Käpten Ziegenbeins Rekordsouper

Wo stapelten sich Kalbfleisch, Käse und Schinken zum ersten Cordon Bleu? Auf dem Atlantik? Oder am Rhein?

Am 16. Juli 1929 stach die „Bremen“ zur Jungfernfahrt in See, das Kommando hatte Kapitän Leopold Ziegenbein. In vier Tagen und 17 Stunden erreichte der Schnelldampfer New York, neue Bestmarke. Der „Bremen“ wurde das Blaue Band zugesprochen, jene Ehrung, die seit Ende des 19. Jahrhunderts Passagierschiffen für die schnellste Überquerung des Atlantiks von Ost nach West verliehen wird.

Ein Jahr später war Ziegenbein seinen Rekord wieder los, gewann ihn aber 1933 mit einer Geschwindigkeit von 28,51 Knoten zurück. Damals soll er zur Feier des Tages den Küchenchef angewiesen haben, er als Schweizer, dazu als Walliser, solle sich „etwas mit Käse“ einfallen lassen. Und da dieser bereits Kalbfleisch zugeschnitten hatte, fügte er Gruyère und Kochschinken zwischen die Hälften, panierte und briet seine Kreation in Butter und taufte sie, als er den Festsaal betrat, auf den Namen „Cordon Bleu“, Blaues Band. So trug es die Kindergärtnerin der „Bremen“ weiter.

75 Jahre später und viele Kilometer landeinwärts. Wie kann, fragt der Schweizer Schiffskoch Roland Schüpfer, das Gericht auf der „Bremen“ erfunden worden sein, wo das Cordon Bleu doch viel älter ist? Sein Schiff hat nie das Blaue Band gewonnen, ist nie zur See gefahren, nie auf einem Fluss, sondern steht fest gebaut aus Stein: das Restaurant „Schiff“ im Basler Rheinhafenquartier. Dort kochte und bewirtete er gemeinsam mit seinem Vater Peter, bevor sie das Ufer wechselten und nun im „Rhypark“ ihre Spezialität anbieten: Cordon Bleus in allen Variationen.

Roland wollte nach der Lehre als Smutje zur See fahren. Die Papiere waren da, der Job auch, da rief das Land. Den Musterungsbescheid hätte er am liebsten zerrissen. Einen Moment habe er daran gedacht, einfach abzulegen. Es blieb beim Gedanken. Er blieb seinem Land treu, dem Vater auch, und fand sein Glück im Cordon Bleu. Das im Kern auch für die Schüpfers blieb, was es war: ein paniertes Schnitzel, gefüllt mit Schinken und Käse. Die Evolution fand in Größe und Detail statt.

„Das Cordon Bleu“, behauptet Vater Schüpfer jedenfalls, „ist eine Basler Spezialität.“ Ein Koch eines Patrizierhauses habe das Gericht erfunden und sich bei der Suche nach einem Namen von den blauen Bändern in den Haaren spielender Kinder im Hof inspirieren lassen. Auch hält er nichts von der anderen Theorie, das Cordon Bleu sei französisch und benannt nach dem Ehrentitel des Königs Henri III., der mit einem „cordon bleu“ Ritter und Köche des Ordre des Chevaliers du Saint-Esprit auszeichnete. Denn Schichtarbeit – Lage über Lage, bis sich alles überlagert – schmeckt vielleicht noch Dänen (Smørrebrød) und Paniertes eher französischen Bauern als dem Adel feiner Gaumen.

Weil für die Schüpfers das Cordon Bleu eine Basler Errungenschaft ist, gaben sie ihren Variationen entsprechende Namen. Sie heißen „Waggis“ (mit Kräuterschaum überbacken), „Morgestraich“ (mit Zwiebeln) oder „Tambourmajor“ (mit einer Champignon-Champagner-Sauce). Hausspezialität ist das Modell „Rhypark“, ein klassisch schlichtes, saucenloses Cordon Bleu, das 750 Gramm schwer auf den Teller kommt. Die größte Komposition bei den Schüpfers wiegt 1,5 Kilogramm. Kostenpunkt: 78 Euro. Es soll Gäste gegeben haben, die dieses Monstrum alleine bezwungen haben – und dann das Lokal ohne fremde Hilfe verlassen konnten.

Das Wichtige am Cordon Bleu: Der Käse darf nicht auslaufen. Auf den richtigen Schnitt ins Fleisch kommt es an, die sorgfältige Füllung, das sensible Panieren und das richtige Braten in einer Pfanne mit Deckel obenauf. Tabu: die Zuhilfenahme von Zahnstochern. Auch so muss das Schnitzel dicht halten – das ist die Kunst. „Dann können Sie ruhig essen, ohne Gräten.“

Was nun: Meerfrucht? Landei? Schwierig, dem Cordon Bleu noch gerecht zu werden. Ziegenbein ist tot, Dokumente über den Küchenchef verkohlten im Bombenhagel auf Hamburg 1944. Und auf der „Bremen“ gingen die Lichter aus, als ein Schiffsjunge sie 1941 ansteckte. Aus Rache. Ein Matrose habe ihn ungerecht behandelt.


Cordon Bleu

Zutaten (für vier Personen)

Vier dicke Schnitzel vom Kalb oder Schwein, am besten vorher vom Metzger mit seitlichem Einschnitt präparieren lassen. Vier Scheiben Käse, Emmentaler oder Gruyère (kein Schmelzkäse, er verflüssigt zu sehr), vier Scheiben Schinken, ein Ei, Mehl, Paniermehl, Salz, Pfeffer, Butter.

Zubereitung
Die Taschen der Schnitzel mit Käse und Schinken füllen, salzen und pfeffern. Bloß keine Zahnstocher! Schwein hat keine Gräten! Vorsichtig in geschlagenem Ei wenden und in Mehl wälzen. Dann panieren. In Butter bei geschlossenem Deckel goldbraun braten. Dazu gedünstete Möhren servieren. Und – nach Meinung der Schöpfer – Saucen aller Art.


Restaurant Rhypark
Mühlhauserstrasse 17, Basel, Schweiz.
Telefon 0041 (0) 61 321 47 50.
Montags geschlossen.

mare No. 43

No. 43April / Mai 2004

Eine Kombüse von Max Küng und Stefan Pielow

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mare Verlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.

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Vita Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mare Verlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.
Person Eine Kombüse von Max Küng und Stefan Pielow
Vita Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mare Verlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.
Person Eine Kombüse von Max Küng und Stefan Pielow