier Uhr steigt Tamaschke dann in seinen Lieferwagen und fährt in den Hafen, am Heiligengeistfeld vorbei zu den Landungsbrücken bis in die Große Elbstraße.

Tamaschke parkt seinen Lieferwagen vor dem Fischgroßhandel Schumann. „Moin, Frank!“, tönt es von überall. Man kennt sich. „Frank ist wie mein Bruder“, sagt einer. Schon als kleiner Junge begleitete er oft seinen Vater, der jeden Morgen zum Fischmarkt fuhr, und lief mit ihm durch die Hallen, in denen die Händler eilig Kisten hin und her trugen: Steinbutt, Seeteufel, Weißer Heilbutt, Makrele, Tintenfisch auf Eis. Er zeigt den Gang hinunter: „Da hinten war früher jeden Morgen Auktion.“

Aber diese Zeiten sind längst vorbei, heute kommt der Fisch per Luftfracht und Lkw, nicht mehr per Kutter. „Früher hat man morgens noch einen Schnaps zusammen getrunken“, scherzt ein Händler. Auf dem Rückweg, 500 Kilogramm Fisch im Lieferwagen, sagt Tamaschke über die familiäre Stimmung am Fischmarkt: „Wir sind alle ein Teil voneinander.“
Vielleicht ist es das, was diesen entspannten Typ ausmacht: das Bewusstsein dafür, dass alles und alle zusammenhängen und man vieles verwandeln kann, solange man sich treu bleibt. Sein Spitzname „Fischi“ etwa, der auf seinem T-Shirt prangt, begleitet ihn sein ganzes Leben, auch wenn seine Mutter es früher hasste, dass die Kinder in der Schule ihn so nannten, weil die Eltern ein Fischgeschäft in Hamburg-Eimsbüttel hatten. Heute nennt er sich selbst so. Auf seinem Lieferwagen steht „#machmawasmitfischi“.

Seine Ausbildung absolvierte er in dem Fischunternehmen Nordsee, später stieg er bei den Eltern ein. 2008 übernahm er den Laden seiner Mutter in Harvestehude, den er komplett sanierte. Er ließ die abgehängte Decke herausreißen, erneuerte den Tresen. Heute steht man in einem fünf Meter hohen Altbauraum vor einem mit Eis gefüllten Tresen mit selbst gemachten Feinkostsalaten, Krabben, Kaviar, Lachstatar, Räucherware und appetitlich glänzendem Frischfisch. „Ich wollte, dass die Leute reinkommen und nicht wissen, was sie zuerst kaufen sollen“, sagt er.

Auf den rechten Oberarm hat er sich einen Anker tätowieren lassen, einen Totenkopf, den Satz „You’ll never walk alone“ und das Wappen des FC St. Pauli, seinem Lieblingsfußballclub. Auf den linken: den Ausblick von der Lieblingshütte seines Vaters auf ein Südtiroler Bergmassiv, dessen Geburtsdaten und den Satz „Alles Getrennte findet sich wieder“.

Der Tod des Vaters habe ein großes Loch gerissen, sagt er. Er erlebte nicht mehr, dass sein Sohn diesen Laden übernahm. Auch nicht, dass Olaf Scholz gern Sushi bei ihm bestellt oder was dort schon für Feste gefeiert wurden. Nach einem St.-Pauli-Spiel lernte Tamaschke den damaligen Trainer Holger Stanislawski kennen und lud ihn zum Essen in den Keller unter seinem Laden ein. Neben einer Küche und dem Lagerraum findet sich dort Fischis „Kathedrale“: ein Aufenthaltsraum, der mit Fußballtrikots und -schals tapeziert ist. Seitdem kamen viele St.-Pauli-Spieler zu Besuch. Auch andere Fußballgrößen, Uli Hoeneß, Rudi Völler und Karl-Heinz Rummenigge, waren schon da. „Die kennen jede Sterneküche“, sagt Tamaschke und grinst. Aber bei Fischi im Keller Jakobsmuscheln, Weißen Heilbutt und Scampi in Chiliöl, das bekommen sie nicht alle Tage.

All das erzählt er, während er in seiner Küche die Fischfrikadellen brät und in Windeseile Fische filetiert, während sein Sushikoch die feinen Happen rollt und seine anderen Mitarbeiter das Lachstatar zubereiten und nach oben flitzen, wenn die Ladenglocke läutet. Der Tag hat längst begonnen. Um zwölf Uhr hat Fischi Feierabend. Wie verabschiedet man sich von ihm? Am besten so, wie er es tut, bei Kunden und Händlern, die er seit Jahren kennt: „Tschüs, mein Lieber!“


Jakobsmuscheln mit Kürbismus


Zutaten (für vier Personen)
4 Jakobsmuscheln, 1 Schalotte,
1 kleiner Hokkaidokürbis, 1 Karotte,
180 ml Gemüsefond, 1 Prise Chiliflocken, 40 ml Wermut, kleine Schale Sahnemeerrettich, Mehl, 70 g Butter, Salz, Pfeffer, brauner Zucker.

Zubereitung
Gehackte Schalotte in Butter und Zucker anschwitzen, gewürfelten Kürbis und Karotte dazugeben. Mit Wermut ablöschen und reduzieren. Chiliflocken hinzugeben. Mit Fond weichkochen, dann pürieren, auf Teller mit Meerettich garnieren. Muscheln salzen, pfeffern mit Mehl bestäuben und in Butter beidseitig braten.

Fische Schmidt
Eppendorfer Baum 18, 20249 Hamburg.
Tel. 040/476208, Mo bis Fr 7 bis 19,
Sa 7 bis 14 Uhr, www.fisch-hamburg.com

mare No. 144

mare No. 144Februar / März 2021

Von Andrea Walter und Jan Windszus

Andrea Walter wurde 1976 in Hamburg geboren. Beim Aufnahmetest für die Henri-Nannen-Schule schrieb sie ein Porträt über Aale-Dieter, den bekanntesten Händler vom Hamburger Fischmarkt. Später reiste sie als Reporterin auf die norwegischen Lofoten, ins spanische Galizien und dutzende Male nach Island.

Jan Windszus, geboren 1976, studierte Fotografie an der HAWK Hildesheim, an der er heute selbst unterrichtet. Seit 2005 lebt und arbeitet Windszus als freier Fotograf in Berlin, er veröffentlicht Porträts und Reportagen in zahlreichen Magazinen und Publikationen.

Mehr Informationen
Vita Andrea Walter wurde 1976 in Hamburg geboren. Beim Aufnahmetest für die Henri-Nannen-Schule schrieb sie ein Porträt über Aale-Dieter, den bekanntesten Händler vom Hamburger Fischmarkt. Später reiste sie als Reporterin auf die norwegischen Lofoten, ins spanische Galizien und dutzende Male nach Island.

Jan Windszus, geboren 1976, studierte Fotografie an der HAWK Hildesheim, an der er heute selbst unterrichtet. Seit 2005 lebt und arbeitet Windszus als freier Fotograf in Berlin, er veröffentlicht Porträts und Reportagen in zahlreichen Magazinen und Publikationen.
Person Von Andrea Walter und Jan Windszus
Vita Andrea Walter wurde 1976 in Hamburg geboren. Beim Aufnahmetest für die Henri-Nannen-Schule schrieb sie ein Porträt über Aale-Dieter, den bekanntesten Händler vom Hamburger Fischmarkt. Später reiste sie als Reporterin auf die norwegischen Lofoten, ins spanische Galizien und dutzende Male nach Island.

Jan Windszus, geboren 1976, studierte Fotografie an der HAWK Hildesheim, an der er heute selbst unterrichtet. Seit 2005 lebt und arbeitet Windszus als freier Fotograf in Berlin, er veröffentlicht Porträts und Reportagen in zahlreichen Magazinen und Publikationen.
Person Von Andrea Walter und Jan Windszus