Im Namen der Wissenschaft

Nicht nur zahllose geografische Stätten tragen den Namen des großen Gelehrten, auch viele Schiffe. Mit gutem Grund

Schön, nein schön ist die „Kiel“ wahrlich nicht. In der Mitte ein bulliger Mast, der Rumpf verbeult und rostrot, so läuft das Feuerschiff in Bremerhaven ein. Es ist ein Tag im September 1986, die „Kiel“ feiert in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag. Sie hat genug geleistet. Als Feuerschiff wies sie anderen Schiffen den Weg, beherbergte Lotsen und nahm in Seenot geratene Freizeitsportler auf.

Jetzt gibt es vollautomatische Leuchttürme in Nord- und Ostsee, die für Orientierung sorgen, auch die Navigationssysteme sind besser geworden. Bemannte Feuerschiffe wie die „Kiel“ werden nicht mehr gebraucht. Das müde aussehende Gefährt scheint seinem Ende entgegenzuschippern. Dass es einmal die Hauptrolle in einem berühmten Bierwerbespot spielen wird, ahnt noch niemand.

Unscheinbar? Nein, unscheinbar ist die „Alexander von Humboldt“ wahrlich nicht. Stolz recken sich ihre Segel in den Himmel, der kräftige Rumpf trotzt den Wellen. „Schaut her“, scheint es zu rufen, „schaut her und seht, wie schön ich bin! Wie grün meine Segel und wie weiß die der anderen!“ Man blickt den Großsegler an und fühlt sich zurückversetzt in eine Zeit, als es noch keine Motoren gab und Seereisen noch Abenteuer waren.

Die schöne „Alexander von Humboldt“ und die müde „Kiel“, sie sind ein und dasselbe Schiff. Oder besser: ein und derselbe Schiffsrumpf. Denn die stolze „Alex“ ist mitnichten Hunderte Jahre alt, und sie ist auch keineswegs schon immer ein Segelschiff gewesen. Die Neugeburt des Schiffes ereignet sich vor etwas mehr als 20 Jahren. Damals gründet sich eine Gesellschaft, die ein „Schiff für die Jugend“ entstehen lassen will. Die „Kiel“ scheint gut geeignet. Unzählige Freiwillige helfen mit, das altersschwache Feuerschiff in eine prächtige Bark zu verwandeln.

Unter Deck spleißen und verarbeiten sie 4500 Meter Tauwerk zu dicken Seilen. Riesige Masten werden aufgebaut. Etwa 100 Tonnen Ballast werden in das Innere geschleppt, gestaut und mit Zement verbunden – damit das Schiff auch bei starkem Wind stabil im Wasser liegt. Auf Wunsch der Brauerei, die das Schiff als Werbebotschafter nutzen will, erhalten Rumpf und Segel grüne Farbe.

Am 20. Mai 1988 wird das Schiff auf den Namen „Alexander von Humboldt“ getauft. Seine Hauptaufgabe: Jugendliche trainieren, ihnen Kameradschaft und Disziplin nahebringen. Dass die Bark den Namen des deutschen Kosmopoliten und Naturforschers trägt, hat dabei Symbolcharakter: Wie einst Humboldt sollen junge Menschen die Welt entdecken und die Naturgesetze kennenlernen. Und wie Humboldt sollen auch sie sich auf den Meeren zu Hause fühlen.

Doch nicht nur das imposante Segelschiff für Jugendliche trägt den Namen des Naturwissenschaftlers. Weltweit gibt es mehrere Forschungsschiffe, ein Kreuzfahrtschiff und sogar einen Schwimmbagger, die „Alexander von Humboldt“ heißen. Was sie alle eint, ist eine bewegte und manchmal kuriose Vergangenheit.

Das erste Schiff dieses Namens wird 1939 gebaut und damit mitten hinein in den Nationalsozialismus geboren. Es soll zu Forschungszwecken eingesetzt werden; schließlich ist der betagte Reichsforschungsdampfer „Poseidon“ schon seit Längerem nicht mehr einsatzfähig. 1937 musste man für Forschungsfahrten an der Westküste Norwegens sogar normale Fischdampfer chartern. Die für moderne wissenschaftliche Arbeit ausgerüstete „Humboldt“ wird deshalb schon herbeigesehnt.

Ihr Schicksal aber soll es sein, niemals etwas zur Forschung beizutragen. Denn im Jahr ihres Stapellaufs beginnt in Deutschland der Krieg. Das neue Schiff wird kurzerhand umfunktioniert zum einfachen Lazarettschiff. Meist ankert es in norwegischen Häfen. 1943 schließlich sinkt die „Alexander von Humboldt“ nach einem Bombentreffer in der Weser. Fünf Jahre liegt sie dort, ehe sie 1948 gehoben wird. Für wissenschaftliche Aufgaben ist das Schiff nun nicht mehr geeignet. Und so muss die „Humboldt“ nach ihrer Reparatur im neuen politischen System als Fischdampfer ihren Dienst tun. 1968 schließlich wird sie stillgelegt. Während auf der einen Seite Deutschlands eine träge „Alexander von Humboldt“ ihre letzten Atemzüge tut, wird auf der anderen Seite gerade an einem neuen Schiff gearbeitet, das einmal den Namen des Forschers tragen wird. Einige Jahre zuvor hat die DDR-Regierung beschlossen, Erdöl- und Ergasvorkommen auf ihrem Staatsgebiet genauer zu erkunden. Dafür muss ein Schiff her.


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mare No. 77

No. 77Dezember 2009/ Januar 2010

Von Marike Frick und Benjamin Güdel

Marike Frick, Jahrgang 1980, Autorin in Hamburg, überraschte, wie beliebt Humboldt als Namensstifter ist. Auch Städte, Gebirge, Gletscher, sogar ein Meer und ein Krater auf dem Mond sind nach ihm benannt.

Seit einem Kanarenurlaub ist Benjamin Güdel, geboren 1968, Illustrator in Zürich, begeistert von Teneriffas höchstem Berg. So freute es ihn, als er den Pico del Teide malen konnte – wenn auch nur klein im Hintergrund des Segelschiffs.

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Vita Marike Frick, Jahrgang 1980, Autorin in Hamburg, überraschte, wie beliebt Humboldt als Namensstifter ist. Auch Städte, Gebirge, Gletscher, sogar ein Meer und ein Krater auf dem Mond sind nach ihm benannt.

Seit einem Kanarenurlaub ist Benjamin Güdel, geboren 1968, Illustrator in Zürich, begeistert von Teneriffas höchstem Berg. So freute es ihn, als er den Pico del Teide malen konnte – wenn auch nur klein im Hintergrund des Segelschiffs.
Person Von Marike Frick und Benjamin Güdel
Vita Marike Frick, Jahrgang 1980, Autorin in Hamburg, überraschte, wie beliebt Humboldt als Namensstifter ist. Auch Städte, Gebirge, Gletscher, sogar ein Meer und ein Krater auf dem Mond sind nach ihm benannt.

Seit einem Kanarenurlaub ist Benjamin Güdel, geboren 1968, Illustrator in Zürich, begeistert von Teneriffas höchstem Berg. So freute es ihn, als er den Pico del Teide malen konnte – wenn auch nur klein im Hintergrund des Segelschiffs.
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