Lofoten

Selbst im Winter, selbst bei Nacht – die bezaubernde Schönheit und (unerwartete) Farbigkeit von Norwegens Lofoten, einge­fangen im neuen mare-Bildband

Im Januar kommt die Sonne um elf hervor, schafft es kaum den Himmel hoch, sie kriecht über den Horizont, wo sie sich hinter den Bergen ermattet fallen lässt, um zwei Uhr ist ihr Tagwerk getan. Dann heulen die Dorfhunde, heulen sie unter einem Himmel, der lavendel ist. Der Winter auf den Lofoten heißt fargetid, Farbenzeit. Die Tage liegen im blauen Dämmer, im intensiven arktischen Blauton, der sich über die Landschaft legt. Und nachts gibt es das helle Mondlicht und den Sternenhimmel. Und die Polarlichter, die am Himmel verwehen in Grün, Violett und Pink. Und den Glutschimmer der Sonne am Horizont, der jeden Morgen stärker, heller erscheint. Eis ist ­Kälte, Leben ist Wärme, aber wo man zusammenrückt, damit das Eis nicht siegt, wird das Leben schnell eng. Die kleinen ­Dörfer. Die langen Nächte. Die Einsamkeit. 

Aber dann die Sommer. Und die Gräser, die sich bewegen, wenn der Wind darüberweht. Und die hellen Tage, an denen sich mittags die Wolken zusammenballen und den Himmel abschließen, und darunter staut sich die heiße Luft wie in einem Dampfkessel. Und alles wartet darauf, dass sich die Spannung löst und die ersten großen Tropfen fallen, groß wie Glasmurmeln, und auf den Felsen zerplatzen, zu dunklen Stellen, die auf den noch warmen Steinen verblassen und verdampfen. An einem Tag im Juli oder August, an der Kippe zwischen Ende und Neuanfang, duftet die Luft nach Erde und nassem Laub, schon nach Herbst. Die Farben leuchten bunter, sobald das Sommerlicht verschwunden ist. Später im Jahr ziehen sie sich zurück, ins Land, unter eine Eisschicht, und alles wird still. Kann man Stille überhaupt hören, oder vernimmt man nur die Abwesenheit von Geräusch? Hier und da brennen Winterfeuer, über die die Möwen fliegen; ihre Bäuche glühen im Widerschein der Flammen, ganz entspannt fliegen sie, ohne Laut, auf den Lo­foten haben ja alle genug zu fressen. 

Was macht der Mensch in dieser Landschaft? Und was macht die Landschaft mit dem Menschen? Die norwegische Fotografin Andrea Gjestvang porträtiert in dem neuen mare-Bildband „Lofoten“ nicht nur die Natur des Archipels, sondern sie zeigt auch seine Bewohner darin. Eisbadende, Rentierhirten, Kabeljauzungenschneider, Surferinnen. Und das auf eine Weise, dass sie eine Stimmung verbreiten, wie eine Landschaft, eine Jahreszeit. Mit dem Unterschied, dass Gjestvangs Momente nicht wiederkommen. Das Foto einer Landschaft mag wiederholbar sein. Mit einem Menschen darin ist es einzigartig. 

mare No. 160

mare No. 160Oktober / November 2023

Von Dimitri Ladischensky und Andrea Gjestvang

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur, fuhr im Winter auf die Lofoten und war beeindruckt vom Farbenspektrum der dunklen Jahreszeit.

Die norwegische Fotografin Andrea Gjestvang, 1981 geboren, lebt in Oslo und Berlin. Sie bereiste für den mare-Bildband den Archipel viermal – und das zu jeder Jahreszeit.

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Vita

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur, fuhr im Winter auf die Lofoten und war beeindruckt vom Farbenspektrum der dunklen Jahreszeit.

Die norwegische Fotografin Andrea Gjestvang, 1981 geboren, lebt in Oslo und Berlin. Sie bereiste für den mare-Bildband den Archipel viermal – und das zu jeder Jahreszeit.

Person Von Dimitri Ladischensky und Andrea Gjestvang
Vita

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur, fuhr im Winter auf die Lofoten und war beeindruckt vom Farbenspektrum der dunklen Jahreszeit.

Die norwegische Fotografin Andrea Gjestvang, 1981 geboren, lebt in Oslo und Berlin. Sie bereiste für den mare-Bildband den Archipel viermal – und das zu jeder Jahreszeit.

Person Von Dimitri Ladischensky und Andrea Gjestvang