Tea Time, Cricket, Bitterbier – typisch britisch wie die Royals, „No sex, please, we’re British“ oder Billy Butlin. Billy who? Um die Bedeutung dieses Namens zu kennen, muss man zwischen 1950 und 1970 in einem seiner Holiday Camps Ferien gemacht haben, egal ob als Kind oder Erwachsener, solange man nicht zu den oberen Zehntausend gehört. Erst dann versteht man, warum Butlin für die meisten Briten noch heute, nach 75 Jahren, synonym ist mit ungezwungenem Urlaubsvergnügen. Nicht wenige Briten haben dies als Kind und als Erwachsene getan und nicht wenige davon jahrein, jahraus.
Man muss in einem der bunten Reihenbungalows mit Kitchenette und Etagenbett logiert haben, vom „Wakey-wakey!“-Lautsprecherruf geweckt worden sein, mit Clubjacke und kurzen Hosen in den Sesseln riesiger Lounges das Ende der Mittagszeit herbeigesehnt haben, mit anderen Kindern am Schwimmbadrand ewige Freundschaft geschlossen haben, klopfenden Herzens in der Schlange vor dem Riesenrad gestanden haben und ein Eis aus der wandelnden Rieseneistüte bekommen haben. Man muss sich in Ballsälen von Eintänzern in roten Blazern zum Tanz auffordern lassen haben, in Dschungelbars mit ungeheuer exotischen Cocktails angestoßen, mit Freunden ein Mixed double auf dem Tennisplatz ausprobiert, an den Buffets ungeniert zugelangt haben, sich heiße Augenflirts mit der Gattin des Bungalownachbarn geleistet und sich bei komischen Wettbewerben auf einer Bühne lachend zum Affen gemacht haben.
Dann kennt man Billy Butlins schöne, arglose Ferienwelt. Aber man hüte sich davor, sich darüber lustig zu machen. Butlins Idee vom bezahlbaren Vergnügungsurlaub für alle war ernst gemeint; sie revolutionierte nicht nur die dröge Art, wie bis dahin die berechtigte Abwesenheit von der Arbeit gestaltet war; sie verbesserte auch deutlich die „work-life balance“ von Generationen bis dahin Unterprivilegierter und setzte bis in die 1980er Jahre die Standards des organisierten Urlaubs, der heute selbstverständlich ist.
Butlin war ein in Südafrika und Kanada aufgewachsener Spross einer reisenden Schaustellerfamilie. Das raue, oft brutale Geschäft lernte er von der Pike auf, und der junge, durchsetzungsstarke Mann brachte es zu ansehnlichem Wohlstand. Die Anfänge seiner Holiday Camps sind Legende, aber verbürgt ist, dass ihn persönliche Erlebnisse in kanadischen Jugendzeltlagern und verunglückte Sommerferien auf Barry Island in Wales, in denen die Pensionswirtin ihn samt Familie trotz Dauerregens den ganzen Tag ausgesperrt ließ (was in jenen Jahren übliche Praxis war), auf die Idee brachten. Mitte der 1930er entwickelte er dann seinen Plan, der Familiensehnsüchte
zusammenfasste: eine Hüttensiedlung am Strand, mitten in einer Kirmes, mit Buden, Bars und Restaurants.
Im Sommer 1936 weihte er sein erstes Holiday Camp in Skegness an der englischen Nordseeküste ein. Der Erfolg war sensationell. Schon in den folgenden eineinhalb Jahren eröffnete er zwei weitere, in Clacton und Filey, ebenso an der Nordsee. In diesem Tempo wäre es wohl weitergegangen, wenn nicht der Zweite Weltkrieg eine Zwangspause gebracht hätte, während der das Militär seine Feriencenter requirierte.
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Karl Spurzem, stellvertretender mare-Chefredakteur, kennt sich aus mit Lagerleben. Seit ihn eine Wintermelancholie auf die Bühne eines karibischen Clubhotels neuesten Zuschnitts verschlug, weiß er ein für allemal, was unter Animation zu verstehen ist.
Die gezeigten Fotografien stammen aus dem Buch Our True Intent Is All For Your Delight, neu herausgegeben von Chris Boot.
Vita | Karl Spurzem, stellvertretender mare-Chefredakteur, kennt sich aus mit Lagerleben. Seit ihn eine Wintermelancholie auf die Bühne eines karibischen Clubhotels neuesten Zuschnitts verschlug, weiß er ein für allemal, was unter Animation zu verstehen ist.
Die gezeigten Fotografien stammen aus dem Buch Our True Intent Is All For Your Delight, neu herausgegeben von Chris Boot. |
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Person | Von Karl Spurzem, David Noble, Edmund Nägele, Elmar Ludwig |
Vita | Karl Spurzem, stellvertretender mare-Chefredakteur, kennt sich aus mit Lagerleben. Seit ihn eine Wintermelancholie auf die Bühne eines karibischen Clubhotels neuesten Zuschnitts verschlug, weiß er ein für allemal, was unter Animation zu verstehen ist.
Die gezeigten Fotografien stammen aus dem Buch Our True Intent Is All For Your Delight, neu herausgegeben von Chris Boot. |
Person | Von Karl Spurzem, David Noble, Edmund Nägele, Elmar Ludwig |