Karlheinz Follert, MS „Hamburg“

Wer erzählt die besten Geschichten vom Meer? Menschen, die den Ozean erlebt haben.

Um einen Fehler soll es gehen, um einen Moment der Unachtsamkeit, der am Ende einem Menschen das Leben gekostet hat. Aber auch darum, wie furchtbar einsam man sich an Bord eines Schiffes fühlen kann.

Boca Chica, ein kleiner Hafen der Dominikanischen Republik, im Sommer 1971. Karibik, wie man sie aus den Prospekten kennt: weißer Strand, Palmen, bunte Häuser. Für Seefahrer bietet die enge, gekrümmte Hafeneinfahrt eine Herausforderung, die mitten durch grünlich schimmernde Untiefen hindurch führt. Wir waren mit der MS „Hamburg“ aus Europa gekommen, Stückgut und Eisen an Bord. In Boca Chica löschten wir die Ladung.

Ein Lotse kam auf die Brücke, wir kannten ihn schon, ein erfahrener Mann, der hervorragend Deutsch sprach. Es muss gegen 18 Uhr gewesen sein, als wir ablegten, Kurs Port-au-Prince, draußen war es noch hell. Die „Hamburg“ lief mit langsamer Fahrt aus dem Hafen, schob sich ganz vorsichtig durch die Fahrrinne und näherte sich der Position, wo der Kurs wegen der Untiefen geändert werden musste.
„Backbord 10 !“, befahl der Lotse.

Doch sofort merkten wir, dass etwas schieflief. Unser Rudergänger, ein Offiziersanwärter, gerade 18 Jahre alt, hatte Steuerbord 10 gelegt. Das Schiff reagierte sofort. Ich, damals Erster Offizier, sprang noch ans Ruder und schlug es hart in die Gegenrichtung, aber es war zu spät. Langsam liefen wir auf felsigen Grund. Es knirschte unangenehm, dann spürten wir eine ziemliche Erschütterung. Der Kapitän wollte sofort „Voll zurück !“ geben, doch der Lotse riet davon ab – zu groß erschien ihm die Gefahr, auch hinten aufzulaufen und damit Ruder und Schraube zu beschädigen. Ein Schlepper wurde gerufen, dann begannen wir, die „Hamburg“ freizumanövrieren. Die Peilung der Tanks, Kofferdämme und Bilgen löste Erleichterung aus: offenbar keine Leckage.

Die „Hamburg“ war fast wieder frei, als es zum nächsten Unfall kam. Durch ein Missverständnis in der Kommunikation wurde der Schlepper umgerissen, kenterte und trieb kieloben neben dem Frachter. Die Besatzung hatte sich in letzter Sekunde mit einem Sprung ins Wasser retten können – was wir hören konnten, denn sie beschimpfte uns ordentlich. Unser Offiziersanwärter verfolgte die Ereignisse völlig verstört. Er war kreideblass und wirkte wie betäubt. Niemand hat ihm danach Vorwürfe gemacht. Natürlich kam seine Verwechslung in Lästereien noch mal vor, und bestimmt gab es dafür keinen Orden, als wir wieder auf See waren, aber zu streng mochte niemand mit ihm sein. Die weitere Reise verlief zunächst planmäßig. Wir steuerten Haiti an, Honduras und Puerto Barros in Guatemala, wo wir Kaffee für die Heimreise luden.


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mare No. 61

No. 61April / Mai 2007

Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt

Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.

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Vita Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt
Vita Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt
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