Im Reich der Kälte

Eine Großaufgabe für die Forschung: In Sibirien, am nördlichen Polarkreis, taut der seit Jahrtausenden gefrorene Boden der Tundra. An dessen Schmelze hängt zum großen Teil das Weltklima

Den Sommer in Deutschland kennt Günter Stoof gar nicht mehr so richtig. Denn seit Ende der 1990er-Jahre bis zu seiner Pensionierung 2018 verbrachte Stoof fast jeden Sommer auf Samoilow, einer winzigen Insel im gigantischen Delta der Lena im Nordosten Sibiriens. Von unzählbaren Wasserläufen durchzogene Tundra, über der Mückenwolken wabern, ein schnurgerader Horizont und darüber der endlose Himmel Sibiriens – „man muss das mögen“, sagt Stoof.

Molo, so Stoofs Spitzname unter Kollegen, mochte es. Und seinen Job sowieso. Stoof arbeitete als Techniker und – wie er es formuliert – „Experte für Notfälle und alles, was die anderen nicht können“, in der Forschungsstation auf Samoilow, einem gemeinsamen Projekt des deutschen Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) und mehrerer russischer Forschungsinstitutionen.

So arg polar sieht es im sommerlichen Lenadelta gar nicht einmal aus: Saftiges Gras und anderes Tundrengewächs bedecken den Boden bis zum Horizont. Das ewige Eis, das die Forscher hier untersuchen, liegt unsichtbar direkt unter ihren Füßen. Und der Zustand dieses uralten Eises, das die Wissenschaftler auf Samoilow nun schon seit über 20 Jahren erforschen, könnte ganz erheblichen Einfluss auf die Zukunft unseres Planeten haben.

 

 

Permafrostboden lautet der Fachbegriff für gefrorenen Untergrund, der auch im Sommer nicht aus seiner Eisstarre erwacht. Davon gibt es nicht wenig: Ein Fünftel der Landfläche der Erde steckt im Eisschlaf. Das Gros davon liegt unter den Tundren nördlich des Polarkreises, aber auch in Richtung Antarktis, im Hochgebirge und als Relikt vergangener Eiszeiten sogar im Meeresboden kalter Schelfmeere.

Definitionsgemäß qualifiziert sich ein Boden schon als Permafrost, wenn die Minusgrade zwei Jahre anhalten. Tatsächlich verharren die tieferen Schichten der meisten Permafrostböden aber bereits seit der letzten Eiszeit, die vor gut 10 000 Jahren endete, ununterbrochen in Kältestarre. Nur ganz oben gibt es eine dünne Lage, die im Sommer auftaut, Frostforscher bezeichnen sie als „Active Layer“.

Darunter jedoch friert es, jahrein, jahraus. Diese eigentliche Permafrostschicht kann viele hundert Meter dick sein, nach unten hin wird sie nur von der Wärme aus dem Erdinneren begrenzt. Besonders mächtig sind die Permafrostböden im Nordosten Sibiriens. Wegen des kontinentalen Klimas fallen dort zu wenige Niederschläge, um einen dauerhaften Eisschild zu bilden. Das war auch schon während der letzten Kaltzeit so. Schnee und Eis aber wirken wie ein Mantel, der den Untergrund vergleichsweise warm hält – weil er fehlte, drangen die eisigen Wintertemperaturen, die noch heute minus 50 Grad erreichen, ungehindert in den Boden ein. Dadurch bildete sich in der Region eine besonders massive Permafrostschicht, die nach 10 000 Jahren Warmzeit noch immer bis zu 1600 Meter in die Tiefe reicht.

Einen unmittelbaren Einblick in den gefrorenen Untergrund erlauben im Lenadelta die zahlreichen Uferabbrüche. Hier erkennt man einerseits die großen Mengen schmutzigen Wassereises, die den Boden wie schwarze Gletscher durchziehen. Man sieht aber auch eine Menge dunkles Erdreich, das belegt, wie produktiv die Tundravegetation aus Gräsern, Kräutern und Büschen ist.

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mare No. 142

mare No. 142Oktober / November 2020

Von Georg Rüschemeyer und Paolo Verzone

Nach Samoilow schaffte es Georg Rüschemeyer, Jahrgang 1970, Autor in Freiburg, diesmal nicht, dafür aber Jahre zuvor ins südlichere Nowosibirsk. Dort faszinierten ihn die eintönigen Tundren und endlosen Birkenwälder.

Paolo Verzone, Jahrgang 1967, Fotograf in Barcelona, fühlte mit jedem Schritt auf dem Permafrost eine „Verbundenheit mit einer fernen Vergangenheit“. Verzone wird von der Agentur VU in Paris vertreten.

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Vita Nach Samoilow schaffte es Georg Rüschemeyer, Jahrgang 1970, Autor in Freiburg, diesmal nicht, dafür aber Jahre zuvor ins südlichere Nowosibirsk. Dort faszinierten ihn die eintönigen Tundren und endlosen Birkenwälder.

Paolo Verzone, Jahrgang 1967, Fotograf in Barcelona, fühlte mit jedem Schritt auf dem Permafrost eine „Verbundenheit mit einer fernen Vergangenheit“. Verzone wird von der Agentur VU in Paris vertreten.
Person Von Georg Rüschemeyer und Paolo Verzone
Vita Nach Samoilow schaffte es Georg Rüschemeyer, Jahrgang 1970, Autor in Freiburg, diesmal nicht, dafür aber Jahre zuvor ins südlichere Nowosibirsk. Dort faszinierten ihn die eintönigen Tundren und endlosen Birkenwälder.

Paolo Verzone, Jahrgang 1967, Fotograf in Barcelona, fühlte mit jedem Schritt auf dem Permafrost eine „Verbundenheit mit einer fernen Vergangenheit“. Verzone wird von der Agentur VU in Paris vertreten.
Person Von Georg Rüschemeyer und Paolo Verzone