Knusprige Dorade sucht knackigen Burgunder

Welcher Wein zu welchem Fisch? Eine Eheanbahnung

Appetitliche, knusprige Dorade mit mediterranem Anhang (Thymian, Tomaten, Knofi), liebt Grillpartys und heiße Nächte in Olivenöl, sucht eleganten, nicht zu jungen Partner mit kräftiger Statur für gemeinsame Unternehmungen.“ Wer würde sich auf diese Kontaktanzeige im „Feinschmecker“ melden? Ein knackiger badischer Weißburgunder vielleicht, ein verführerischer pfälzer Chardonnay oder ein anschmiegsamer provençalischer Rosé?

Wie bei jeder verheißungsvollen Einladung würden mehrere Bewerber um die Gunst der leckeren Lady buhlen. Am Ende kann dabei eine Vernunftehe herauskommen mit einem bewährten, soliden Partner, aber auch die aufregende Affäre mit einem unbekannten eleganten Verführer. Wenn’s schief geht, fällt die Dame auf einen Langweiler herein, liiert sich mit einem Sauertopf oder stark parfümierten Aufschneider. Im schlimmsten Fall kratzen sie sich schon beim ersten Rendezvouz die Augen aus, weil die Chemie nicht stimmt.

Die Chancen für eine glückliche Ehe sind allerdings groß, denn Fisch und Wein sind eine alte Liebe. Einer tiefen Erkenntnis zufolge passen sie – anders als Männer und Frauen! – im Prinzip sehr gut zusammen. Der gemeine Franzose glaubt sogar, dass Fisch ohne Wein ungenießbar ist, und hat aus dieser Erfahrung ein hübsches Wortspiel gezimmert: „Poisson sans vin est poison“, Fisch ohne Wein ist Gift. Welcher Wein aber nun zu welchem Fisch? Um die Frage zu beantworten, braucht niemandem der kulinarische Angstschweiß auszubrechen. Statt eines önologischen Diploms sind schlichte Neugier notwendig, ein verlässlicher Weinhändler und die Lust am Probieren und Experimentieren.

Die Vielfalt von Wein und Flossentieren ist unendlich, ebenso die Kombinationsmöglichkeiten. Und selbst wenn wir ein perfektes Paar gefunden haben: Es wird jedesmal anders schmecken, weil sich beide Partner niemals in derselben Tagesform präsentieren. Der Wein wird älter, reifer, baut Gerbstoffe, Säure und Süße ab, bildet neue Aromen. Er probiert sich im Winter anders als im Sommer und nach acht Stunden Bürostress anders als nach einer wilden Nacht. Natürlich schmecken auch die Seezungenröllchen in Orangensauce jedesmal verschieden, weil das Butterstück in der Sauce einmal größer, einmal kleiner ausfällt, die Prise Cayenne montags kräftiger zugeteilt wird als dienstags und der Fisch selbst jahreszeitliche Hochs und Tiefs kennt, weil er nie gleich frisch, gleich groß, gleich gut und gleich lange gebraten ist. Solche Details sollen nicht verunsichern, sie erhöhen nur den Reiz des Spiels mit zwei lebendigen Produkten, die sich ständig verändern.

Fangen wir bei der bekanntesten Regel an, die uns Miss Sophie seit vielen Jahren an jedem Silvesterabend beim „Dinner for one“ eingebleut hat: White wine for the fish. Wie langweilig! grummelt jetzt manch erprobter Trinker und berichtet mit rollenden Augen von seinem letzten Erweckungserlebnis mit „Hummer à l’armoricaine“ und rotem Bordeaux im trendigen Sternerestaurant, als der Sommelier beim Fischgang plötzlich mit der Zunge schnalzte und, einer Eingebung von Dionysos folgend, hurtig einen 82er Bordeaux von Château Gloria entkorkte. Was für ein Tabubruch! Und alle waren begeistert.

Solche Regelverletzungen gehören inzwischen zum Pflichtprogramm des trendigen Gourmets. So aufregend und schick sie auch sein mögen, die alte Regel hat nichts von ihrer Gültigkeit verloren: Fisch harmoniert meist besser mit weißen (trockenen) Weinen, weil er zarter und filigraner ist als ein Stück Fleisch oder Käse. Und weil er oft mit den Gerbstoffen der Rotweine kollidiert. Feinzüngler wittern dann schnell eine metallische Note und beklagen im schlimmsten Fall, dass Wein und Mahl „nach Blech“ schmecken. Ergo: Gedünsteter, pochierter, gekochter Fisch will in jedem Fall weiße Begleitung. Bei kräftigeren Gartechniken in Pfanne und Ofen können dagegen weiche Rote ohne das harte Gerbstoffgerüst eine attraktive Alternative sein. Die gebratene Rotbarbe im provençalischem Gemüsebett etwa oder der gegrillte Schwertfisch in Thymianbutter sind durchaus einen Versuch mit einem samtigen Rotspon wert. Sie passen aber auch prächtig zu einem muskulösen Weißwein, der womöglich im kleinen Holzfass, dem Barrique, ausgebaut wurde und den Kuss des Eichenholzes gespürt hat. Die Röstaromen von Pfanne und Grill vertragen sich bestens mit den Aromen des getoasteten Holzfässchens, das der Küfer ausgebrannt hat, lange bevor es mit Wein gefüllt wurde.

Ein anderes wichtiges Gebot beim Kombinieren mit Wein hat eigentlich gar nichts speziell mit Fisch zu tun. Es gilt für alle Speisen. Markus del Monego, Weltmeister der Sommeliers aus Baden, drückt es so aus: „Wir müssen das Gericht als Ganzes sehen.“ Auch seine Kollegin Ursula Heinzelmann fragt zuerst immer nach Intensität und Charakter der Gesamtkomposition. Also: wie kräftig, wie rustikal, wie zart, wie fein, wie raffiniert ist das, was da auf den Teller kommt? Welche Sauce wird gereicht, welche Beilagen? Der Wein soll dem Charakter des Gerichts entsprechen. Eine Forelle blau mit geklärter Butter und Kartoffeln verträgt in ihrer sublimen Leichtigkeit keinen übermotorisierten kalifornischen Chardonnay mit seiner erschlagenden Üppigkeit. Umgekehrt ist ein zartes Möselchen sicher kein Partner für eine mit Serranoschinken umhüllte und mit Paprika- und Zucchiniwürfeln, Tomaten und Knoblauch gefüllte, „gebackene Forelle nach Pyrenäen-Art“. Die würde wiederum ein spanischer Parellada, ein weißer Bordeaux oder ein provençalischer Rosé hochanständig eskortieren.


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mare No. 17

No. 17Dezember 1999 / Januar 2000

Von Manfred Kriener und Klaus Ensikat

Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Wissenschafts-, Umwelt- und Foodjournalist und lebt in Berlin. 1996 hat er den Journalistenpreis des Deutschen Wein-Institutes erhalten. In mare No. 11 schrieb er über die Entwicklung der Unwetterschäden.

Klaus Ensikat, Jahrgang 1937, lebt seit 1965 als freier Künstler in Berlin. Viele Kinderbücher, die er illustrierte, sind preisgekrönt. In mare No. 12 erschienen seine Zeichnungen des Hafenlebens von Rotterdam

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Vita Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Wissenschafts-, Umwelt- und Foodjournalist und lebt in Berlin. 1996 hat er den Journalistenpreis des Deutschen Wein-Institutes erhalten. In mare No. 11 schrieb er über die Entwicklung der Unwetterschäden.

Klaus Ensikat, Jahrgang 1937, lebt seit 1965 als freier Künstler in Berlin. Viele Kinderbücher, die er illustrierte, sind preisgekrönt. In mare No. 12 erschienen seine Zeichnungen des Hafenlebens von Rotterdam
Person Von Manfred Kriener und Klaus Ensikat
Vita Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Wissenschafts-, Umwelt- und Foodjournalist und lebt in Berlin. 1996 hat er den Journalistenpreis des Deutschen Wein-Institutes erhalten. In mare No. 11 schrieb er über die Entwicklung der Unwetterschäden.

Klaus Ensikat, Jahrgang 1937, lebt seit 1965 als freier Künstler in Berlin. Viele Kinderbücher, die er illustrierte, sind preisgekrönt. In mare No. 12 erschienen seine Zeichnungen des Hafenlebens von Rotterdam
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