Im Nahkampf für die Wale

Kompromisslos und hart, gefeiert und bewundert – Paul Watsons kämpfe­rische Meeresschutzorganisation Sea Shepherd agiert oft jenseits der Grenzen von Recht und Gesetz. Wie arbeitet es sich als Mitstreiter an seiner Seite?

Im Jahr 1977 gründete der Kanadier Paul Watson eine Umweltorganisation zum Schutz der Meere, der er ein paar Jahre später den Namen „Sea Shepherd Conservation Society“ gab. Er hatte bereits als früher Greenpeace-Aktivist an Aktionen gegen Walfang und Robbenjagd teilgenommen, wurde aber aus der Greenpeace-Führung ausgeschlossen, weil er gegen deren generellen Gewaltverzicht war. Sea Shepherd verfolgt das Ziel, den Lebensraum Meer zu schützen, mit direkten und konfrontativen Aktionen. Eine Flotte von derzeit acht Schiffen ist weltweit unterwegs, um illegale Fischerei aufzuspüren, Treibnetze zu zerstören, gegen die Delfinjagd auf den Färöerinseln vorzugehen und um in spektakulären Einsätzen japanische Walfänger in der Antarktis aufzuspüren und zu sabotieren. In der Vergangenheit wurden Schiffe mit Buttersäure beworfen und Tank- und Versorgungsschiffe daran gehindert, das japanische Verarbeitungsschiff „Nisshin Maru“ zu erreichen. Es gab mehrere Kollisionen zwischen Sea-Shepherd-Schiffen und der japanischen Walfangflotte, bei denen sich beide Parteien gegenseitig die Schuld gaben. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden.

Paul Watson, bis heute zentrale Figur der Organisation, wurde mehrfach verhaftet, auf Antrag Japans und Costa Ricas steht er auf der Fahndungsliste der Interpol. Nach einer Anklage der Japaner wurde Sea Shepherd 2012 von der US-amerikanischen Justiz untersagt, sich japanischen Walfangschiffen zu nähern. Wegen Missachtung dieses Urteils wurde die Organisation zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Sea Shepherd gilt als gemeinnützig, finanziert sich aus Spenden und hat viele millionenschwere und prominente Unterstützer und Berater, wie John Paul DeJoria, den Gründer des Haarkosmetikkonzerns Paul Mitchell, oder Doug Tompkins, den früheren Chef der Bekleidungsfirmen The North Face und Esprit, die Red Hot Chili Peppers, Pierce Brosnan, Sean Penn, Martin Sheen, Sean Connery und Daryl Hannah. Fast alle Aktiven bei Sea Shepherd arbeiten ehrenamtlich.

Am 5. November 2012 kündigt Sea Shepherd „Operation Zero Tolerance“ an, die neunte Kampagne gegen die japanischen Walfänger im Südpolarmeer. Das japanische Institute of Cetacean Research strebt eine Fangquote von etwa 1000 Tieren an. Sea Shepherd ist es durch seine Störaktionen seit 2006 regelmäßig gelungen, die Fangzahlen zu reduzieren. Vier Schiffe sind im Einsatz: die „Steve Irwin“, ein ehemaliges Fischereischutzschiff, die „Bob Barker“, früher im Dienst der norwegischen Küstenwache, der Trimaran „Brigitte Bardot“ und die „Sam Simon“, einstmals Forschungsschiff der japanischen Regierung, von Sea Shepherd in einer verdeckten Transaktion erworben. 120 Aktivisten starten von Australien aus Richtung Süden, um die japanische Flotte aufzuspüren. Paul Watson, bislang Anführer jeder Antarktisaktion, gilt als flüchtig. Im Mai in Deutschland verhaftet und gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt, hatte er sich nach 70 Tagen nicht mehr bei den Behörden gemeldet. Am 4. Dezember bringt die „Brigitte Bardot“ Watson an Bord der „Steve Irwin“, er übernimmt das Kommando. Am 17. Dezember untersagt ein amerikanisches Gericht Sea Shepherd, sich den japanischen Schiffen auf weniger als 450 Meter zu nähern. Watson, der US-Staatsbürger ist, tritt von allen Ämtern der Organisation und seinem Kommando zurück. Am 30. Januar entdeckt die „Bob Barker“ das Verarbeitungsschiff „Nisshin Maru“. Am 7. Februar sichtet die „Sam Simon“ den japanischen Versorgungstanker „San Laurel“. Alle Sea-Shepherd-Schiffe nehmen die Verfolgung auf. Es kommt ab dem 20. Februar mehrfach zur Kollision, die „Bob Barker“ wird beim Blockieren des Tankvorgangs zwischen „San Laurel“ und „NisshinMaru“ eingeklemmt. Nach 48 Tagen beenden die Japaner ihre Jagd, das japanische Fischereiministerium beklagt die niedrigste Fangquote seit Jahren und bestätigt Sea Shepherds Störmanöver als Ursache für den Misserfolg.

Gillian Graham, Sid Thomas und Olav Jost gehörten bei „Operation Zero Tolerance“ zur Crew der „Steve Irwin“.

Wenn sich das Leben auf den Kopf stellt, verändern Menschen oft ihr Aussehen. Gillian Graham hat ihre kurzen Haare blond gefärbt, das rote Tuch darin korrespondiert mit der Farbe des Lippenstifts. Wäre da nicht der Stoffbeutel mit dem Sea-Shepherd-Logo, man würde ihr den frühen Ausbruchsversuch im Leben, als sie, kaum der Schule entwachsen, sang und kellnerte in einem Ferienort in Portugal, eher zutrauen als die Zweitkarriere als entschlossene Tierschützerin.


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mare No. 111

No. 111August / September 2015

Von Martina Wimmer und Giacomo Cosua

mare-Redakteurin Martina Wimmer hat durch die Begegnungen mit den Sea-Shepherd-Aktivisten einige Vorurteile abgelegt. Sie weiß jetzt: Vegane Wurst schmeckt richtig gut.

Der italienische Fotograf Giacomo Cosua war von Dezember 2012 bis März 2013 an Bord der „Steve Irwin“. Seine Arbeit wurde unterstützt durch Parley for the Oceans, eine Initative zum Schutz der Meere.

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Vita mare-Redakteurin Martina Wimmer hat durch die Begegnungen mit den Sea-Shepherd-Aktivisten einige Vorurteile abgelegt. Sie weiß jetzt: Vegane Wurst schmeckt richtig gut.

Der italienische Fotograf Giacomo Cosua war von Dezember 2012 bis März 2013 an Bord der „Steve Irwin“. Seine Arbeit wurde unterstützt durch Parley for the Oceans, eine Initative zum Schutz der Meere.
Person Von Martina Wimmer und Giacomo Cosua
Vita mare-Redakteurin Martina Wimmer hat durch die Begegnungen mit den Sea-Shepherd-Aktivisten einige Vorurteile abgelegt. Sie weiß jetzt: Vegane Wurst schmeckt richtig gut.

Der italienische Fotograf Giacomo Cosua war von Dezember 2012 bis März 2013 an Bord der „Steve Irwin“. Seine Arbeit wurde unterstützt durch Parley for the Oceans, eine Initative zum Schutz der Meere.
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