Kapitän Curt Klews, MS „Göttingen“

Wer erzählt die besten Geschichten vom Meer? Menschen, die den Ozean erlebt haben.

Ich habe meinen Vater einige Male getroffen, wenn wir im gleichen Hafen lagen. Im karibischen Curaçao konnte ich als Dritter Offizier großen Eindruck schinden, weil mir mein Kapitän eine Barkasse zum Übersetzen bereitstellte und mit den Worten „Klews, ziehen Sie sich mal anständig an!“ verordnete, die weiße Ausgehuniform zu tragen – ich sah aus wie ein Admiral im Kleinformat.

Mein Vater arbeitete als Chief Steward auf großen Kreuzfahrtschiffen, als eine Art Hoteldirektor; wie übrigens schon Großvater, der Kaiser Wilhelm II. betreute, wenn der die Kieler Woche besuchte. Das Bild von Opa mit Kaiser bewahre ich bis heute auf.

Aber nun zur eigentlichen Geschichte. Im August 1958 hatten sich Vater und ich in New York verabredet. Ich war damals Erster Offizier auf der „Göttingen“, einem Stückgutfrachter der Hapag, der im Pendeldienst von Europa nach New York fuhr. Mein Vater sollte auf der Reise von Genua in Amerika eintreffen. Ich freute mich sehr darauf, mit ihm in den Bars von Brooklyn ein paar Drinks zu nehmen, denn wir hatten uns seit mehr als einem Jahr nicht gesehen.

Ungefähr vier Tage vor der geplanten Ankunft, an einem sonnigen Nachmittag im August, liefen wir durch See, so flach und so langweilig wie ein leer gegessener Teller. Ich hatte die Wache von vier bis acht, alles sehr ruhig. Auf 40° 30' nördlicher Breite und 41° 20' westlicher Länge, also ziemlich in der Mitte des Atlantiks, geschah es dann. Der Ausguck meldete ein aufkommendes Schiff. Einen Kreuzfahrer, der uns sehr nah kam, auf etwa 500 Meter.

Vielleicht langweilten sich die Offiziere auf der anderen Brücke auch. Dann las ich den Namen des Schiffes: Es war die „Atlantik“, der Luxusliner der Reederei Bernstein.

Das war Vaters Schiff! Genau hier, mitten auf dem Ozean? Ich konnte es kaum glauben. Sofort bat ich unseren Funker Zintgraf (den alle an Bord „Graf Zint“ nannten), über UKW eine Verbindung herzustellen. Man muss bedenken: 1958 gab es noch keine Satellitentelefone, die Kommunikation war noch nicht so einfach wie heute. Doch einige Minuten später hatte ich meinen alten Herrn am Hörer.
„Papa, wie geht’s dir?“, fragte ich.
„Gut, gut! Mensch Junge, das ist ja schön, deine Stimme zu hören!“, rief er. Dann stutzte er. „Aber sag mal: Wieso ist die Verbindung eigentlich so klar?“
„Schau doch mal nach Steuerbord“, antwortete ich. Und dann hörte ich, wie er laut lachte.
In der Zwischenzeit hatte mein Kapitän – eigentlich ein ziemlich verschlossener Kerl, der immerzu eine Sonnenbrille trug – von der Sache erfahren und mich schmunzelnd abgelöst; auch auf der Brücke der „Atlantik“ freute man sich offenbar über den unglaublichen Zufall.


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mare No. 64

No. 64Oktober / November 2007

Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt

Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.

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Vita Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt
Vita Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt