Königsberger Schlittenfahrt

Winterbilder der Kaliningrader Küste, die das Wesen dieser Landschaft offenbaren: auf zauberhafte Weise aus der Zeit gefallen

Der Ort wurde 1258 erstmals als „Rusemoter“ urkundlich erwähnt. Der Name ist altpreußisch und bezeichnet eine vom Wasser ausgehöhlte Küste. Der Aufstieg Rauschens zum mondänen Seebad begann mit der Gründung der Samlandbahn um 1900. Sie brachte Sommerfrischler an die Küste. In der Zeit entstand auch die berühmte hölzerne Promenade, von der aber nichts mehr zu sehen ist. In den Siebzigern wurde die Trasse betoniert. Rechts unten im Bild zu sehen: die berühmte Sonnenuhr mit dem Sternzeichenmosaik. Sie ist ein Werk des in Swetlogorsk lebenden Bildhauers Nikolai Frolow. Der wiederum begreift sich in der Tradition des deutschen Bildhauers und Goldschmieds Hermann Brachert (1890–1972). Jener schuf im vorigen Jahrhundert viele Stein- und Bronzeplastiken für Königsberg und Ostpreußen.

„Der Landstreifen ist 96 Kilometer lang und so schmal, dass man ihn in 20 Minuten oder einer halben Stunde bequem vom Haff zur See überqueren kann“, schrieb Thomas Mann in seinem „Niddener Tagebuch“ über die Kurische Nehrung. Die eine Hälfte der Landzunge gehört zur Oblast Kaliningrad, die andere zu Litauen; im Osten liegt das Kurische Haff, im Westen die Ostsee. „Wie auf einem Schiff“ fühlte sich Thomas Mann in seinem Niddener Ferienhaus. Tatsächlich dürfen die drei Sommer 1930 bis 1932, die die Manns im Fischerdorf Nidden auf der Kurischen Nehrung verlebten, als eine Art Vorexil gelten, bevor die Familie über den Ozean nach Amerika emigrierte.

Die Dächer sind notdürftig geflickt, die Fenster mit Planen bespannt, aus rissigen Grundmauern sprießen Sträucher. Frost und Schnee tun ihr Übriges. Für neuen Putz fehlt das Geld. Viele der Gehöfte haben schon bessere Tage erlebt. In den einstigen Schlössern, Burgen und Anwesen leben heute die Prinzen des Proletariats. Begehrt sind die historischen Gebäude auch als Steinbruch, um aus dem Baumaterial neue Häuser zu errichten. In den letzten Jahren allerdings hat ein Umdenken eingesetzt. Staatliche Behörden, private Initiativen und Investoren setzen sich dafür ein, das deutsche Kulturerbe zu sanieren und zu erhalten – allein schon, um Touristen in die Region zu locken.

Am 25. April 1945 wurde Pillau als letzte ostpreußische Stadt von der Roten Armee erobert. Die Hafenstadt am Frischen Haff wurde ebenso wie der gesamte nördliche Teil Ostpreußens der Sowjetunion zugeschlagen. Das südliche Ostpreußen und Danzig gingen an Polen. Der Name Pillau ist altpreußisch und bedeutet so viel wie Festung oder Burg. Pillau wurde am 27. November 1946 in Baltijsk umbenannt, „baltische Stadt“. Sie wurde Hauptstützpunkt der baltischen Flotte. Über viele Jahre war die Stadt Sperrzone in der Sperrzone – ein separates Gebiet in der ohnehin schon abgeschotteten Exklave Kaliningrad; selbst Sowjetbürgern war der Zugang verwehrt. Seit dem Zusammenbruch der UdSSR ist die Abschirmung nicht mehr so streng.


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mare No. 94

No. 94Oktober / November 2012

Von Gulliver Theis und Dimitri Ladischensky

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

Gulliver Theis, Jahrgang 1971, lebt als Fotograf zur Hälfte in Hamburg, zu einem Viertel in Moskau und den Rest irgendwo auf der Welt. Eine Woche ist er letzten Januar durch die Gegend um Kaliningrad gereist und war erstaunt, dass die Gebäude und Häuser in den umliegenden Dörfern und Städten dieselben wie vor 100 Jahren sind.

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Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

Gulliver Theis, Jahrgang 1971, lebt als Fotograf zur Hälfte in Hamburg, zu einem Viertel in Moskau und den Rest irgendwo auf der Welt. Eine Woche ist er letzten Januar durch die Gegend um Kaliningrad gereist und war erstaunt, dass die Gebäude und Häuser in den umliegenden Dörfern und Städten dieselben wie vor 100 Jahren sind.
Person Von Gulliver Theis und Dimitri Ladischensky
Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

Gulliver Theis, Jahrgang 1971, lebt als Fotograf zur Hälfte in Hamburg, zu einem Viertel in Moskau und den Rest irgendwo auf der Welt. Eine Woche ist er letzten Januar durch die Gegend um Kaliningrad gereist und war erstaunt, dass die Gebäude und Häuser in den umliegenden Dörfern und Städten dieselben wie vor 100 Jahren sind.
Person Von Gulliver Theis und Dimitri Ladischensky