Im Rauch der Tiefe

„Schwarze Raucher“ widerlegen das Bild vom Meeresboden als Ödnis und bergen Lösungen für Rohstoffprobleme von morgen

Langsam gleitet die „Alvin“ durch die schwarzgrüne Dunkelheit. Im Schein ihrer Bordscheinwerfer huschen blinde Krabben über den zerklüfteten Meeresboden. Hier, in 2600 Meter Tiefe, reicht das Licht keine 15 Meter weit. So merken die drei Forscher nicht, worauf sie zusteuern: Meter für Meter schweben sie in ihrem Tauchboot der ozeanischen Hexenküche entgegen. Und plötzlich ist sie da. Nur zwei Bootslängen voraus taucht aus dem Dämmerlicht eine mächtige, baumdicke Säule auf, ein haushoher Schlot. Hektisch zieht der Pilot am Steuerknüppel. Die Elektromotoren heulen auf – alle Propeller auf Umkehrschub. Für Sekunden driftet die „Alvin“ weiter. Dann endlich stoppt sie. Die Forscher drängen ans Bullauge. Sie können kaum fassen, was sie sehen: Aus der Spitze des knorrigen Kamins schießt mit der Gewalt eines Wasserwerfers eine pechschwarze Brühe. In dunklen Wolken quillt sie ins Meer und vernebelt die Sicht.

In der zwei Meter kleinen Druckkapsel des U-Boots ist es totenstill. Mit schweißnassen Händen gibt der Pilot sanft Schub. Er bleibt auf Abstand, manövriert die „Alvin“ vorsichtig um den submarinen Schornstein herum. Im Scheinwerferlicht kommen neue Kamine in Sicht, drei, vielleicht fünf Meter hoch. Ahnungslos fahren die Forscher weiter, gleiten über einen der rauchenden Schlote hinweg. Sie wissen nicht, in welcher Gefahr sie schweben, denn das Wasser ist teuflisch heiß. Es wallt gegen ein Bullauge aus Acrylglas an der Unterseite des U-Boots. Die Hitze weicht den Kunststoff auf. Doch ehe das Bullauge platzt, gleitet die „Alvin“ wieder aus dem Hitzestrahl heraus ins kalte Wasser und beginnt mit dem Aufstieg.

Noch haben die drei Männer keine Erklärung für das, was sie sehen, aber sie ahnen, dass sie eine einzigartige Entdeckung gemacht haben, eine, die das Bild der Tiefsee grundlegend verändern wird. Eine Stunde später, zurück an Bord des Forschungsschiffs „Lulu“ der Woods Hole Oceanographic Institution, werden sie ihr einen Namen geben: „Black Smokers“. Der Geophysiker Ken MacDonald von der Scripps Institution of Oceanography im südkalifornischen La Jolla ist dabei, als die „Schwarzen Raucher“ 1979 im Pazifik vor der mexikanischen Westküste entdeckt werden. Er ist noch heute fasziniert von der gewaltigen Energie, die die Black Smokers ins Meer schießen. „Erst als wir die ‚Alvin‘ zurück an Bord geholt hatten, wurde uns wirklich klar, was da unten los ist“, sagt er. Das Bullauge ist von der Hitze völlig deformiert. Und auch die Kunststoffhalterung eines Thermometers, das die Taucher mit einem Roboterarm in die schwarze Flüssigkeit geschoben haben, ist verbogen. Die Skala reicht nur bis 32 Grad Celsius. Noch weiß niemand, wie heiß die Quellen wirklich sind. MacDonald schlägt in einem technischen Handbuch den Schmelzpunkt des Kunststoffs nach: 200 Grad Celsius. Unfassbar.

Zwei Jahre zuvor hatte man die ersten warmen Tiefseequellen der Welt nahe den Galapagos-Inseln im Ostpazifik entdeckt. Dort sprudelt 21 Grad warmes Wasser mit der Gemächlichkeit eines römischen Thermalbads aus dem Boden. Die Black Smokers aber sind eine neue Dimension. Die Forscher schrauben am Thermometer herum, eichen es provisorisch neu. Der Messbereich geht jetzt bis 500 Grad. Die nächs-te Tauchfahrt bringt Klarheit und das unglaubliche Ergebnis: 350 Grad Celsius. Deutlich heißer als ein Backofen.

Eigentlich ist MacDonald mit einem Team von gut zwei Dutzend Wissenschaftlern, Ozeanografen, Biologen und Geologen aufgebrochen, um die Plattenverschiebung und den Magnetismus am Ostpazifischen Rücken, etwa 250 Kilometer vor Mexiko, zu erkunden. Doch mit einem Phänomen wie den Black Smokers hat niemand gerechnet. Fast 20 Mal tauchen die Forscher zu den Schloten hinab, ehe sie ihr geplantes Messprogramm fortsetzen.

Der Ostpazifische Rücken gehört zu einer geologischen Narbe, die sich wie die Naht eines Baseballs Tausende Kilometer über den Globus zieht, den Mittelozeanischen Rücken. Dort, wo es brodelt und bricht, driften Erdkrustenplatten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 18 Zentimeter im Jahr auseinander, so schnell, wie Fingernägel wachsen. Glühendheißes Magma quillt hier aus dem Bauch der Erde. Knackend erstarrt die zähe Flüssigkeit im kalten Wasser zu glänzendem vulkanischem Gestein. Jedes Jahr türmen sich weltweit fast drei Kubikkilometer frische Magmamasse zu neuen unterseeischen Gebirgen.


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mare No. 69

No. 69August / September 2008

Von Tim Schröder

Eigentlich ist der Oldenburger Autor Tim Schröder, Jahrgang 1970, mit Leib und Seele Wissenschaftsjournalist. Nach seinen spannenden Recherchen zu den Black Smokers und den Gesprächen mit der „Alvin“-Crew treibt ihn allerdings die Frage um, ob er nicht doch lieber Tiefseeforscher hätte werden sollen.

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Vita Eigentlich ist der Oldenburger Autor Tim Schröder, Jahrgang 1970, mit Leib und Seele Wissenschaftsjournalist. Nach seinen spannenden Recherchen zu den Black Smokers und den Gesprächen mit der „Alvin“-Crew treibt ihn allerdings die Frage um, ob er nicht doch lieber Tiefseeforscher hätte werden sollen.
Person Von Tim Schröder
Vita Eigentlich ist der Oldenburger Autor Tim Schröder, Jahrgang 1970, mit Leib und Seele Wissenschaftsjournalist. Nach seinen spannenden Recherchen zu den Black Smokers und den Gesprächen mit der „Alvin“-Crew treibt ihn allerdings die Frage um, ob er nicht doch lieber Tiefseeforscher hätte werden sollen.
Person Von Tim Schröder