In Null Komma nix auf Tiefe

Sie sind der Albtraum des Hochseeseglers: unerkannt im Wasser treibende, herrenlos gewordene Container. Sie haben im Fall einer Kollision mit Yachten eindeutige Vorteile, und sie schwimmen zurzeit zu Tausenden auf den Meeren. Sind sie eine reale Gefahr?

Als wäre sie mitten auf dem Atlantik gegen eine Wand gefahren: Ein Knall, ein Reißen, ein Splittern, und die Yacht steht. Ellen Mac-Arthur sieht noch, wie ein Teil ihres Ruders davontreibt und das Backbordschwert. Die Britin hat einen Container gerammt, der im Sturm über Bord gefallen ist, und dabei noch Glück gehabt. Wäre die „Kingfisher“ mit dem Kiel oder in einem anderen Winkel auf das Hindernis geprallt – Ende, aus.

So sieht der Albtraum eines Seglers aus, die eine Gefahr, vor der man sich nicht schützen kann. Wer mit einer Yacht auf große Fahrt geht, muss mit allem rechnen. Sturm, Mastbruch, eine kranke Crew – auf alles kann man sich vorbereiten, vieles trainieren. Doch wenn man Segler nach ihrer größten Angst fragt, hört es sich an wie im Onlineforum der Zeitschrift „Yacht“: „Bei Containern mache ich mir keine Illusionen: Treffen wir einen Vierkant, ist der Dampfer in null Komma nix auf Tiefe“, schreibt ein Leser. Der nächste sagt: „Null Chance, bleibt nur die Rettungsinsel.“ Ein Segler fragt bang, ob die Redaktion nicht einmal einen Kollisionstest unternehmen könnte. Viel zu aufwendig, nicht zu machen, wendet man bei der „Yacht“ ein. Und überhaupt: „Totalverluste durch Kollision mit Treibgut sind eher selten, die Statistik spricht für das ruhige Schlafen auf See.“

Ja, die Statistik. Schläft es sich ruhiger, wenn man weiß, dass es nur sehr wenige Segler erwischt? Wobei keine exakten Zahlen vorliegen, wie viele Kisten denn wirklich über Bord gehen. Es gibt keine Behörde, die Buch führt. Und Reeder klagen nicht öffentlich über Verluste. Sie regeln das diskret mit ihrer Assekuranz, die sich bei Anfragen noch diskreter gibt. Ein Hamburger Makler, der nicht genannt werden möchte, versichert weltweit eine Million Boxen. Aber er will sich partout nicht daran erinnern, wie viele Schadensfälle er in den vergangenen Jahren zu regulieren hatte.

Die britische Versicherung TTC, die Policen für etwa 70 Prozent der weltweit verschifften Container ausstellt, liefert immerhin einen Anhaltspunkt. 2002 schreibt TTC-Manager George Fawcett in einem Gastbeitrag für das Logistikfachblatt „Lloyd’s List“, dass man im Schnitt wohl von rund 2500 Stück ausgehen könne, die jedes Jahr verloren gehen. Nur hat der Containerumschlag seit 2002 noch einmal deutlich zugenommen. 30 Millionen Container sind heute im Umlauf, sechs Millionen in diesem Moment auf den Ozeanen unterwegs. Ein paar tausend erreichen ihr Ziel nicht, genauer lässt sich das nicht sagen.

Dabei ist ein modernes Containerschiff eigentlich das sicherste Transportmittel überhaupt. Anders als bei Bulkern, Stückgutfrachtern oder Tankern ist die Fracht immer noch durch die solide Kiste geschützt – und das Schiff umgekehrt vor potenziell gefährlicher Ladung. Computer rechnen die optimale Position für jeden Container aus. Schwer unten, leicht oben, gefährliche Güter weg von der Brücke – und alles immer möglichst so gestaut, dass man im nächsten Hafen schnell herankommt. Der Ladevorgang ist, wie der Container selbst, standardisiert und läuft auf manchen Terminals schon weitgehend automatisch.

Unter Deck stehen die Kisten in Staugerüsten, da wackelt nichts, da kann nichts verrutschen. An Deck werden sie so gestellt und untereinander gesichert, dass sie auch unter schweren Bedingungen auf See nicht kippen. Sie stehen perfekt ausgerichtet aufeinander, an den genormten Ecken durch Staustücke, sogenannte Twistlocks, fest miteinander verbunden. Die Containertürme werden durch Stangen und Trossen zusätzlich mit den Nachbarstapeln verzurrt.

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 87. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 87

No. 87August / September 2011

Von Olaf Kanter und Simone Hoschack

Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist Stellvertretender Ressortleiter Politik bei Spiegel Online, zuvor war er Textchef bei mare. Er hatte vitales Interesse an den Nachforschungen, denn er ist Segler – ebenso wie mare-Verleger Nikolaus Gelpke: Lange Jahre träumte Gelpke davon, mit seiner im Text beschriebenen Erfindung einer sich bei Wasserberührung auflösenden Sollbruchstelle das Problem der treibenden Container gelöst und damit Schifffahrtsgeschichte geschrieben zu haben. Kanters jüngste Recherchen sind für ihn ein Rückschlag, aber kein Grund zur Aufgabe.

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Vita Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist Stellvertretender Ressortleiter Politik bei Spiegel Online, zuvor war er Textchef bei mare. Er hatte vitales Interesse an den Nachforschungen, denn er ist Segler – ebenso wie mare-Verleger Nikolaus Gelpke: Lange Jahre träumte Gelpke davon, mit seiner im Text beschriebenen Erfindung einer sich bei Wasserberührung auflösenden Sollbruchstelle das Problem der treibenden Container gelöst und damit Schifffahrtsgeschichte geschrieben zu haben. Kanters jüngste Recherchen sind für ihn ein Rückschlag, aber kein Grund zur Aufgabe.
Person Von Olaf Kanter und Simone Hoschack
Vita Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist Stellvertretender Ressortleiter Politik bei Spiegel Online, zuvor war er Textchef bei mare. Er hatte vitales Interesse an den Nachforschungen, denn er ist Segler – ebenso wie mare-Verleger Nikolaus Gelpke: Lange Jahre träumte Gelpke davon, mit seiner im Text beschriebenen Erfindung einer sich bei Wasserberührung auflösenden Sollbruchstelle das Problem der treibenden Container gelöst und damit Schifffahrtsgeschichte geschrieben zu haben. Kanters jüngste Recherchen sind für ihn ein Rückschlag, aber kein Grund zur Aufgabe.
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