Im Kielwasser

Das Beste zum Schluss

Ende einer Landratte

Eine Geschichte, die noch zu erzählen ist: Über meine Seekrankheit, die hinter der Hafenmole begann und bei der ich mich auf den Meeresboden wünschte, egal, Hauptsache fester Grund. Über den Kapitän, der plötzlich von der Brücke verschwand, wir hatten Windstärke drei. „Ihm ist übel“, so die Auskunft, „er muss schlafen.“ Wie kurz darauf die ganze Crew in die Koje musste; gesteuert wurde das Boot nur noch von dem Greis. Jenem, der keine Schwimmweste brauchte – genau sieben waren es bei acht Mann Besatzung. „Der Alte braucht keine, dem hilft Gott.“ Tatsächlich war er nur zu einem Zweck auf dem Schiff: zum Beten. Sein Gesang sollte die Wellen brechen – seit seinem Untergangserlebnis wusste man ihn in der Obhut eines Engels, unter dessen Schwingen Platz für alle war. Zu berichten wäre über die Farben des Wassers, des Himmels, der Fische, die wunderbaren Abende auf dem Meer – kurz, über den Pathos der Natur, die sich diesen herrlichen Kitsch nicht abgewöhnen kann. Ach, und erst die Häfen. Und der Hai, der meine Angelschnur zerbiss. Und schließlich mein erster Schritt zurück an Land – kein gewöhnlicher Sterblicher mehr, sondern ein SEEMANN. bra


Gezeiten in Seemanns Seele

Die Frage nach der Seefahrtromantik ist zu gut, um sie mit einer Antwort zu verderben. Es scheint sie zu geben – und es scheint sie nicht zu geben. Aber das lässt sich beobachten: dass dem Seemann die Seele von Tiden umspült wird und wie Flut und Ebbe die Stimmungen ihn mal in den Himmel heben und bald darauf sein Herz zur Rosine verdorren lassen. Ein Geschehnis macht den Reisenden auf großer Fahrt grübeln: Da sitzt er mit einem russischen Matrosen und einer Wandvoll Pin-ups auf ein Bier in der Kabine und lauscht dem Schwärmen von Freiheit und Weite und Abenteuer, den muchachas in den Häfen – noch ein Bier? –, der ganze Quatsch, man kennt das ja. Es wird gekramt in Siebensachen, es kommen hervor die Dokumente eines exotischen Lebens, gesiegelt und gestempelt als schrägständige Existenz, irgendwie aufrecht auf unfesten Böden – und dann segelt das Foto aus dem Portemonnaie, speckig vom vielen Berühren, und der Seemann wird ganz ergriffen von der plötzlichen Eingebung: seine Frau, und erst die Töchter, eine schöner als die andere, so begabt, mit sechs schon virtuos an der Geige die eine, die andere ein wandelndes Lexikon. Darauf na sdarowje! Ach, er hat sie viel zu selten. Es zieht ihm ins Herz, die Augen sind feucht, und dann, beim vierten Bier, der heilige Schwur, Hand auf Herz: Schluss mit Seefahrt! Was ist schlecht am Leben als Hausmeister an Land? Alles, alles, ist besser als dieses ewige Hin und Her! Es dämmert einem: Die Romantik der Seefahrt ist zuerst die Romantik der Seelengezeiten. kjs


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mare No. 47

No. 47Dezember 2004 / Januar 2005

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