Jedem Tierchen sein Pläsierchen

Striptease, Sado-Maso, Gruppensex – das Liebesleben der Meeresbewohner lässt kaum eine lustvolle Variante aus

Seitensprung

Undank ist der Mühe Lohn: Da buhlt ein Krakenmann stundenlang um die Gunst seiner Braut, und dann vergnügt sie sich mit einem plötzlich dahergeschwommenen Gigolo. Der hat sich dazu einen raffinierten Trick einfallen lassen: Als Weibchen getarnt, schwimmt er neben dem Hochzeitspaar her und wartet, bis das Männchen durch einen Rivalen abgelenkt wird. Dann schiebt er der Braut schnell sein Spermienpaket in den Mantelsack.

Oralsex

In Sachen Sex nehmen die Kardinalbarsche den Mund so richtig voll. Die fürsorglichen Männchen saugen sofort nach der Paarung die Eier und Samen auf und tragen die bis zu 3000 befruchteten Eier so lange mit sich im Maul herum, bis die Jungen nach acht Tagen ausschlüpfen.

Rollenspiele

Seepferdchen und Seenadeln sind das Paradebeispiel für eine geglückte Emanzipation. Nach ausgiebigem Balztanz übergibt das Weibchen seinem Partner ein Eipaket, das dieser befruchtet und in einer Art Bauchbeutel deponiert, bis die fertig entwickelten Jungfische schlüpfen.

Gruppensex

Wie viele andere Korallenfische auch schwimmen die Weißkehl-Doktorfische zeitlebens in geselligen Schwärmen durchs Riff. Beim gemeinsamen Ablaichen kommt es dann zu regelrechten Sexorgien. Auf diese Weise werden möglichst viele Eier gleichzeitig befruchtet.

Sexsklavinnen…

Bei den Sandbarschen gebieten die Männer über eine stattliche Anzahl von Damen. Sie verteidigen ein mehrere Quadratmeter großes Revier, in dem bis zu fünf Weibchen gleichzeitig leben. Auch bei den Fahnenbarschen regiert ein einzelner Herr gleich einen ganzen Frauenschwarm.

Schwule und Lesben

Eine feste Beziehung zwischen Männern? Eine Lebenspartnerschaft unter Kühen? Manatees sind da ganz modern: Erlaubt ist, was gefällt. Jungs besteigen andere Jungs, und die Mädels reiben sich aneinander mit Genuss.

…und Dominas

Bei den Anemonenfischen verläuft das Spielchen genau umgekehrt. Chef im Tentakelwald ist der größte Fisch: das dominante Weibchen. Stirbt es, übernimmt das ranghöchste Männchen das Regiment – und ihr Geschlecht.

Sex? Nie!

Enthaltsamkeit ist keine Erfindung der katholischen Kirche, sondern auch unter den Meeresbewohnern weit verbreitet. Bei fest sitzenden Organismen wie Korallen und Seescheiden, aber auch beim Seegras ist die ungeschlechtliche Vermehrung durch so genannte Knospung eine beliebte Überlebensstrategie. Sie eignet sich hervorragend, um größere Flächen schnell zu besiedeln.

Masturbation

Manche Meeresbewohner kommen ganz ohne Partner zum Höhepunkt – und verlassen sich darauf, dass Spermien und Eier irgendwie im Wasser zueinander finden. Zwei der verschwenderischsten Eierproduzenten sind die Siebenarmigen Seesterne mit 200 Millionen Stück und die Mondfische, die sage und schreibe bis zu 300 Millionen Eier auf einmal in der Sargassosee verstreuen.

Bi-Sex

Mann oder Frau? Nacktschnecken und Strudelwürmer sehen das bei ihrer Partnerwahl nicht so eng. Da jeder von ihnen sowohl Eier als auch Spermien mit sich herumträgt, ist jeder Artgenosse, der gerade über den Weg schwimmt oder kriecht, auch ein potenzieller Liebhaber. Hauptsache, man trifft sich auch gelegentlich!

Sado-Maso

Das Liebesleben der Haie erinnert manchmal mehr an einen Ringkampf denn an lustvolles Vergnügen. Zärtlichkeit und Einfühlungsvermögen ist nicht gerade die Stärke der Räuber der Meere. Dabei scheinen die Haimänner auch auf den Einsatz ihrer gefürchteten Zähne nur ungern zu verzichten. Manches Weibchen ist nach der Begattung von zahlreichen Bisswunden übersät.

Bondage

Für Tiefseefische gleicht die Partnerfindung der sprichwörtlichen Nadelsuche im Heuhaufen. Daher schließen die nur fingerlangen Männchen der Riesenanglerfische gleich bei der erstbesten Gelegenheit den Bund fürs Leben und wachsen an ihrer zehn Mal größeren Partnerin fest. Auf Beutefang müssen sie dann auch nicht mehr gehen: Ihre Blutgefäße verwachsen mit denen des Weibchens und versorgen sie bis an ihr Lebensende mit Nahrhaftem.

Transen

Viele Fischarten sind sexuell gesehen wahre Verwandlungskünstler. Junge Papageifische, Zackenbarsche und Lippfische sind in der Regel Weibchen. Erst wenn sie eine bestimmte Körpergröße erreicht haben, kommen sie gewissermaßen in die Wechseljahre und verwandeln sich in Männchen. Noch eine zusätzliche Variante hat sich der in der Karibik beheimatete Blaukopf-Lippfisch ausgedacht: Die gelben Jungfische werden entweder als Männchen oder Weibchen geboren. Ausgewachsene Weibchen können schließlich zu einem blauköpfigen Supermännchen mutieren.

Askese

Sex oder nicht Sex? Das ist hier die Frage. Manche Tierarten können sich nicht recht entscheiden, wie sie sich fortpflanzen. Bei den Ohrenquallen etwa bildet nur die frei schwimmende Medusengeneration Geschlechtszellen aus. Die daraus entstehenden unscheinbaren Polypen siedeln sich auf festem Untergrund an. Im Herbst lösen sich vom Polypen (ganz ohne Sex) winzige Scheibchen ab, die bis zum folgenden Sommer zu neuen, sexhungrigen Medusen heranwachsen.

Striptease

Männliche Krebse müssen in der Liebe geduldig und tapfer sein. Angelockt von den Duftstoffen einer Krebsdame, klammert sich der Ritter der Meere auf ihrem Rücken fest und muss warten, bis sie alle Hüllen, sprich: ihren Panzer, fallen lässt. Denn die Auserwählte ist nur dann zum Sex aufgelegt, wenn sie gerade aus ihrer Haut gefahren ist. Im noch weichen neuen Panzerkleid ist sie jedoch eine willkommene Beute für hungrige Jäger, und das Männchen muss sie so lange beschützen, bis es seine Gene erfolgreich weitergegeben hat.

mare No. 31

No. 31April / Mai 2002

Von Helmut Broeg

Helmut Broeg, geboren 1966, hat nicht nur Biologie studiert, sondern interessiert sich auch für technische und medizinische Themen, kurzum für alles was den Mensch und seine Umgebung vereint. Nach seiner Ausbildung zum Fachzeitschriften-Redakteur arbeitete er zunächst als Redakteur für die Zeitschrift tauchen und seit 2000 als freier Wissenschafts-Journalist u.a. für GEO, Financial Times Deutschland und Bild der Wissenschaft.

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Vita Helmut Broeg, geboren 1966, hat nicht nur Biologie studiert, sondern interessiert sich auch für technische und medizinische Themen, kurzum für alles was den Mensch und seine Umgebung vereint. Nach seiner Ausbildung zum Fachzeitschriften-Redakteur arbeitete er zunächst als Redakteur für die Zeitschrift tauchen und seit 2000 als freier Wissenschafts-Journalist u.a. für GEO, Financial Times Deutschland und Bild der Wissenschaft.
Person Von Helmut Broeg
Vita Helmut Broeg, geboren 1966, hat nicht nur Biologie studiert, sondern interessiert sich auch für technische und medizinische Themen, kurzum für alles was den Mensch und seine Umgebung vereint. Nach seiner Ausbildung zum Fachzeitschriften-Redakteur arbeitete er zunächst als Redakteur für die Zeitschrift tauchen und seit 2000 als freier Wissenschafts-Journalist u.a. für GEO, Financial Times Deutschland und Bild der Wissenschaft.
Person Von Helmut Broeg